Manfred Jessen-Klingenberg

Manfred Jessen-Klingenberg (* 13. November 1933 in Norderstapel; † 1. April 2009 in Oldenburg in Holstein) war ein deutscher Historiker. Er galt als „einer der profiliertesten Landeshistoriker Schleswig-Holsteins.“[1]

Leben

Manfred Jessen-Klingenberg wuchs in Stapelholm auf und besuchte die Hermann-Tast-Schule in Husum. Nach dem Abitur begann er das Studium der Geschichte und der Lateinischen Philologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, das er mit der Promotion und dem Staatsexamen für das Höhere Lehramt abschloss. Er wurde 1962 Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Schleswig-Holsteinische und Nordische Geschichte bei Alexander Scharff. Von 1977 bis 1998 war Jessen-Klingenberg Lehrer für Geschichte und Latein am Gymnasium Kronwerk in Rendsburg, unterbrochen durch eine Abordnung als Lehrkraft ans Historische Seminar der Universität Kiel (1986 bis 1990). Parallel lehrte er zwischen 1991 und 2000 an der Pädagogischen Hochschule Kiel bzw. ab 1994 an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel. 2000 wurde er zum Honorarprofessor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ernannt.[2] Seine Lehrtätigkeit setzte er, ebenso wie seine publizistische Arbeit, bis wenige Monate vor seinem Tod fort. Einer seiner Söhne ist der Architekturhistoriker Detlef Jessen-Klingenberg.[3]

Wirken

Die Geschichte Schleswig-Holsteins – von der Früh- bis zur Zeitgeschichte – in Forschung, in Lehre und in weiteren Medien der Vermittlung stand im Mittelpunkt der Arbeit von Jessen-Klingenberg. In diesem Zusammenhang war er parallel zu seiner Hochschul-, Schul- und auch Volkshochschultätigkeit (Mit-)Herausgeber zahlreicher landes- und regionalgeschichtlicher Schriften und Periodika: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins (1990 bis 1995), Mitteilungen des Canal-Vereins (1980 bis 2008), Jahrbuch Demokratische Geschichte (1996 bis 2008), Veröffentlichungen des Beirats für Geschichte (1995 bis 2005).[4][5] Darüber hinaus wirkte er „als Autor gutachterlicher Äußerungen zur Entwicklung der regionalen Geschichtslandschaft und Berater historischer oder musealer Projekte,“[2] u. a. in Gremien des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes, im Beirat des Nordfriisk Instituut (1968 bis 1984, von 1976 bis 1980 als dessen Sprecher)[6] und im Beirat für Geschichte. Von Oktober 1998 bis zu seinem Tod hatte Jessen-Klingenberg den Vorsitz im Kuratorium des Instituts für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte inne.[7]

Die Schwerpunkte seines Forschungsinteresses lagen in der schleswig-holsteinischen Kanalgeschichte vom alten Eiderkanal bis zum Nord-Ostsee-Kanal, der Verfassungs- und Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts, der Geschichte der dänisch-deutschen Beziehungen seit der Zeit des aufgeklärten Absolutismus inklusive Minderheiten- und Grenzlandproblematik sowie der Geschichte der Christian-Albrechts-Universität und der Geschichte Nordelbiens während der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus.[1][8] Aus der frühen Forschungsarbeit ragt besonders der 1968 in der Zeitschrift Geschichte in Wissenschaft und Unterricht veröffentlichte Aufsatz zum Wortlaut der Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann heraus.[9] Die „in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder zitierte“[10] quellenkritische Untersuchung, in der er das fortan „vorherrschende […] Narrativ über Scheidemanns Auftritt“[11] entwickelt hatte, gilt auch fünfzig Jahre später als „nicht überholt.“[10]

Jessen-Klingenberg galt als „Instanz“ in der schleswig-holsteinischen Geschichtsforschung.[6] Seine Schriften und Aufsätze zeichneten sich, wie es hieß, durch einen „bekanntermaßen klaren Stil und die stringente Gedankenführung“ aus.[12] Ihm wurde eine „ungewöhnliche Breite fachlicher Kompetenz“ attestiert, die aus seinem ausgeprägten allgemeinen historischen Interesse resultierte, das keine chronologischen und systematischen Begrenzungen kannte.[13] Besondere wissenschaftliche Reputation unter den Historikern seiner Generation erwarb sich Jessen-Klingenberg durch seinen Einsatz für die dänisch-deutschen Beziehungen auf akademischer Ebene.[14]

