Michael Heseltine

Michael Heseltine (2013)

Michael Raymond Dibdin Heseltine, Baron Heseltine, CH, PC (* 21. März 1933 in Swansea, Wales) ist ein britischer Politiker der Conservative Party, Vorsitzender der Tory Reform Group, ehemaliger Minister und Geschäftsmann. 1990 forderte er Margaret Thatcher um die Parteiführung heraus und spielte damit eine Schlüsselrolle für ihre Ablösung, obwohl er nicht ihr Nachfolger wurde.

Leben

Michael Heseltine wurde als Sohn eines Obersten geboren, erfuhr an der Shrewsbury School seine Ausbildung und studierte am Pembroke College (Oxford) Geschichte, Philosophie und Politik. In dieser Zeit wurde er Präsident des renommierten britischen Debattierclubs Oxford Union. Aus dieser Zeit stammt die Anekdote, er habe auf der Rückseite eines Umschlags aufgeschrieben: 25 Millionär, 35 Kabinettsmitglied, 45 Parteiführer, 55 Premierminister. Als gelernter Buchprüfer wurde er nach seinem Militärdienst Herausgeber, ab 1966 Mitinhaber und Verleger der Firma Haymarket Publishing und verdiente Millionen durch die Herausgabe von Magazinen, u. a. Management Today und bevor er 40 Jahre alt war, war er bereits Kabinettsmitglied.

1966 wurde er für den Wahlkreis Tavistock in Devon erstmals Abgeordneter des britischen Unterhauses, und vertrat diesen bis 1974. Als bei den allgemeinen Wahlen 1970 die Conservative Party einen Sieg errang, berief ihn Premierminister Edward Heath in das Kabinett – bis 1972 als Staatssekretär im Verkehrsministerium, danach als Minister für Luft- und Schifffahrt. Während der Oppositionszeit 1974 bis 1979 gehörte er dem Schattenkabinett als Schattenindustrieminister an. Während dieser Zeit betrieb die Labour-Regierung die Verstaatlichung der Werften und Luftfahrtindustrie. In der Unterhausdebatte wurde Heseltine durch folgende legendäre Episode bekannt: Die Schilderungen, was exakt passierte, variieren, doch die farbigste zeichnete Heseltine, den Zeremonienstab des Unterhauses (ceremonial mace) greifend und gegen die Linken der Labour Party schwingend, sein langes blondes Haar um ihn wirbelnd, als diese ihren Sieg in der Abstimmung durch Absingen der Hymne „Rote Flagge“ feierten. Daraufhin erhielt Heseltine den Spitznamen „Tarzan“.

Er wurde von Margaret Thatcher 1979 zum Umweltminister ernannt. Bei den Gewaltexplosionen in den britischen Innenstädten, die den Auseinandersetzungen in Brixton und Toxteth Anfang der 1980er-Jahre folgten, wurde Heseltine als troubleshooter entsandt, um die Gewalt einzudämmen.

Vom 6. Januar 1983 bis zum 9. Januar 1986 diente er in Margaret Thatchers Kabinett als Verteidigungsminister. In dieser Zeit betrachtete er die Kontrolle der Rüstungsausgaben und die Verteidigung der britischen Atombewaffnung gegen die Kritik der Friedensbewegung und der Labour-Opposition als seine wichtigsten Aufgaben. Er trat für den NATO-Doppelbeschluss und ein SDI-Abkommen mit den USA ein. Im Zusammenhang mit der Krise beim Hubschrauberhersteller Westland Aircraft kam es zu einer für ihn bitteren Kabinettsdebatte: Heseltine war für eine europäische Lösung zur Rettung des einzigen britischen Hubschrauberherstellers eingetreten und hatte dessen Fusion mit dem italienischen Hersteller Agusta betrieben, während die Premierministerin und der Industrieminister Leon Brittan für eine Fusion Westlands mit dem amerikanischen Hersteller Sikorsky Aircraft Corporation eingetreten waren. Nach verlorener Kabinettsabstimmung trat Heseltine vor die versammelte Presse und gab seinen Rücktritt bekannt, bei dem er Margaret Thatcher blamierte, indem er ihr Uneinsichtigkeit vorwarf. Zwei Wochen später musste Brittan zurücktreten, weil offenkundig wurde, dass er ein kritisches Memo eines Beamten über Heseltine der Presse hatte zukommen lassen.

