Martin Kocher

Martin Kocher (2021)

Martin Georg Kocher (* 13. September 1973 in Salzburg)[1] ist ein österreichischer Ökonom, karenzierter Hochschullehrer und Politiker. Seit Jänner 2021 ist er Bundesminister für Arbeit der Republik Österreich (Bundesregierung Kurz II, Bundesregierung Schallenberg und Bundesregierung Nehammer) und seit Mai 2022 auch Wirtschaftsminister (Bundesregierung Nehammer).

Martin Kocher war Professor für Verhaltensökonomik mit Anwendungen in der Wirtschaftspolitik Österreichs am Institut für Volkswirtschaftslehre sowie am Vienna Center for Experimental Economics der Universität Wien und war von 2016 bis 2021 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS).

Leben

Ausbildung und berufliche Karriere

Kocher absolvierte das Pierre-de-Coubertin-BORG Radstadt und schloss dieses im Schuljahr 1991/92 mit der Reifeprüfung ab.[2] Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Innsbruck wurde Kocher dort 2002 promoviert. Seine Habilitation folgte 2007, wieder in Innsbruck. Bereits vor Abschluss der Habilitation warb er als Forschungsgruppenleiter Drittmittel ein, unter anderem über die Oesterreichische Nationalbank und die Raiffeisen-Landesbank Tirol. Als Gastwissenschaftler verbrachte er zwei Jahre an der Universität von Amsterdam.

2010 wurde er Professor an der Universität von East Anglia, die er jedoch bald verließ, um einen Ruf an der Ludwig-Maximilians-Universität München anzunehmen. Dort war er bereits Studiendekan und Dekan der volkswirtschaftlichen Fakultät und ist Direktor des Münchner Labors für experimentelle Wirtschafts- und Sozialforschung (MELESSA), das aus der Exzellenzinitiative hervorging.

Seit 2011 gehört Kocher als Affiliate (Visiting) Professor der Universität Göteborg an. 2014 bis 2016 war er Adjunct Professor an der Queensland University of Technology im australischen Brisbane.

Seine Forschungsgebiete liegen im Wesentlichen auf dem Gebiet der Verhaltensökonomik, der experimentellen Wirtschaftsforschung und der Wirtschaftspsychologie.

Von 1. September 2016 bis 11. Jänner 2021 leitete er das Institut für Höhere Studien (IHS).[3]

Im Juni 2020 wurde Kocher als Nachfolger von Gottfried Haber zum Präsidenten des Fiskalrats bestellt.[4][5] Im Mai 2021 folgte ihm Christoph Badelt in dieser Funktion nach.[6] Im Herbst 2021 sollte ihm ursprünglich Lars Feld als Leiter des IHS nachfolgen,[7] dieser trat die Stelle aber nicht an.[8]

Forschung

Kocher ist einer der aktivsten Forscher auf dem Gebiet der experimentellen Wirtschaftsforschung im deutschen Sprachraum. Er belegte 2013 den zwölften Rang im Handelsblatt-Ranking für deutschsprachige Ökonomen unter 40 und wurde im selben Jahr von der FAZ auf Platz 38 der einflussreichsten deutschsprachigen Ökonomen gewählt.[9] Seine Aufsätze wurden in namhaften Zeitschriften veröffentlicht, wie der American Economic Review oder Management Science.

In seiner Forschung beschäftigt sich Martin Kocher mit zahlreichen Themen auf dem Gebiet der experimentellen Verhaltensökonomik. So veröffentlichte er beispielsweise Arbeiten zum Einfluss von Zeitdruck auf individuelle Entscheidungen[10] oder die Entwicklung von Präferenzen bei Kindern und Heranwachsenden.[11] Auf dem Gebiet der Sportökonomik zeigte Kocher beispielsweise mit seinem Koautoren Matthias Sutter, dass Schiedsrichter häufig zugunsten der Heimmannschaft urteilen, wenn diese zurückliegt.[12]

Politik

Im Jänner 2021 wurde Kocher von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zum designierten Nachfolger von Christine Aschbacher (die aufgrund von Plagiatsvorwürfen in ihrer wissenschaftlichen Arbeit zurückgetreten war) als Arbeitsminister ernannt. Am 11. Jänner 2021 wurde Kocher – formell noch als Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend – vom Bundespräsidenten angelobt. Mit der Bundesministeriengesetz-Novelle 2021, BGBl. I Nr. 30/2021, wurden die Familien- und Jugendagenden am 1. Februar 2021 dem Bundeskanzleramt (BKA) zugeschlagen und mit Entschließung des Bundespräsidenten mit Ablauf des 1. Februars 2021 an Kanzleramtsministerin Susanne Raab übertragen (BGBl. II Nr. 41/2021). Kocher, der nunmehr als Bundesminister für Arbeit am 1. Februar neuerlich angelobt wurde, wurde damit auch zum Arbeitsminister in der größten Wirtschafts- und Beschäftigungskrise Österreichs seit dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem Rücktritt von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) übernahm Kocher am 11. Mai 2022 auch das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.

Mit der Novellierung des Bundesministeriengesetzes am 18. Juli 2022 wurde das Bundesministerium für Arbeit mit dem Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort fusioniert, und Kocher wurde durch den Bundespräsidenten zum Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft angelobt. Dieses Amt führt er nach wie vor aus.[13][14]

Persönliches

Kocher ist verheiratet, geht in seiner Freizeit bergsteigen und läuft Marathon. Aufgewachsen ist er in Altenmarkt im Pongau im Bundesland Salzburg.

