Martin Noth

Martin Noth (* 3. August 1902 in Dresden; † 30. Mai 1968 in Schivta/Subeita im Negev) war ein deutscher evangelischer Theologe. Im Mittelpunkt seines wissenschaftlichen Werkes stehen historisch-kritische Forschungen zum Alten Testament und zur Geschichte Israels.

Biographie

Martin Noth wurde am 3. August 1902 als Sohn des Gymnasialoberlehrers Lic. Gerhard Noth und der Cölestine Hochmuth geboren. Einer seiner Brüder, Gottfried Noth, wurde später Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Der Islamwissenschaftler Albrecht Noth ist sein Sohn.

Von 1909 bis 1913 besuchte Noth in Dresden die Volksschule, von 1913 bis 1921 dann das dortige Gymnasium zum Heiligen Kreuz. Von 1921 bis 1925 studierte er Theologie und Orientalistik in Erlangen, Rostock[1] und Leipzig. Seine wichtigsten Lehrer waren in dieser Zeit Rudolf Kittel und (vor allem) Albrecht Alt.

1925 legte er seine erste theologische Prüfung ab. 1927 schloss er die Promotion ab, der eine von Kittel 1922 gestellte Preisaufgabe zur Bedeutung der israelitischen Personennamen zugrunde lag. Betreut wurde die Dissertation wie auch die keine fünf Monate später 1927 ebenfalls an der Universität Greifswald abgelegte Habilitation von Johannes Hempel. Die behandelte Thematik schlug sich nieder in Noths erster Monographie Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namengebung (1928) und vorher bereits in einem Aufsatz in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 81 (1927), 1–45.

Nach einer kurzen Phase als Privatdozent in Greifswald ließ sich Noth 1928 nach Leipzig umhabilitieren. Im Dezember 1929 wurde Noth dann als ordentlicher Professor nach Königsberg als Nachfolger Max Löhrs berufen. 1938 wurde er ordentliches Mitglied der geisteswissenschaftlichen Klasse der Königsberger Gelehrten Gesellschaft.

Von 1939 bis 1941 und von 1943 bis 1945 war Noth als Soldat einberufen. Während des Krieges verlor er seine gesamte Bibliothek und alle wissenschaftlichen Arbeiten und Aufzeichnungen. Mit dem Kriegsende lebte er mit seiner Familie vorübergehend in Halle an der Saale, bis er zum 1. November als Nachfolger des amtsenthobenen Anton Jirku an die Universität Bonn berufen wurde, wo er 1947/48 und 1957/58 als Rektor amtierte. Es folgten Rufe nach Göttingen, Tübingen, Hamburg und Basel, die Noth aber ausschlug. 1962 war er Präsident des 4. IOSOT-Kongresses, der in Bonn stattfand.

Zum 1. Oktober 1964 wurde Noth beurlaubt, um das wiedereröffnete Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes in Jerusalem zu leiten. Am 1. Oktober 1967 erfolgte die Emeritierung. Am 30. Mai 1968 erlag Noth während einer Exkursion in der Negev-Wüste einer Koronarthrombose. In der Nähe stationierte israelische Soldaten halfen bei der Überführung des plötzlich Verstorbenen nach Jerusalem. In der Erlöserkirche fand die Trauerfeier statt; am 31. Mai wurde Martin Noth daraufhin in Bethlehem bestattet.[2]

Wissenschaftliche Bedeutung

Noth hat mehrere große Theorien entwickelt, durch die die Bibelwissenschaft stark verändert wurde.

Israelitische Amphiktyonie

Berühmt ist Noths Theorie über das vorstaatliche Israel, in der er dieses als Amphiktyonie beschreibt. Er geht dabei von der Existenz eines vorstaatlichen israelitischen Stämmeverbandes aus, der als eine Art Heiliger Liga mit einem gemeinsamen Zentralheiligtum organisiert war. Obwohl diese Theorie vieles erklären kann, gilt sie heute als überholt.

Überlieferungsgeschichte des Pentateuch

Im Hinblick auf die Entstehung des Pentateuch hat Noth das „überlieferungsgeschichtliche Erklärungsmodell“ entwickelt. Demnach sei der Pentateuch aus mehreren thematisch angeordneten, ursprünglich selbständigen Überlieferungsblöcken entstanden und nicht aus der Zusammenarbeitung verschiedener, den ganzen Pentateuch durchziehenden Schichten (Erzählfäden).

Die Bücher des DtrG

Deuteronomistisches Geschichtswerk

Schließlich geht auch die bis heute in ihrem Kern weitgehend unbestrittene Theorie vom deuteronomistischen Geschichtswerk (DtrG) auf Noth zurück. Nach dieser Theorie hat ein von der Theologie des Deuteronomium geprägter „Geschichtsforscher“ unter Verwendung der vorhandenen Schriften und Überlieferungen über das Buch Josua, die sogenannten „Richter“, Samuel sowie die Könige von Israel und Juda ein großes, mehrere Bücher umfassendes Geschichtswerk geschaffen.

