Mittelalterlicher jüdischer Friedhof Basel

In der mittelalterlichen Stadt Basel gab es von spätestens 1213 bis 1349 eine erste und von 1356 bis 1397 eine zweite jüdische Gemeinde. Die Standorte ihrer Friedhöfe (sowie ihrer Häuser und Synagogen) sind weitgehend erschlossen.

Erster jüdischer Friedhof (13. Jahrhundert bis 1349)

Die erste mittelalterliche jüdische Gemeinde der Stadt Basel begrub ihre Mitglieder auf dem Friedhof am Petersplatz. Zeitgleich mit der Verbrennung und Vertreibung der Jüdinnen und Juden 1349 wurde der Friedhof verwüstet. Das Areal blieb Brachland, bis 1438 dort ein städtisches Korn- und Zeughaus gebaut wurde.[1]

Grabstein Fragment (Datums-Stein), in der Sammlung des Jüdischen Museums der Schweiz.

Der älteste sicher zu datierende Grabstein stammt aus dem Jahr 1222 und ist heute im Hof des Jüdischen Museums der Schweiz ausgestellt. Ein rätselhaftes Fragment eines Grabsteins könnte auf das Jahr 1103/4 oder 1303/4 datiert sein. Roger Harmon, ein Spezialist für hebräische Inschriften, gab im August 2023 diesbezüglich ein Interview.[2]

Der Friedhof befand sich gleich ausserhalb der inneren Stadtmauern, verkehrstechnisch zwischen den beiden Strassen der späteren Spalenvorstadt im Süden und der Neuen bzw. St. Johanns-Vorstadt im Norden. Der damalige Petersplatz gehörte im 13. Jahrhundert dem Petersstift. Spätestens 1264 schützte eine Mauer das Areal. Eingänge sind nicht bekannt.[3]

Im Laufe des 13. Jahrhunderts entstand an den Ausfallstrassen vor den Stadttoren am oberen Ende des Spalenbergs und des Blumenrains eine neue Vorstadt.[3]

Zweiter jüdischer Friedhof (1356 bis 1397)

Die zweite, kleinere jüdische Gemeinde in Basel wurde gegründet, nachdem ein verheerendes Erdbeben 1356 die Stadt veranlasste, Jüdinnen und Juden zur Hilfe des Wiederaufbaus der Stadt erneut anzuwerben. Urkundlich belegt ist, dass die zweite Gemeinde über einen (vermutlich kleinen) Friedhof zwischen dem Aeschengraben und dem Hirschgässlein verfügte.[4]

Ausgrabungen und Wiederbestattungen

Ausgrabungen des Jahres 1937

1937 wurde das alte Zeughaus im Viertel zwischen Petersgraben, Petersplatz, Spalengraben und dem Vesalianum an der Vesalgasse abgerissen. Dabei stiessen die Arbeiter auf sehr viele Skelette (gegen 150), die sie freilegten und bargen, 31 Grabsteinfragmente, Bestandteile von Trachten sowie ein bzw. zwei Münzdepots.[5] Das Kollegienhaus der Universität Basel wurde in den Jahren 1937‒39 an der Stelle des alten, aus dem Mittelalter stammenden Zeughauses, erbaut.[4]

Ausgrabungen im Winter 2002/03

Zwischen 2001 und 2003 hat die Universitätsverwaltung zusammen mit dem Hochbauamt umfassende Renovationen und Modernisierungen des Kollegienhaus-Komplexes ausführen lassen. Als das Bauunternehmen im Dezember 2002 mit dem Aushub begann, stiess es auf menschliche Skelettreste. Dies führte zu einer umfassenden Ausgrabung der gesamten Aushubzone durch die Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt.[6]

Wiederbestattungen der Jahre 1937 und 2003

Das Judentum schützt die Grabesruhe. Bei beiden Ausgrabungen sollten daher die Toten baldmöglichst auf einem jüdischen Friedhof wieder bestattet werden. Die geborgenen Skelette wurden daher nach kurzer Untersuchung der Israelitischen Gemeinde zur Bestattung übergeben.[7]

Mittelalterliche Grabsteine im Innenhof des Jüdischen Museum der Schweiz

SignaturNamenDatumGregorianischBilder der Grabsteine (alle in der Dauerausstellung des Jüdischen Museums der Schweiz)
JMS 494Baruch bar Awraham29. Elul 50731313.09.29
JMS 495Ja'akow bar Dawid10. Elul 50901330.09.02
JMS 496Schimon bar J[ ] Halewi24. Nisan 49911231.04.05
JMS 1123Schlome bar (?)Aharon2. Aw oder 2. Elul13./14. Jh., Juli/August
JMS 497Anonym bat/eschet Jedid'jaNisan13./14. Jh., März/April
JMS 498Chana bat/eschet MoschéAdar 49821222, Februar/März
JMS 499Sara bat Jisraël6. Kislew 49871226.12.07
JMS 500Schlome bar Dawid13. Kislew 49981237.12.08
JMS 501Jehude bar Passeach18. Kislew 50541297.12.11
JMS 502Breina bat Schmuël50121251/52