Politische Positionen

2021 wurden in Kochers Amtszeit als Arbeitsminister die Förderungen eines ÖGB-Projekts, das fremdsprachigen Arbeitnehmern Rechtsberatung in ihrer Muttersprache anbietet, von 400.000 Euro auf 20.000 Euro gekürzt. Kocher verwies in diesem Zusammenhang auf budgetäre Gründe „aufgrund der erhöhten Ausgaben im Rahmen der Covid-Krise“. Es stehe dennoch ein ausreichendes mehrsprachiges Angebot zur Verfügung.[15]

Im Februar 2023 sprach sich Kocher für eine Reduktion von Sozialleistungen für Menschen, die teilzeitbeschäftigt arbeiten, aus. Dies solle dazu beitragen, Vollzeitbeschäftigung attraktiver zu machen.[16]

Auszeichnungen

Martin Kocher erhielt folgende Auszeichnungen, Preise und Ehrungen:

  • 2000: Preis der Nationalökonomischen Gesellschaft für den besten Beitrag eines jungen Ökonomen
  • 2003: Beste Dissertation der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck
  • 2003: Preis des Fürstentums Liechtenstein für Forschung
  • 2003: Preis der Stadt Innsbruck für Forschung
  • 2013: Bayerischer Preis für exzellente Lehre

Herausgeberschaften

Martin Kocher ist seit 2013 Mitherausgeber des Journal of Behavioral and Experimental Economics und von 2008 bis 2015 war er Mitherausgeber des Journal of Economic Psychology.[17]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Martin Kocher, J. Pahlke, S. Trautmann: Tempus fugit: Time pressure in risky decisions. Management Science 59 (10), 2013, S. 2380–2391.
  • M. Sutter, Martin Kocher, D. Rützler, S. Trautmann: Impatience and uncertainty: experimental decisions predict adolescents' field behavior. American Economic Review 103 (1), 2013, S. 510–531.
  • M. Sutter, S. Haigner, Martin Kocher: Choosing the stick or the carrot? Endogenous institutional choice in social dilemma situations. Review of Economic Studies 77 (4), 2010, S. 1540–1566.

Weblinks

Commons: Martin Kocher – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Univ.-Prof. Mag. Dr. Martin Kocher. In: medienportal.univie.ac.at, abgerufen am 18. April 2020
  2. Gratulation an Absolventen. In: Website der BORG Radstadt, abgerufen am 13. Jänner 2020
  3. Andreas Sator: Neuer IHS-Chef Martin Kocher: Ökonom mit Freude am Experimentieren. In: Wirtschaftspolitik. DerStandard.at, 1. Juli 2016, abgerufen am 25. Januar 2019.
  4. IHS-Chef Martin Kocher wird Präsident des Fiskalrats. In: DerStandard.at. 24. Juni 2020, abgerufen am 24. Juni 2020.
  5. Blümel: Martin Kocher wird Präsident des Fiskalrats. In: APA-OTS-Aussendung. 24. Juni 2020, abgerufen am 24. Juni 2020.
  6. Zur Person: Christoph Badelt: Das ist der neue Chef des Fiskalrats. In: Kleine Zeitung. 19. Mai 2021, abgerufen am 19. Mai 2021.
  7. Lars Feld soll neuer IHS-Chef werden. In: ORF.at. 30. Juni 2021, abgerufen am 30. Juni 2021.
  8. Ökonom Feld tritt Stelle als IHS-Chef nicht an. In: ORF.at. 4. Februar 2022, abgerufen am 5. Februar 2022.
  9. F.A.Z.-Ökonomenranking: Die einflussreichsten Ökonomen im Gesamt-Ranking. In: FAZ.net – Wirtschaftswissen. 5. September 2013, abgerufen am 25. Jänner 2019.
  10. Zeitdruck im Job: 20.000 Blitzentscheidungen pro Tag. In: Wirtschaftswoche, abgerufen am 25. Jänner 2019.
  11. Peter Brors: Porträtserie Jugend forscht: Martin Kocher. Der Vertrauensmann. In: Handelsblatt, 11. Jänner 2009, abgerufen am 25. Januar 2019.
  12. Urs Willmann: Der zwölfte Mann. Endlich bewiesen: Fußball-Schiedsrichter pfeifen ungerecht. In: Zeit Online, 5. Juni 2003, abgerufen am 25. Jänner 2019.
  13. Kocher und Kraus-Winkler erneut angelobt. In: ORF.at. 18. Juli 2022, abgerufen am 19. Juli 2022.
  14. Bundespräsident: Enthebung, Ernennung und Angelobung von Bundesminister Kocher und Staatssekretärin Kraus-Winkler. In: ots.at. 18. Juli 2022, abgerufen am 19. Juli 2022.
  15. ORF.at: Beratung in Muttersprache droht Ende. In: wien.orf.at, 17. Juli 2021, abgerufen am 20. Juli 2021.
  16. Bei Teilzeit: Kocher für weniger Sozialleistungen. In: ORF.at. 14. Februar 2023, abgerufen am 15. Februar 2023.
  17. Curriculum Vitae Martin G. Kocher@1@2Vorlage:Toter Link/www.ihs.ac.at (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2022. Suche in Webarchiven.)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. zum Stand September 2016 (PDF). In: Website des Instituts für Höhere Studien (IHS).

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Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.