Militärimam

Ein Militärimam der US Navy (2002)

Ein Militärimam ist ein Geistlicher, der in Diensten des Militärs steht und Soldaten, Armeeangehörige und Kriegsgefangene islamischen Glaubens seelsorgerisch betreut.

Militärimame im deutschsprachigen Raum

Österreich

Bereits zu Zeiten der k.u.k.-Monarchie wurden in der österreichischen Armee Militärimame beschäftigt. Dies hatte seinen Grund in der zunehmenden Anzahl von Muslimen als Militärangehörige nach der Okkupation von Bosnien und der Herzegowina in 1881.[1] Nach dem Ersten Weltkrieg sind in der österreichischen Armee keine Militärseelsorger für Muslime mehr bekannt. Der Zuwachs an muslimischen Einwohnern Österreichs seit den 1990er Jahren[2] führte dazu, dass die Notwendigkeit einer eigenen Militärseelsorge erneut kontrovers diskutiert wurde. In Österreich ist (anders als in Deutschland) der Islam als öffentliche Körperschaft anerkannt. Im Zuge der Integration von Soldaten mit Migrationshintergrund wurde im Februar 2004 ein Gebetsraum für Moslems in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien eingerichtet. Nachdem seit 2005 Verhandlungen zwischen dem österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport und Vertretern von Moslems in Österreich stattfanden, sei für 2008 die Bestellung von zwei Militärimamen auf der Basis von freien Werkverträgen geplant gewesen. Der erste von zwei Militär-Imanen, Abdulmedzid Sijamhodzic aus Bosnien, wurde am 1. Juli 2015 für diese nebenberufliche Tätigkeit vom Bundesheer angestellt und sprach bei der Angelobung der Rekruten am 26. Oktober 2015 am Heldenplatz in Wien. Nach Presseberichten dienten 2015 etwa 700 muslimische Grundwehrdienstleistende im österreichischen Bundesheer.[3] Im Oktober 2020 forderte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) auf, den Imam abzuziehen und zu ersetzen.[4][5]

Schweiz

In der Schweiz wurde Anfang 2009 seitens des Präsidenten der Föderation islamischer Dachorganisationen die Installation eines Militärimamen gefordert.[6] Der Chef Armeeseelsorger der Schweizer Armee vertrat im Februar 2011 die Auffassung, es zeige sich kein Bedarf, in der Armeeseelsorge auch Imame oder Rabbiner einzusetzen.[7]

Deutschland

Evangelische und katholische Militärseelsorger betreuen Soldaten der Bundeswehr seit 1957.[8] Im Juli 2011 befürwortete der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime die Einführung von Militärimamen.[9] Die Bundeswehr vertrat zur gleichen Zeit den Standpunkt, die Anzahl muslimischer Soldaten sei noch zu gering, um eine spezielle Militärseelsorge zu unterhalten.[10] Das Zentrum Innere Führung gab 2011 ein Arbeitspapier für Vorgesetzte heraus, in dem der Umgang mit muslimischen Kameraden geregelt wird.[11] Am 2. April 2019 erklärte das Verteidigungsministerium, dass die Bundeswehr Militärimame für die geschätzt etwa 3000 muslimischen Soldaten einführen wird.[12] Erwähnt sei, dass bereits im Ersten Weltkrieg in Wünsdorf von 1915 an eine große Moschee im sogenannten Halbmondlager bestand.

Westeuropa

Laut einer Veröffentlichung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr seien Imame in der Militärseelsorge der britischen (Anzahl unbekannt) und französischen Armee (Anzahl Stand 2008: 8) tätig.[13]

Einzelnachweise

  1. Dipl.-Ing. Mouddar Khouja: Europäische Militärseelsorge zwischen Christentum, Islam und Säkularisierung aus der Sicht der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Vortrag vom 6. Februar 2008 auf der Homepage des österreichischen Verteidigungsministeriums (PDF; 212 kB)
  2. Migranten beim Heer: "Erst der Auftrag, dann das Gebet"; Die Presse vom 1. März 2011
  3. 26. Oktober: Erstmals spricht ein Imam am Heldenplatz ORF.at, 26. Oktober 2015
  4. Nina Weißensteiner: Ministerin Tanner enthebt Militär-Imam vom Dienst. In: DerStandard.at. 22. Oktober 2020, abgerufen am 23. Oktober 2020.
  5. Tanner beruft Militär-Imam ab. In: ORF.at. 22. Oktober 2020, abgerufen am 23. Oktober 2020.
  6. Die Schweizer Armee braucht Imame; 20min.ch, 20. Januar 2009
  7. Die Schweizer Armee sucht Seelsorger; Berner Zeitung, 28. Februar 2011
  8. Staatsvertrag - Jüdische Militärseelsorge in der Bundeswehr; Presse- und Informationsamt der Bundesregierung auf bundesregierung.de vom 11. Dezember 2019
  9. Muslime fordern Militär-Imam; news.de, 12. Juli 2011 (Memento des Originals vom 17. Juli 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.news.de
  10. Muslime fordern Militär-Imame für die Bundeswehr; Die Welt, 12. Juli 2011
  11. Verteidigungsministerium: Bundeswehr sucht ersten Imam für muslimische Soldaten Deutsch Türkische Nachrichten vom 24. Mai 2015, abgerufen am 4. Dezember 2015
  12. Militärrabbiner sollen Bundeswehr unterstützen, Der Spiegel, 2. April 2019. Abgerufen am 3. April 2019.
  13. Muslim Service Members in Non-Muslim Countries - Experiences of Difference in the Armed Forces in Austria, Germany and The Netherlands auf bundeswehr.de (S.30), 19. Mai 2011

Siehe auch

Auf dieser Seite verwendete Medien

US Navy 020125-N-6967M-501 U.S. Navy Muslim Chaplain Camp X-Ray.jpg
020125-N-6967M-501 Guantanamo Bay, Cuba (Jan. 25, 2002) -- U.S. Navy Lt. Abuhena Saif Ul Islam, a Muslim Chaplain, speaks with a congressional delegation touring Camp X-Ray. Islam leads prayers five times a day for al Qaida and Taliban detainees being held there during Operation Enduring Freedom. U.S. Navy photo by Photographer's Mate 1st Class Shane T. McCoy. (RELEASED)