Michael Fürst

Michael Fürst (2022)

Michael Fürst (geboren 28. Mai 1947 in Hannover) ist ein deutscher Rechtsanwalt und Notar.[1] Unter anderem engagiert er sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und beteiligt sich vielfältig an interreligiösen Dialogen.[2]

Leben

Michael Fürst kam als einer von zwei Söhnen des Unternehmers Helmut Fürst (1922–2012) und der Annemarie Fürst, geborene Klimt zur Welt.[3] Seine aus dem jüdischen Kulturkreis stammende Familie hatte Mitglieder zu beklagen, die in der Zeit des Nationalsozialismus dem Holocaust zum Opfer fielen.[2] Fürsts Vater war Holocaust-Überlebender, hatte sich nach Kriegsende aber bewusst gegen eine Auswanderung entschieden.[3] So wuchs Michael Fürst in der frühen Nachkriegszeit[2] in der durch die Luftangriffe auf Hannover zu 90 Prozent zerstörten Innenstadt[4] zwischen Trümmerfeldern in der Oststadt auf, im Haus Bödekerstraße 39a (heute die Hausnummer 92), in dem schon sein Vater aufgewachsen war.[5]

1968 wurde Fürst erster jüdischer Reserveoffizier der Bundeswehr.[6] Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen erhielt Fürst 1976 seine Zulassung als Rechtsanwalt.[1]

1980 wurde Fürst zum Präsidenten des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen gewählt.[1] 1982[7] war er Gründungsmitglied der Deutschen Technion-Gesellschaft, in der er sich als Mitglied des Vorstands mehr als vier Jahrzehnte engagierte. Hierfür wurde Fürst am 28. Januar 2021 zum Ehrensenator der Leibniz Universität Hannover (LUH) ernannt. Zu den Gründen erläuterte LUH-Präsident Volker Epping unter anderem: "Neben seinem gesellschaftlichen Engagement hat Michael Fürst hohe Verdienste um die Förderung der Wissenschaft erworben, insbesondere hinsichtlich der wissenschaftlichen Zusammenarbeit von niedersächsischen Universitäten mit solchen in Israel und den palästinensischen Gebieten sowie deren wissenschaftlichen Nachwuchs."[8]

Fürst 2014 bei einer Ansprache zum Unabhängigkeitstag Israels in der Synagoge in der Haeckelstraße
Fürst 2015 bei einer Rede während der Demonstration Bunt statt braun kurz nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo;
links der Vorsitzende des Moscheenverbands Schura in Niedersachsen, Avni Altiner

2007 übernahm Michael Fürst zudem den Vorsitz der jüdischen Gemeinde Hannover.[1]

Zu Fürsts vielseitigen Aktivitäten zählt zudem die intensive Pflege von Kontakten zu allen christlichen Konfessionen und die aktive Beteiligung am Dialog zwischen der jüdischen und der palästinensischen Gemeinde. Neben regelmäßig von Fürst mitgestalteten interreligiösen Dialogen gilt „sein bisweilen auch kämpferischer Einsatz für eine lebendige Erinnerungskultur in Hannover“ als beispielgebend. So bezeichnete Hannovers Oberbürgermeister (OB) Stefan Schostok Fürst anlässlich der Verleihung der Plakette für Verdienste um die Landeshauptstadt Hannover (Stadtplakette) an den Geehrten als „Motor“ für Aktionen wie etwa den „Kippa Walk“ gegen das „Gift des Antisemitismus“. Während der Ehrung im Neuen Rathaus wurden die zahlreichen von Michael Fürst initiierten Veranstaltungen gewürdigt und insbesondere Fürsts Aufklärungsarbeit an hannoverschen Schulen, an denen er den Schülern „authentisch und sehr persönlich“ das Schicksal seiner eigenen Familie nahebrachte.[2]

Ehrungen

Schriften

  • Michael Fürst, Rebekka Brouwer: Gedenkorte im Spannungsfeld von Verlust, Störung, Zerstörung und Zugewinn an Bedeutung. Einblicke in die Erfahrungslandschaft aus der Perspektive des Präsidenten des Landesverbandes von jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, in Stephan Schaede, Rebekka Brouwer (Hrsg.): Vom angemessenen Umgang mit Gedenkorten. Aufgaben einer Zeitgemäßen Erinnerungspolitik (= Loccumer Protokolle, Reihe 14, Heft 71), Schrift zur gleichnamigen Veranstaltung 2014 in Rehburg-Loccum, Rehburg-Loccum: Evangelische Akademie Loccum, 2015, ISBN 3-8172-7114-X und ISBN 978-3-8172-7114-6, S. 11–12

Siehe auch

Literatur

  • Renate Riebe: Die Fürsts. Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie (= Schriftenreihe der Gedenkstätte Ahlem, Sonderedition, Bd. 6), 1. Auflage, mit Illustrationen und einer Karte, Hannover: Wehrhahn Verlag, 2017, ISBN 978-3-86525-806-9; Inhaltsverzeichnis

Weblinks

Commons: Michael Fürst – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d o. V.: Fürst, Michael in der Datenbank Niedersächsische Personen der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek in der Version vom 22. Februar 2018, zuletzt abgerufen am 15. April 2021
  2. a b c d Simon Polreich: Meine Stadt / Stadtplakette / Ihnen ist Hannover dankbar, Artikel auf der Seite der Tageszeitung Neue Presse vom 21. Juni 2018
  3. a b o. V.: Helmut Fürst sel. A. auf der Seite juedisches-seniorenheim-hannover.de (Neuwahl der Menüpunkte Haus und Porträts erforderlich) [ohne Datum], zuletzt abgerufen am 15. April 2021
  4. Waldemar R. Röhrbein: „Wunder von Hannover“. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 687.
  5. Heiko Randermann: Interview / Michael Fürst: „Die Oststadt ist für mich Heimat.“, Artikel auf der Seite der Tageszeitung Neue Presse (NP) vom 18. November 2009
  6. a b »Herausragender Repräsentant des Judentums«. In: www.juedische-allgemeine.de. 10. Juni 2022, abgerufen am 21. Juni 2022.
  7. o.V: Die Geschichte des TECHNION auf der Seite deutsche-technion-gesellschaft.de [ohne Datum], zuletzt abgerufen am 15. April 2021
  8. o. V.: Ehrung für Vorsitzenden des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Presseinformation vom 29. Januar 2021 auf der Seite uni-hannover.de
  9. Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, Band 35 (1996), Ausgaben 137 – 140, S. 62ff.; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  10. a b o. V.: Stadtplakette für UFU-Vorsitzende Renée Bergmann auf der Seite uf-hannover.net vom 9. Juli 2018, zuletzt abgerufen am 15. April 2021

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