Merowingerzeitliche Bestattungen von Gehrden

Die merowingerzeitlichen Bestattungen von Gehrden umfassen zwei Körpergräber aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts in Gehrden in Niedersachsen. Die Gräber aus der Merowingerzeit wurden 1997 bei der Anlage eines Gartenteichs entdeckt. Die dabei gefundenen Grabbeigaben sind im Stadtmuseum Gehrden ausgestellt.[1]

Entdeckung

Bodenausschachtung für einen Gartenteich, in dessen Bereich die Gräber lagen, 1997

Im April 1997 legte ein Ehepaar hinter seinem Haus in Gehrden einen kleinen Gartenteich an. Bei den Erdarbeiten traten im Bodenaushub menschliche Knochen und Metallteile zutage. Da das Ehepaar bei den Skelettresten von einer rezent verstorbenen Person ausging und einen Kriminalfall vermutete, informierte es die Polizeistation in Ronnenberg. Die Polizei übergab das Knochenmaterial, darunter Schädelteile, der Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und stellte einen Untersuchungsantrag zur Liegezeit. In einem Gutachten führte die MHH aus, dass sich die Knochen wahrscheinlich mehr als 100 Jahre im Boden befunden haben und keine Hinweise auf ein Gewaltverbrechen vorliegen.

Beschreibung

Im Juni 1997 untersuchte der für den Fundort zuständige Bezirksarchäologe des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege Erhard Cosack die Fundstelle. Sie liegt in einem mit Wohnhäusern bebauten Gebiet am Hang des Burgberges etwa in der Mitte zwischen dem Ringwall auf dem Gehrdener Berg und dem mittelalterlichen Ortskern. Cosack stellte auf der 8 × 9 Meter großen Teichfläche zwei stark gestörte Grabstellen fest und nahm eine Nachgrabung vor, die abgesehen von einem Knochen fundlos blieb. Eine Grabstelle in 50 cm Tiefe hatte eine Nord-Süd-Ausrichtung, während die andere Grabstelle in rund einem Meter Tiefe in Ost-West-Richtung angelegt war.

Funde und Untersuchungen

Zu den Beigaben eines Grabes gehört eine fünfteilige Gürtelgarnitur aus Bronze. Sie besteht aus einer Gürtelschnalle und vier Gürtelbeschlägen, zum Teil mit Wabenverzierung und Flechtbandmuster. Die Stücke weisen ein hohes handwerkliches Können auf und scheinen von einem auf Schnallengarnituren spezialisierten Handwerker gefertigt zu sein. Weitere Metallgegenstände dieser Bestattung sind zwei Eisenmesser und eine Schere aus Eisen. Anhand der Form und der Ausführung der Fundstücke datieren Archäologen sie in die Zeit um das Jahr 600 bis in die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts. Im zweiten Grab fanden sich als Beigabe lediglich zwei rotbraune Glasperlen mit Verzierungen aus weißlichen Wellenlinien. Sie wurden ebenso in die Zeit des 6. bis 7. Jahrhunderts datiert.

Anthropologische Untersuchungen an den Knochenresten ergaben, dass sie von drei männlichen Individuen stammen. Eine Person war zwischen 40 und 47 Jahren alt und 1,53 Meter groß. Die zweite Person war mindestens 60 Jahre alt und ca. 1,7 Meter groß. Die dritte Person war zwischen 20 und 30 Jahren alt. Aussagen zu ihrer Größe konnten nicht getroffen werden, da Langknochen nur fragmentarisch vorhanden waren. Dass drei Individuen und nur zwei Grabstellen gefunden wurden, könnte auf den umfangreichen Teichausschachtungen beruhen, durch die offenbar mehr als zwei Gräber zerstört wurden.

Bewertung und Fundzusammenhänge

Der Fund war zur Entdeckungszeit 1997 der erste Hinweis auf eine Besiedlung im Gebiet östlich der Weser bis zum Harzvorland für die Zeitstellung des 6. und 7. Jahrhunderts. Bis dahin galt die Region als sehr dünn besiedelt. 2012 ergaben sich weitere Hinweise auf eine Besiedlung des Calenberger Landes in der Merowingerzeit durch Ausgrabungen in Hiddestorf. Dort wurde das Prunkgrab von Hiddestorf aus der Zeit um das Jahr 530 entdeckt.

Der Archäologe Erhard Cosack vermutete, dass bei den kleinräumigen Teichausschachtungen in Gehrden ein größeres merowingerzeitliches Gräberfeld angeschnittten wurde. Er ordnete die Bestattungen und das Grabinventar dem fränkischen Milieu zu. Seiner Einschätzung nach lebte am Gehrdener Berg eine Bevölkerungsgruppe, von der einige Mitglieder kostbare Sachgüter aus fränkischem Herrschaftsgebiet erlangen konnten. Die Grabstelle mit der Ost-West-Richtung entspricht der häufig anzutreffenden Ausrichtung auf merowingerzeitlichen Gräberfeldern. Die Ausrichtung des Grabes in Nord-Süd-Richtung entspricht sächsischen Bestattungstraditionen und deutet auf das Grab eines Sachsen. Aufgrund der Lage der Gräber unterhalb des befestigten Burgberges könnte ein Zusammenhang zu der Ringwallanlage bestanden haben.

Literatur

  • Wera Margarete Schmerer: Merowingerzeitliche Skelettfunde in Gehrden, Ldkr. Hannover, Niedersachsen in: Studien zur Sachsenforschung 13, Oldenburg, 1999, S. 325–338 (Online)
  • Hans-Jürgen Häßler: Zwei merowingerzeitliche Körpergräber am Fuß des Burgberges in Gehrden, Ldkr. Hannover, Niedersachsen in: Studien zur Sachsenforschung 10, Oldenburg, 1997, S. 275–292

Einzelnachweise

  1. Stadtmuseum Gehrden bei gehrden.de

Koordinaten: 52° 18′ 48,3″ N, 9° 35′ 39,4″ O

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Gehrden Garten Fundort merowingerzeitlicher Gräber.jpg
Autor/Urheber: Wilhelm Dräger, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Erdaushub für einen Gartenteich in Gehrden, der Fundort merowingerzeitlicher Gräber ist