Die Westland-Affäre wurde als Anfang vom Ende der Ära Thatcher eingeschätzt. Heseltine zog sich auf die Hinterbänke des Unterhauses zurück und wurde zunehmend kritischer gegenüber der Premierministerin. Er forderte Margaret Thatcher im November 1990 um die Parteiführung heraus. Die darauf unvorbereitete und nur halbherzig Wahlkampf führende Premierministerin blieb im ersten Wahlgang hinter den Erwartungen zurück und trat daraufhin zurück. Im zweiten Wahlgang zwischen Heseltine, Außenminister Douglas Hurd und Schatzkanzler John Major setzte sich letzter durch. Heseltine kehrte in das Kabinett als Umweltminister mit spezieller Verantwortung für die Abwicklung der von Margaret Thatcher so energisch durchgesetzten poll tax zurück. Später wurde er Handelsminister und Stellvertretender Premierminister. Er war einer der Hauptanhänger des Baus des Millennium Domes.

Nachdem Labour 1997 die Wahl gewonnen hatte, konnte er wegen gesundheitlicher Probleme nicht für die Führung der Konservativen Partei kandidieren. Aber er befürwortete aktiv gemeinsam mit Tony Blair, Gordon Brown und Robin Cook die parteiübergreifende Kampagne zum Beitritt Großbritanniens zur gemeinsamen europäischen Währung Euro. Auch auf dem Höhepunkt der Eurokrise 2011 bekräftigte er noch einmal diese Auffassung.[1]

In seinem Wahlkreis Henley-on-Thames, den er ab 1974 vertrat, trat er zu den Unterhauswahlen 2001 nicht mehr an und überließ den Wahlkreis seinem Nachfolger Boris Johnson, blieb aber der britischen Politik erhalten. Durch seine Erhebung im selben Jahr zu einem Peer als Baron Heseltine, of Thenford im County of Northamptonshire, gehört er dem House of Lords an.

Im Dezember 2002 löste Heseltine eine Kontroverse aus, als er verlangte, den glücklosen Parteiführer Iain Duncan Smith durch das dream team Kenneth Clarke als Parteiführer und Michael Portillo als seinen Stellvertreter zu ersetzen. Ohne die Abwahl Duncan Smiths habe die Partei „nicht den Schimmer einer Chance, die nächsten Wahlen zu gewinnen“, erklärte er. Er schlug die Abstimmung in der Fraktion anstelle des satzungsmäßig eigentlich zuständigen Parteitags vor. Tatsächlich wurde Duncan Smith im November 2003 abgelöst, allerdings von Michael Howard, der die Unterhauswahlen 2005 gegen Tony Blair verlor.

2016 beschrieb er die Brexit-Entscheidung als „die größte konstitutionelle Krise in modernen Zeiten“ und verurteilte Boris Johnson als Feigling, weil er nicht zur Wahl als konservativer Spitzenkandidat nach dem Gewinn des Referendums angetreten sei; er verglich ihn mit einem General, der seine Soldaten in den Kampf führt und mit dem ersten Schuss auf dem Schlachtfeld alleine lässt.[2][3] Nach 6-jähriger Beratungstätigkeit für die Regierung entließ ihn Premierministerin Theresa May im Februar 2017 nach den verlorenen Abstimmungen im Oberhaus.[4] Am Tag des Brexits gab er dem Spiegel ein Interview.[5]

Weblinks

Commons: Michael Heseltine – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. UK will ultimately join euro says Lord Heseltine. BBC News, 20. November 2011, abgerufen am 26. November 2011 (englisch).
  2. Heseltine launches scathing attack on Boris Johnson, bbc.com, 30 June 2016
  3. Having led his troops to the sound of guns, Boris Johnson now abandons his army within sight of the battlefield, telegraph.co.uk, 1 July 2016
  4. May entlässt Berater wegen Abweichung von Brexit-Linie FAZ vom 10. März 2017
  5. Das Schlimmste wäre der Zusammenbruch des Königreichs (Der Spiegel)

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Risky Business: Managing Innovation for Growth, 28 October 2013 cht.hm/16h7bYB
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