Auszeichnungen und Ehrungen

1998 wurde Jessen-Klingenberg die Lornsen-Kette des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes verliehen.[3] Im gleichen Jahr erschien anlässlich seines 65. Geburtstages die Festschrift Standpunkte zur neueren Geschichte Schleswig-Holsteins (siehe Veröffentlichungen). 2008 wurde er zum Ehrenherausgeber des Jahrbuchs Demokratische Geschichte ernannt.[15] Ein posthumes Ehrenkolloquium zu seinem Gedenken, ursprünglich als öffentlicher Festakt zum 75. Geburtstag geplant,[16] richtete das Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte am 20. November 2009 im Landesarchiv Schleswig aus.[17][18]

Veröffentlichungen (Auswahl)

Eine umfassende Bibliographie hat Hans F. Rothert im Jahrbuch Demokratische Geschichte veröffentlicht (siehe Literatur).

Monographien

  • Eiderstedt 1713–1864. Landschaft und Landesherrschaft in königlich-absolutistischer Zeit. Wachholtz, Neumünster 1967 (= Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, Band 53).
  • Universität und Land. Geschichte der Schleswig-Holsteinischen Universitätsgesellschaft von 1918 bis 1968. Hirt, Kiel 1971, ISBN 3-554-70335-4 (= Veröffentlichungen der Schleswig-Holsteinischen Universitätsgesellschaft zu Kiel. Neue Folge, Band 54).
  • mit Ulrich March: Kleiner Atlas zur Geschichte Schleswig-Holsteins. Westermann Schulbuchverlag, Braunschweig 1986, ISBN 3-14-100999-6.
  • Neuausgabe von: Geschichte Schleswig-Holsteins. Ein Überblick von Alexander Scharff. Fünfte, aktualisierte und überarbeitete Auflage, Verlag Ploetz, Freiburg/Würzburg 1991, ISBN 3-87640-340-5 (Geschichte der deutschen Länder, Territorien-Ploetz: Sonderausgaben) – (Inhaltsverzeichnis).
  • mit Kurt Jürgensen: Universität und Land. Geschichte der Schleswig-Holsteinischen Universitäts-Gesellschaft 1918–1993. Wachholtz, Neumünster 1995, ISBN 3-529-02529-1.
  • Standpunkte zur neueren Geschichte Schleswig-Holsteins. Hrsg. v. Reimer Hansen u. Jörn-Peter Leppien. Schleswig-Holsteinischer Geschichtsverlag, Malente 1998, ISBN 3-933862-25-4 (= Veröffentlichungen des Beirats für Geschichte der Gesellschaft für Politik und Bildung Schleswig-Holstein e. V., Band 20) (Inhaltsverzeichnis).
  • mit Detlev Kraack, Hans Christian Segeberg: Der Kieler Matrosenaufstand und die Novemberrevolution 1918. Zwischen Befehlsverweigerung und demokratischem Neuanfang. Kiel 2004 (= Materialien für den Geschichtsunterricht, hrsg. vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund, ZDB-ID 21757057, Band 1).

Aufsätze

  • Die Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann am 9. November 1918. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht. 19/1968, ISSN 0016-9056, S. 649–656.
  • „Aufklären, beschämen, unterdrückte edlere Erinnerungen zur Auferstehung bringen.“ Vorrede zum Forschungsprogramm des Instituts für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte (IZRG). Herausgegeben v. Grenzfriedensbund, Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (AKENS), Beirat für Geschichte der Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein. Grenzfriedensbund, Flensburg 1995, OCLC 257501752 (Beitrag aus Grenzfriedenshefte 4/1994, S. 164–175 (dein-ads.de [PDF; 453 KB])).
  • „In allem widerstrebt uns dieses Volk.“ Rassistische und fremdenfeindliche Urteile über die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge in Schleswig-Holstein 1945–46. In: Karl Heinrich Pohl (Hrsg.): Regionalgeschichte heute. Das Flüchtlingsproblem in Schleswig-Holstein nach 1945. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 1997, ISBN 3-89534-252-1, S. 81–95 (neu abgedruckt in: Standpunkte zur neueren Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 145–158).
  • Der Schleswig-Holsteinische Kanal – Eiderkanal. Vorgeschichte, Entstehung, Bedeutung. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte. Band 85, 2010, Heft 3, ISSN 0173-0940, S. 113–123 (2007 mit geringfügigen Abweichungen online veröffentlicht auf derWebseite der Gemeinde Bovenau (Memento vom 11. September 2011 im Internet Archive; PDF; 305 kB)).