Schüler

Ehrungen

Veröffentlichungen

  • Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namengebung, Stuttgart: Kohlhammer, 1928.
    • Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namengebung. Stuttgart: Kohlhammer, 2010 [Nachdruck] (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament ; H. 46 = Folge 3, H. 10).
  • Das System der 12 Stämme Israels (BWANT IV,1), Stuttgart: Kohlhammer 1930.
  • Das Buch Josua, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 1938 (Handbuch zum Alten Testament. Reihe 1, 7).
    • Das Buch Josua. 2., verb. Auflage, Tübingen : Mohr, 1953.
    • Das Buch Josua, 3. Auflage, unveränderter Nachdr. der 2., verb. Auflage, Tübingen : Mohr, 1971.
  • Die Welt des Alten Testaments. Einführung in die Grenzgebiete der alttestamentlichen Wissenschaft, Berlin: Töpelmann, 1940 (Sammlung Töpelmann. Reihe 2, Theologische Hilfsbücher; Bd. 3).
    • Die Welt des Alten Testaments. Einführung in die Grenzgebiete der alttestamentlichen Wissenschaft. 4., neubearb. Auflage, Berlin: Töpelmann, 1962 (Sammlung Töpelmann ; Bd. 3).
    • Die Welt des Alten Testaments. Eine Einführung. Mit einem Vorw. von Hans Walter Wolff, Freiburg im Breisgau / Basel / Wien: Herder o. J. [1992] (Herder-Spektrum ; Bd. 4060).
  • Überlieferungsgeschichtliche Studien. Teil 1: Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament (Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, Geisteswissenschaftliche Klasse 18,2), Halle: Niemeyer 1943.
  • Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, Stuttgart: Kohlhammer 1948.
  • Das zweite Buch Mose: Exodus. Übersetzt und erklärt von Martin Noth, (Das Alte Testament Deutsch 5); Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 5., unveränd. Auflage 1973; ISBN 3-525-51115-9.
  • Das vierte Buch Mose: Numeri. Übersetzt und erklärt von Martin Noth, (Das Alte Testament Deutsch 7); Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2., unveränd. Auflage 1973; ISBN 3-525-51127-2.
  • Geschichte Israels, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1950, 6. Auflage 1966.
  • Der Beitrag der Archäologie zur Geschichte Israels. In: Vetus Testamentum, Supplement 7 (1960), S. 262–282.

Schriftenverzeichnis

  • Hermann Schult: Bibliographie Martin Noth. In: Martin Noth: Gesammelte Studien zum Alten Testament. Herausgegeben von Hans Walter Wolff. Band 2. Kaiser, München 1969, S. 166–205 (Theologische Bücherei 39, ISSN 0563-430X).

Einzelnachweise

  1. Siehe dazu den Eintrag der Immatrikulation von Martin Noth im Rostocker Matrikelportal
  2. Otto Plöger: Zum Gedenken an Martin Noth, 1968, S. 101.

Literatur

  • Rudolf Smend: Nachruf auf Martin Noth. Martin Noth: Gesammelte Studien zum Alten Testament. Herausgegeben von Hans Walter Wolff. Band 2. Kaiser, München 1969, S. 139–165 (Theologische Bücherei 39).
  • C. H. de Geus: The Tribes of Israel: An Investigation into Some of the Presuppositions of Martin Noth’s Amphictyony Hypothesis, Studia Semitica Neerlandica (1976).
  • Udo Rüterswörden (Hrsg.): Martin Noth – aus der Sicht der heutigen Forschung. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2004, ISBN 3-7887-2001-8 (Biblisch-Theologische Studien 58).
  • Karl Heinrich Rengstorf: Nachruf auf Martin Noth. In: Das Karl-Arnold-Haus. Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. 36, 1968, ZDB-ID 205951-4, S. 14–17.
  • Walther Zimmerli: Martin Noth. In: Vetus Testamentum. 18, 1968, ISSN 0042-4935, S. 409–413.
  • Rudolf Smend: Martin Noth 1902–1968. In: Rudolf Smend: Deutsche Alttestamentler in drei Jahrhunderten. Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1989, ISBN 3-525-53584-8, S. 255–275 (revidierte Fassung des vorangehend genannten Artikels).
  • Otto Wenig (Hrsg.): 150 Jahre Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Bonn 1818–1968. Verzeichnis der Professoren und Dozenten der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Bonn 1818–1968. Bouvier u. a., Bonn 1968, S. 213.
  • Kurt Galling: Martin Noth. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. 3. Auflage, Bd. 4, Sp. 1531.
  • Otto Plöger: Zum Gedenken an Martin Noth. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 84, 1968, ISSN 0012-1169, S. 101–103.
  • Steven L. McKenzie: The History of Israel’s Traditions. The Heritage of Martin Noth (JSOT Supplement)(1996).
  • Otto Bächli: Martin Noths „Aufsätze zur biblischen Landes- und Altertumskunde“ im Rahmen seines Gesamtwerkes. In: Kirchenblatt für die reformierte Schweiz. 128, 1972, S. 162–164 und S. 179–181.
  • Winfried ThielMartin Noth. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 6, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-044-1, Sp. 1023–1032.
  • Horst SeebassNoth, Martin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 357 (Digitalisat).
  • Rudolf Smend: Noth, Martin. In: Theologische Realenzyklopädie. 24 (1994), S. 659–661 (mit Lit.).

Weblinks