Minarchismus

Der Minarchismus ist eine politische Denkrichtung, den Staat in seinem Umfang, seinem Einfluss und seiner politischen Aufgabe auf ein in einer freien Gesellschaft „notwendiges Minimum“ zu beschränken. Der Staat soll nur stark genug sein, die Freiheit und das Eigentum jedes Individuums zu beschützen, sich gewissermaßen auf einen „Nachtwächterstaat“ beschränken. Der Minarchismus steht in der Tradition des klassischen Liberalismus. Manche Minarchisten in den USA zählen sich zum Libertarismus (etwa der Libertarian Party).

Allgemeines

Die Denkrichtung hat eine gewisse Bandbreite. Manche Minarchisten wollen den Staat auf einen Minimalstaat beschränken, der nur für die Parlamente, Gerichte, Polizei, Gefängnisse und Streitkräfte verantwortlich ist, während andere ihm auch öffentliche Infrastruktur wie Währung, Straßenbau oder auch sehr viel weitergehende Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser überlassen. Wie Anarchokapitalisten sind auch die Minarchisten Gegner der Wehrpflicht, der Schulpflicht, des Verbots von Drogen und der Verfolgung opferloser Straftaten.[1]

Einige Minarchisten wie Robert Nozick leiten ihre Überzeugung aus prinzipiellen Überlegungen über die Rolle des Staates ab, während andere sie mit utilitaristischen Argumenten begründen. Hierbei sind besonders zu vermerken:

  • Freiwilligkeit: Minarchisten stehen allgemein gegen Pflicht- bzw. Zwangsmaßnahmen (von den drei staatlichen Grundeinrichtungen).
  • Effektivität: Private Einrichtungen könnten Probleme meist effektiver und unbürokratischer bewältigen.
  • Mündigkeit: Der Einzelne sei intelligent und vernünftig genug, selbst zu entscheiden, wofür sein Geld verwendet wird und welche Zwecke er als sinnvoll ansieht.

Sozialleistungen

Minarchisten befürworten generell die Privatisierung von Sozialleistungen, die statt von einem Sozialstaat durch karitative Verbände zu erbringen seien.

Steuerpolitik

Viele Minarchisten befürworten eine Einheitssteuer, andere eine Kopfsteuer und wiederum andere lehnen jede Besteuerung ab.

Minimalstaat und Adam Smith

Oft wird der schottische Nationalökonom und Moralphilosoph Adam Smith, der als Begründer des klassischen Wirtschaftsliberalismus gilt,[2] mit dem Minimalstaat in Verbindung gebracht.[3] Dem wird jedoch entgegengehalten, dass Smith neben dem Schutz der äußeren und inneren Sicherheit noch weitere Staatsaufgaben sah, so die Bereitstellung öffentlicher Güter (z. B. Straßen), für die sich kein privater Investor finden ließe,[4][5] und öffentlicher Dienste (z. B. Schulen), die dem sozialen Ausgleich dienen.[6]

Minimalstaat bei Robert Nozick

Nozick versucht in seinem Hauptwerk Anarchie, Staat und Utopia einen Minimalstaat anhand eines modernen Entwurfs zu begründen. Diesen Minimalstaat, der auf den Schutz der Bürger gegen Gewalt, Diebstahl und Betrug, auf die Durchsetzung von Verträgen usw. beschränkt ist, grenzt er gegenüber dem „Ultraminimalstaat“ ab, in dem dieser Schutz nur zahlungsbereiten Kunden zukommt („Versicherungsstaat“).[7][8] Später distanzierte sich Nozick vom libertären Programm und bekannte sich zu einer republikanisch-kommunitaristischen Position.[9]

Literatur

  • Robert Nozick: Anarchie Staat Utopia. Übers. Hermann Vetter. Moderne Verlagsgesellschaft, München 1976 (Neuauflage: Olzog, München 2006, ISBN 3-7892-8098-4).
  • No-Government. In: Jens Fromm, Mike Weber (Hrsg.): ÖFIT-Trendschau: Öffentliche Informationstechnologie in der digitalisierten Gesellschaft. Kompetenzzentrum Öffentliche IT, Berlin 2016, abgerufen am 11. Oktober 2016, ISBN 978-3-9816025-2-4.
  • Bodo Knoll: Minimalstaat: Eine Auseinandersetzung mit Robert Nozicks Argumenten. Mohr Siebeck, Tübingen 2008, ISBN 978-3-16-149604-2.
  • Roland Chr. Hoffmann-Plesch: Vom Minimalstaat zum Weltstaat: Eine rechtsphilosophische Untersuchung zur minarcholibertaristischen Gerechtigkeitsutopie (= Schriften zur Rechtswissenschaft, Bd. 165). Wissenschaftlicher Verlag Berlin 2013, ISBN 978-3-86573-721-2.

Einzelnachweise

  1. Anthory Gregory: The Minarchist’s Dilemma. Strike The Root, 10 May 2004.
  2. Helga Grebing, Walter Euchner: Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland. VS Verlag, 2005, ISBN 3-531-14752-8, S. 797.
  3. Z. B. Hermann Adam: Bausteine der Politik – Eine Einführung. VS-Verlag, 2007, S. 215.
  4. Klaus-Peter Kruber: Theoriegeschichte der Marktwirtschaft. Münster 2002, ISBN 3-8258-6288-7, S. 18.
  5. Manfred E. Streit: Theorie der Wirtschaftspolitik. 6. Auflage. Lucius & Lucius, Stuttgart 2005, ISBN 3-8252-8298-8, S. 50.
  6. Frank R. Pfetsch, Thomas Kreihe: Theoretiker der Politik: von Platon bis Habermas. UTB, W. Fink, Paderborn 2003, ISBN 3-8252-8252-X, S. 228 f.
  7. Robert Nozick: Anarchie, Staat, Utopia. Olzog, München 2011, S. 52 f.
  8. Bodo Knoll: Minimalstaat – Eine Auseinandersetzung mit Robert Nozicks Argumenten (= Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften, Band 142). Mohr Siebeck, Tübingen 2008, ISBN 978-3-16-149604-2, S. 251 f.
  9. Hermann-Josef Große Kracht: Renaturalisierung sozialer Ungleichheiten? Zu Wolfgang Kerstings vergeblicher Hoffnung, auf dem Weg von John Rawls über Robert Nozick zu einer liberalen Sozialstaatsphilosophie zu gelangen. In: Politische Vierteljahresschrift, 45 (3), 2004, S. 395–413, hier: S. 402.