Herausgeberschaften

  • Alexander Scharff. Schleswig-Holstein in der deutschen und nordeuropäischen Geschichte. Gesammelte Aufsätze. Stuttgart 1969 (= Kieler Historische Studien, Bd. 6.).
  • mit Uwe Danker, Jörn-Peter Leppien: Reimer Hansen, Aus einem Jahrtausend historischer Nachbarschaft. Studien zur Geschichte Schleswigs, Holsteins und Dithmarschens. Malente 2005, ISBN 3-9338-6237-X (= Veröffentlichungen des Beirats für Geschichte, Bd. 22).
  • mit Karl Heinrich Pohl: Sehestedt aus regionalgeschichtlicher Perspektive. Ein Beitrag zu einer modernen Ortsgeschichte. Kovač, Hamburg 2007, ISBN 3-8300-3020-7.

Literatur

  • Dierk Jensen: Kindheit in der Grenzregion. In: Kieler Nachrichten. KN-Journal. 26. März 2005, ZDB-ID 290059-2, S. 5.
  • Reimer Hansen: Manfred Jessen-Klingenberg (13. November 1933 – 1. April 2009). In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte. Band 134, 2009, ISSN 0072-4254, S. 7–15 (uni-hamburg.de [abgerufen am 7. April 2024]).
  • Jörn-Peter Leppien: Manfred Jessen-Klingenberg. In: Grenzfriedenshefte. Band 56, Nr. 2, 2009, ISSN 1867-1853, S. 121–125 (dein-ads.de [PDF; 749 kB; abgerufen am 27. Juli 2024]).
  • Detlev Kraack, Willy Diercks: Prof. Dr. Manfred Jessen-Klingenberg 13.11.1933 – 1.4.2009. In: Schleswig-Holstein. Mai/Juni, 2009, ISSN 0937-7247, S. 47.
  • Thomas Steensen: Zum Tod von Manfred Jessen-Klingenberg. In: Nordfriesland. Nr. 166, Juni 2009, ISSN 0029-1196, S. 6 (nordfriiskinstituut.de [PDF; 1,8 MB; abgerufen am 9. Dezember 2017]).
  • Sebastian Lehmann: Ehrenkolloquium in memoriam Manfred Jessen-Klingenberg (1933–2009). In: Mitteilungen der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte. Nr. 78, März 2010, ISSN 2196-3428, S. 31–33 (geschichte-s-h.de [PDF; 5,2 MB; abgerufen am 9. Juli 2017]).
  • Ernst Joachim Fürsen: In memoriam Prof. Dr. Manfred Jessen-Klingenberg. In: Mitteilungen des Canal-Vereins. Band 28, 2010, ISSN 0176-7542, S. 9–12.
  • Uwe Danker: In memoriam Manfred Jessen-Klingenberg. In: Demokratische Geschichte. Band 20, 2010, ISSN 0932-1632, S. 11–18 (beirat-fuer-geschichte.de [PDF; 332 kB; abgerufen am 12. März 2017]).
  • Hans F. Rothert: Schriftenverzeichnis Manfred Jessen-Klingenberg. In: Demokratische Geschichte. Band 20, 2020, ISSN 0932-1632, S. 431–445 (beirat-fuer-geschichte.de [PDF; 311 kB; abgerufen am 10. August 2024]).
  • Detlev Kraack: Veranstaltung zum Gedenken an den Landeshistoriker und akademischen Lehrer Prof. Dr. Manfred Jessen-Klingenberg (1933–2009). In: Rundbrief des Arbeitskreises für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins. Nr. 102, März 2010, ISSN 2363-9784, S. 4–6 (arbeitskreis-geschichte.de [PDF; 1,2 MB; abgerufen am 13. Februar 2020]).