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Cornelia Alder, Christoph Philipp Matt: Der mittelalterliche Friedhof der ersten jüdischen Gemeinde in Basel: Ausgrabungen im Kollegiengebäude der Universität. In: Materialhefte zur Archäologie in Basel. Nr. 21, 1. Dezember 2010, ISSN 2673-8767, S. 5, doi:10.12685/mh.21.2010.1-135 (unibas.ch [abgerufen am 29. April 2024]).
  2. «Ein paar Zentimeter mehr, und keine Frage wäre offen.» - Juedisches Museum Schweiz. Abgerufen am 29. April 2024 (deutsch).
  3. a b Cornelia Alder, Christoph Philipp Matt: Der mittelalterliche Friedhof der ersten jüdischen Gemeinde in Basel: Ausgrabungen im Kollegiengebäude der Universität. In: Materialhefte zur Archäologie in Basel. Nr. 21, 1. Dezember 2010, ISSN 2673-8767, S. 21, doi:10.12685/mh.21.2010.1-135 (unibas.ch [abgerufen am 29. April 2024]).
  4. a b Cornelia Alder, Christoph Philipp Matt: Der mittelalterliche Friedhof der ersten jüdischen Gemeinde in Basel: Ausgrabungen im Kollegiengebäude der Universität. In: Materialhefte zur Archäologie in Basel. Nr. 21, 1. Dezember 2010, ISSN 2673-8767, S. 9, doi:10.12685/mh.21.2010.1-135 (unibas.ch [abgerufen am 29. April 2024]).
  5. Cornelia Alder, Christoph Philipp Matt: Der mittelalterliche Friedhof der ersten jüdischen Gemeinde in Basel: Ausgrabungen im Kollegiengebäude der Universität. In: Materialhefte zur Archäologie in Basel. Nr. 21, 1. Dezember 2010, ISSN 2673-8767, S. 29–31, 110, doi:10.12685/mh.21.2010.1-135 (unibas.ch [abgerufen am 29. April 2024]).
  6. Cornelia Alder, Christoph Philipp Matt: Der mittelalterliche Friedhof der ersten jüdischen Gemeinde in Basel: Ausgrabungen im Kollegiengebäude der Universität. In: Materialhefte zur Archäologie in Basel. Nr. 21, 1. Dezember 2010, ISSN 2673-8767, S. 11 f., doi:10.12685/mh.21.2010.1-135 (unibas.ch [abgerufen am 29. April 2024]).
  7. Cornelia Alder, Christoph Philipp Matt: Der mittelalterliche Friedhof der ersten jüdischen Gemeinde in Basel: Ausgrabungen im Kollegiengebäude der Universität. In: Materialhefte zur Archäologie in Basel. Nr. 21, 1. Dezember 2010, ISSN 2673-8767, S. 17 f., doi:10.12685/mh.21.2010.1-135 (unibas.ch [abgerufen am 29. April 2024]).

Koordinaten: 47° 33′ 30,3″ N, 7° 35′ 0″ O; CH1903: 610891 / 267532

Auf dieser Seite verwendete Medien

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Grabstein für Salomon, Sohn von David

13. Kislew 4998 = 8. Dezember 1237, gefunden am Petersplatz, Basel. Objektnummer: JMS 500

Hebräische Inschrift ins Deutsche übersetzt: "Dieses Grabmal zu Häupten des Rabbi Salomo des Sohnes des Rabbi David...der starb...am Dienstag, 13. Kislev 99 (5?) (5. November 1234) (?). Seine Seele sei im Bunde des Lebens. Er ruhe in Ehren. Amen Amen Amen Sela".
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Grabstein für Baruch, Sohn von Abraham. Stammt vom Judenfriedhof der ersten Basler Gemeinde, die bis 1349 bestand. 29. Elul 5073 = 29. September 1313, gefunden in einem Garten in der Kohlenberggasse, Basel. Objektnummer: JMS 494 Hebräische Inschrift ins Deutsche übersetzt: "Es starb Rabbi Baruch der Greis, Sohn des Rabbi Abraham, und wurde begraben am Freitag, 29 Elul 73 (21 September 1313). Seine Seele (sei) im Garten Eden mit den Gerechten. Amen Amen Amen Sela".
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Grabstein für Frau (unleserlich), Tochter von Yedidia

