Max Tilke

Selbstbildnis Max Tilke bei Eröffnung des Cabaret „Zum hungrigen Pegasus“ (Berlin 1901)

Carl Max Tilke (* 6. Februar 1869 in Breslau; † 2. August 1942 in Berlin) war ein deutscher Kabarettist,[1] Kostümforscher, Ethnologe, Illustrator und Maler.

Leben

Max Tilke war der Sohn des Buchhändlers Carl August Tilke und dessen Ehefrau Louise geb. Halisch[2]. Er begann mit 17 Jahren ein Studium an der Königlichen Akademie der Künste in Berlin bei Paul Friedrich Meyerheim. 1890 unternahm er Studienreisen nach Italien und nach Tunis und arbeitete anschließend als Dekorationsmaler in Berlin, danach als Kopist im Museo del Prado in Madrid. 1897 heiratete er in Berlin die Näherin Anna Boelter[2]. 1900 folgte ein Aufenthalt in Paris als Illustrator und Kostümfachmann

In Paris hatte er das Kabarett kennengelernt, und nach Berlin zurückgekehrt gründete er 1901 in einem Hinterzimmer des italienischen Restaurants „Dalbelli“ an der Potsdamer Brücke das Kabarett „Zum hungrigen Pegasus“. Dort spielte er Conférencier oder trug zur Gitarre andalusische Volkslieder vor. Zu den regelmäßigen Gästen und Darbietenden gehörten Maria Eichhorn, die ihre schwülen Verse dort vortrug, der Schriftsteller Hanns Heinz Ewers, der Karikaturist Paul Haase, Hans Hyan, der Dichter und Anarchist Erich Mühsam, die philippinische Tänzerin Marietta di Rigardo, die später Frau von Ludwig Thoma wurde, und Georg David Schulz, der bald darauf im Weinrestaurant des Theaters des Westens das Kabarett „Im siebenten Himmel“ etablierte.

Plakat der Oper Salome von Richard Strauss (1910)

Erich Mühsam erinnerte sich:

„Eines Abends schleppte mich Paul Haase ins Hinterzimmer der italienischen Weinstube von Dalbelli an der Potsdamer Brücke. Dort hatte der Maler Max Tilke das erste Berliner Kabarett eröffnet; wenn ich mich recht erinnere, hieß es: „Zum hungrigen Pegasus“. Ich traf eine Menge junger Künstler, die ich zum Teil schon kannte. Der Raum war mit ulkigen Zeichnungen dekoriert, die Kabarettisten saßen mit den aus dem Restaurant nach hinten geeilten Gästen am Tisch, es gab weder ein Programm noch einen Conférencier. Wer etwas vorzutragen hatte, trat aufs Podium, und nachher wurde eine Tellersammlung vorgenommen und der Ertrag, sofern er nicht gemeinsam verjuxt wurde, unter den Mitwirkenden verteilt.“[3]

Doch schon nach einem halben Jahr kam es zu Missstimmigkeiten Geld und Liebe betreffend, Tilke wandte sich wieder ganz der Malerei zu und die Zeit des „Hungrigen Pegasus“ war vorüber.1902 ließ er sich dann von seiner Ehefrau scheiden[2].1906 heiratete er die Dänin Christine Nielsen. Auch diese Ehe wurde 1912 wieder geschieden[4]. Durch Vermittlung seines Freundes Hanns Heinz Ewers fand er 1913 auch eine Arbeit bei der Filmgesellschaft Deutsche Bioscop GmbH in Neubabelsberg, wo er Kostüme für den Film Kadra Sâfa entwarf. 1912 lieferte er die Illustrationen zum zweiten Band von Magnus Hirschfelds sexualkundlichem Werk „Die Transvestiten“.

1912/1913 wurde der inzwischen für seine kostümkundliche Kompetenz bekannte Tilke Professor für Trachtenkunde am von Gustav Radde gegründeten Kaukasischen Museum in Tiflis (heute das Staatliche Simon-Dschanaschia-Museum Georgiens), wo mit Unterstützung des Zaren Nikolaus II. damals ein großes Werk über Volkstrachten vorbereitet wurde. Der Erste Weltkrieg unterbrach diese Arbeit und Tilke wurde als Kriegsbildzeichner für den Stuttgarter Union-Verlag verpflichtet. Seine letzten Jahre verbrachte er im Altersheim Lobetal bei Bernau bei Berlin.

700 farbige Illustration von seiner Hand befinden sich in der Lipperheideschen Kostümbibliothek in Berlin, weitere Arbeiten im Museum für Völkerkunde Berlin und im Simon-Dschanaschia-Museum in Tiflis. Bekannt ist er vor allem durch die Zusammenarbeit mit Wolfgang Bruhn bei dessen 1941 erschienenem Kostümwerk. Eine Geschichte des Kostüms aller Zeiten und Völker. Wie weit die Beteiligung Tilkes an diesem immer wieder aufgelegten Bilderwerk ging, bleibt allerdings unklar. Es wird vermutet, dass der zum Ende seines Lebens hin offenbar in prekären Umständen lebende Tilke hier nur seinen Namen beigetragen hat.[5]

Tilke starb 1942 im St. Hedwig-Krankenhaus in Mitte an Herzschwäche. Zuletzt hatte er an der Puttkamerstraße 5 in Kreuzberg gelebt.[6]