Einzelnachweise

  1. a b Detlev Kraack, Willy Diercks: Prof. Dr. Manfred Jessen-Klingenberg 13.11.1933 – 1.4.2009. In: Schleswig-Holstein. Mai/Juni 2009, ISSN 0937-7247, S. 47.
  2. a b Uwe Danker: In memoriam Manfred Jessen-Klingenberg. In: Demokratische Geschichte. Band 20, 2010, ISSN 0932-1632, S. 11–18 (beirat-fuer-geschichte.de PDF; 332 KB).
  3. a b Jessen-Klingenberg, Manfred. In: Wer ist wer? Das Deutsche Who's Who. XLVIII, 2009/10. Schmidt-Römhild, Lübeck 2009, ISBN 978-3-7950-2048-4, S. 547.
  4. Jessen-Klingenberg, Manfred. In: Kürschners deutscher Gelehrten-Kalender 2009. München, Saur 2009, Band 2, ISBN 978-3-598-23629-7, S. 1854.
  5. Hans F. Rothert: Schriftenverzeichnis Manfred Jessen-Klingenberg. In: Demokratische Geschichte, Band 20, 2010, ISSN 0932-1632 S. 440, (beirat-fuer-geschichte.de; PDF 311 kB).
  6. a b Thomas Steensen: Zum Tod von Manfred Jessen-Klingenberg. In: Nordfriesland 166, Juni 2009 (PDF; 1,8 MB), S. 6.
  7. Uwe Danker: Manfred Jessen-Klingenberg (1933–2009), izrg.de, abgerufen am 10. Juli 2017.
  8. Jörn-Peter Leppien: Manfred Jessen-Klingenberg (1933–2009). In: Grenzfriedenshefte, Bd. 56 (2009), Nr. 2, S. 122.
  9. Die Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann am 9. November 1918. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 19/1968, ISSN 0016-9056, S. 649–656.
  10. a b Heinrich August Winkler: Doch, so war es! 9. November 1918: Die Ausrufung der Republik ist keine Legende. In: Die Zeit, Nr. 16, 26. April 2018, abgerufen am 30. April 2018.
  11. Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Fachbereich WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik (Hrsg.): Die Republikproklamation am 9. November 1918 durch Philipp Scheidemann. Ausarbeitung WD 1 -3000 -034/18. 12. September 2018, S. 5 (bundestag.de [PDF; 332 kB; abgerufen am 10. November 2019]).
  12. [Johann Peter] Wurm: Rezension zu Manfred Jessen-Klingenberg: Standpunkte zur neueren Geschichte Schleswig-Holsteins. In: Zeitschrift für Lübeckische Geschichte, Bd. 79 (1999), S. 431. (pdf; 54 MB).
  13. vgl. Reimer Hansen: Manfred Jessen-Klingenberg (13. November 1933 – 1. April 2009). In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte. Band 134, 2009, S. 10.
  14. Martin Krieger: Geschichte Nordeuropas am Historischen Seminar. In: Oliver Auge und Gerald Schwedler (Hrsg.): Impulse der Kieler Geschichtsforschung einst und heute. 150 Jahre Historisches Seminar. Universitätsverlag, Kiel 2022, ISBN 978-3-928794-79-4, S. 190 (uni-kiel.de [PDF; 174 kB; abgerufen am 23. Juli 2024]).
  15. Die Herausgeber des regionalgeschichtlichen Jahrbuchs "Demokratische Geschichte". Abgerufen am 17. Januar 2017.
  16. Detlev Kraack: Veranstaltung zum Gedenken an den Landeshistoriker und akademischen Lehrer Prof. Dr. Manfred Jessen-Klingenberg (1933–2009). In: Rundbrief des Arbeitskreises für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins. Nr. 102, März 2010, ISSN 2363-9784, S. 4–6 (arbeitskreis-geschichte.de [PDF; 1,2 MB; abgerufen am 9. November 2019]).
  17. Ehrenkolloquium für Prof. Dr. Manfred Jessen-Klingenberg * 1933 † 2009, Programmblatt des Instituts für Zeit- und Regionalgeschichte, Universität Flensburg.
  18. Sebastian Lehmann: Ehrenkolloquium in memoriam Manfred Jessen-Klingenberg (1933–2009). In: Mitteilungen der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte Nr. 78, März 2010, ISSN 2196-3428, S. 31–33 (pdf; 5,2 MB).