Anonym bat/eschet Jedid'ja Nissan = März / April 13. / 14. Jh. (1201-1349), Basel, Schweiz. Objektnummer: JMS 497

Hebräische Inschrift ins Deutsche übersetzt: "...Zu Häupten der Frau...(Tochter des) Rabbi Yedidia...Nisan des Jahres...Sie ruhe im (Garten) Eden mit den gerechten Frauen. Sela".
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Grabstein für Simeon, Sohn von J (unleserlich) Levi

Shimon bar J ( ) Halewi 24. Nissan 4991 = 5. April 1231, gefunden in der Bäumleingasse 10, Basel. Objektnummer: JMS 496

Hebräische Inschrift ins Deutsche übersetzt: "Dieser Grabstein habe ich gesetzt zu Häupten des Rabbi Simeon, des Sohnes von Rabbi J...des Leviten, der verschieden am...24 Nissan des Jahres 991 (29. März 1231). Seine Seele sei gebunden im Bunde des Lebens. Amen Amen Amen Sela".
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Grabstein Fragment (Datums-Stein)

Fragment Grabplatte mit hebräischer Inschrift. Möglichkeiten der Datierung: 1. (taf+)taf+samech+dalet+lifrat katan=864=1103/4 2. (schin+nun+)taf samech+dalet+lifrat katan=64=1303/4 3. chet+samech+dalet(=Chesed)=72=1311/12

Objektnummer: JMS 2091
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Grabstein für Jakob, Sohn von David. 10. Elul 5090 = 2.September 1330, gefunden im Kreuzgang des Münsters, Basel. Objektnummer: JMS 495 Hebräische Inschrift ins Deutsche übersetzt: "Dieses Grabmal ist zu Häupten des Rabbi Jakob, des Sohnes des Rabbi David, der ermordet wurde, gestorben in gutem Ruf am Sabbat und begraben am Sonntag, 1. Elul 90 (11 Aug. 1330). Seine Ruhe sei im Garten Eden mit den übrigen Gerechten der Welt. Amen Amen Sela".
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Grabstein für Frau Breina, Tochter von Samuel

1251-1252, gefunden am Petersplatz, Basel. Objektnummer: JMS 502

Hebräische Inschrift ins Deutsche übersetzt: "Siehe, der Grabhügel und Zeuge, dieser schöne Denkstein, den ich errichtet habe" (Gen. 31,51) zu Häupten der Frau B...a, Tochter des Rabbi Samuel, des Angesehenen, die in ihre Welt zurückgekehrt ist (im Jahre) 12 (1252 (?). Sie ruhe in Ehren.

Sela, Amen, Amen".
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Grabstein für Frau Sara, Tochter von Israel

6. Kislew 4987 = 7. Dezember 1226, gefunden am Petersplatz, Basel. Objektnummer: JMS 499

Hebräische Inschrift, ins Deutsche übersetzt: "Dieser Grabstein wurde errichtet zu Häupten der Frau Sara Tochter des R. Israel, die starb am Montag 6. Kislev 987 (27 Nov. 1226?). Ihre Seele (sei) im Bunde des Lebens (1 Sam. 26.29).

A(men) Amen Amen".
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Grabstein für Jehuda, Sohn von Pessach

Jehude bar Passeach 18. Kislew 5054 = 11. Dezember 1297, gefunden in der Martinsgasse als unterste Stufe einer hölzernen Kellertreppe, Basel. Objektnummer: JMS 501

Hebräische Inschrift ins Deutsche übersetzt: "...Tag...(des Monats) Kislev 5054 (Nov./Dez.1293)...Jehuda, Sohn des Pessach ...bescheidenen Wandeln...Seine Seele (ruhe) im Garten E(den) A(men) Sela".
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Grabstein für Hannah, (Tochter von) Moses

Chana bet/eschet Mosche Adar 4982 = Februar / März 1222, gefunden am "Judenfriedhof" Petersplatz, Basel. Objektnummer: JMS 498

Hebräische Inschrift ins Deutsche übersetzt: "Dieses Grabmal...zu Häupten (von) Frau Hannah..(Tochter des) Moses des...Adar 982/ März 1222. Ihre Seele sei...Eden verbunden...Amen Amen".
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Grabstein für Salo(mon), Sohn von Aaron

2. Aw oder 2. Elul 13./ 14. Jh. Juli August, gefunden am St. Alban-Graben, Basel. Objektnummer: JMS 1123

Hebräische Inschrift ins Deutsche übersetzt: "Dieser (Grabstein) zu Häupten/..chur..Sal(omo)/ (des gelehrten Rabbi) (Aharon) / begraben (am 6. Tag) dem 3. A(W) / ..../

(nach der kleinen Zählung, seine Ruhe) (sei) (bei) (den übrigen Gerechten) A (men) A(men) A(men)".