Werke

  • mit Magnus Hirschfeld: Die Transvestiten. Band 2: Der erotische Verkleidungstrieb. 58 Zeichnungen. Pulvermacher, Berlin 1912.
  • Osteuropäische Volkstrachten in Schnitt und Farbe. Wasmuth, Berlin 1925.
  • Studien zu der Entwicklungsgeschichte des orientalischen Kostüms. Wasmuth, Berlin 1923 (archive.org).
  • Orientalische Kostüme in Schnitt und Farbe. Wasmuth, Berlin 1923. Engl. Übers.: Oriental costumes, their designs and colors. Brentano, New York 1922 (archive.org).
  • mit Wolfgang Bruhn: Das Kostümwerk. Eine Geschichte des Kostüms aller Zeiten und Völker. 120 Seiten, 200 Tafeln, von denen 120 in Vierfarbendruck. Wasmuth, Berlin 1941.
  • Kostümschnitte und Gewandformen. Eine Übersicht der Kostümschnitte und Gewandformen aller Zeiten und Völker vom Altertum bis zur Neuzeit. Wasmuth, Tübingen 1945.

Literatur

  • Tilke, Max. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 33: Theodotos–Urlaub. E. A. Seemann, Leipzig 1939, S. 170.
  • Tilke, Max. In: Walther Killy, Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE). 1. Auflage. Band 10: Thibaut–Zycha. K. G. Saur, München 1999, ISBN 3-598-23170-9, S. 42.
  • Cornelia Vogelsanger: Lydia Bagdasarianz und die Geschichte des orientalischen Kostüms – eine überfällige Berichtigung am Werk Max Tilkes. In: Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff, Paul Bucherer-Dietschi (Hrsg.): Textilhandwerk in Afghanistan : Filz, Gewebe, Kleidung, Stickerei. Leidenfrost, Basel 1983, S. 97–109.
  • Tilke, Max. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 4: Q–U. E. A. Seemann, Leipzig 1958, S. 447.
  • Peter Jelavich: Berlin cabaret. 2. Auflage, Harvard University Press, Cambridge, Mass. 1996, ISBN 0-674-06761-4, S. 86–88.

Weblinks

Commons: Max Tilke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Nicolai Clarus: Mann für Mann: biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mannmännlicher Sexualität im deutschen Sprachraum. Teilband 2. LIT Verlag, Münster 2010, ISBN 978-3-643-10693-3, S. 1176 (books.google.de – Leseprobe).
  2. a b c StA Berlin IVb, Heiratsurkunde Nr. 1160/1897
  3. Erich Mühsam: Die zehnte Muse. In: Ders.: Ausgewählte Werke. Band 2: Publizistik. Unpolitische Erinnerungen. Berlin 1978, S. 526 f.
  4. StA Charlottenburg I, Heiratsurkunde Nr. 265/1906
  5. Max Tilke’s Oriental Costumes, renaissancetailor.com.
  6. StA Mitte von Berlin, Sterbeurkunde Nr. 3506/1942

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The burka.jpg
CENTRAL CAUCASUS.

The burka.

The burka is the weather cloak of the Caucasians. It is semi-circular, and made to fit the shoulders by the insertion of a gore. It is made of a felty milled wool, a sort of rough hunter's cloth, on the outside of which the hair is sometimes left. The favourite colours are black, or black-brown; seldom white. The opening for the neck, and the seams over the chest are trimmed with the braid. The inside of the burka, and the shoulder parts are often lined with silk or calico. The burka is tied at the neck with strings. The bashlik is a complement to the burka. It is a hood, the ends of which are slung round the neck (cf. Pl. 53)
Kurd Man.png
Kurd Man in national clothes
Kurd Woman.png
Kurd Woman in tradiotional clothes
Georgian mans garment, Tchockha.jpg
CENTRAL CAUCASUS.

Georgian man's garment. "Tchockha". A festive garment of a well-to-do Georgian from the district of Tiflis. The material is fine, but very strongly and closely woven blackish-blue wool. The lower part of the garment has small pleats sewn on to the top part. Richly trimmed with gold braid which is both well and tastefully made in the Caucasus by so-called board weaving.

Orig. in Caucasus Mus., Tiflis.
Georgian woman's garment; beginning of 19th cent., from Tiflis.jpg
CENTRAL CAUCASUS.

Georgian woman's garment; beginning of 19th cent., from Tiflis
This costume is made of silk striped kaftan cloth. Blue flannel is used to line bodice, grey silk for sleeves, which are slit at ends. The front and lower seams are edged with green silk, the sleeves decorated with black braid. The somewhat broadly projecting parts above the hips are characteristically Persian.

Orig. in the Costume Depart. of the National Theatre, Tiflis.
Max Tilke Selbstbildnis.jpg
Autor/Urheber: King2061, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Selbstbildnis des Malers Max Tilke bei Eröffnung des Cabaret "Zum hungrigen Pegasus". Gouache auf Papier, Berlin um 1902, signiert. 24 cm x 33 cm.
Yezidi Man.png
Yazidi man in traditional clothes
Jeziden woman's dress; red velvet with apron and breast-bib.jpg
S. CAUCASUS, ALEXANDROPOL.

Jeziden woman's dress; red velvet with apron and breast-bib.

Origs. in Caucasus Mus.. Tiflis
Max Tilke- Poster-of-opera-salome-richard-strauss.jpg
Max Tilke (1869-1942): Plakat der Oper Salome von Richard Strauss
Yezidi Woman-2.png
Yezidi Woman in tradiotional clothes