Madeleine Bernstorff

Madeleine Bernstorff (geboren 1956 in München) ist eine deutsche Autorin, Filmhistorikerin und Filmkuratorin. Sie leitet seit 2025 als Doppelspitze mit Susannah Pollheim die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen und verantwortet in dieser Funktion die künstlerische Ausrichtung des weltweit ältesten Kurzfilmfestivals.

Leben und Wirken

In München geboren und aufgewachsen, studierte Madeleine Bernstorff an der Ludwig-Maximilians-Universität München die Fächer Anglistik und Philosophie. 1982 bis 1983 studierte sie an der F&F-Schule für Kunst und Design in Zürich. Sie ist Absolventin der Akademie der Bildenden Künste München im Fach Medienkunst.[1]

Sie kam nach Berlin und 1984 war sie Mitgründerin und bis 1988 Mitbetreiberin des Kino Sputnik in Berlin-Wedding[2] und 1989 der feministischen Kinogruppe Blickpilotin[3], eines Vereins zur Förderung feministischer Filmbildungsarbeit, der von 1989 bis 2007 bestand.

Recherchebasierte und auch kollaborativen Projekte sind oft Ausgangslage für künstlerische, essayistische und aktivistische Arbeiten und Filmprogramme. Als Kuratorin und Autorin entwickelt sie Präsentationen und Texte zum Frühen Kino und der Suffragettenbewegung, zum antikolonialen Filmemacher René Vautier, Videoaktivismus bei Carole Roussopoulos oder zur Künstlerin Margaret Raspé, zu politischem Amateurfilm am Beispiel von Ella Bergmann-Michel und beschäftigt sich mit Kino der Avantgarden, des Widerstandes und von Migrantinnen und Migranten. 1995 wurden die Texte von Trinh T. Minh-ha in deutscher Übersetzung und weitere Materialien zu ihren Filmen und Gespräche von Madeleine Bernstorff und Hedwig Saxenhuber herausgegeben. Recherchen zu Reeducation und Filmpolitik in der französischen Besatzungszone und zu Transnationalem Lernen[4] folgten. 2003 hat sie zusammen mit Jochen Becker und Sandra Schäfer das Filmfestival Kabul/Teheran 1979ff: Filmlandschaften, Städte unter Stress und Migration an der Volksbühne Berlin und im Filmkunsthaus Babylon kuratiert.[5][6] 2008 war sie im Team der Ausstellung In the Desert of Modernity - The Exhibition im Haus der Kulturen der Welt Berlin und zeigte dort eine Serie von Filmen, die sie unter dem Titel Small Paths, Complex Stories/ Kleine Pfade, verschränkte Geschichten mit Brigitta Kuster zusammenstellte. Von 2011 bis 2013 hatte sie ein Projekt im Arsenal unter dem Titel Living Archive – Archivarbeit als künstlerische und kuratorische Praxis der Gegenwart im Arsenal – Institut für Film und Videokunst.[7]

Sie veröffentlichte Essays, Aufsätze und Vorträge zum Thema Film, über frühen Videoaktivismus, zu Frauen- und Migrantinnenfilmen, über Filmautorinnen. Von 1993 bis 1996 gab sie mit Elke aus dem Moore das Fanzine miesmuschel heraus.[8] Gelegentlich arbeitet sie filmisch für kleinere Formate und Formen.

Bernstorff publizierte zahlreiche Filmkritiken, u. a. für Die Tageszeitung, Der Freitag, Tagesspiegel, Jungle World, Frauen und Film, mute und kolik film.[1]

Madeleine Bernstorff lehrt und kuratiert im In- und Ausland, unter anderem an der Universität der Künste Berlin, der Akademie der Bildenden Künste Wien, der Royal Art Academy Copenhagen, der Hochschule für Film und Fernsehen Babelsberg, der Freien Universität Berlin u. a. An der Robert-Schumann-Musikhochschule Düsseldorf unterrichtet sie im Masterstudiengang das Fach Dokumentarische Formen.[1]

Als Kuratorin hat sie Filmreihen von Festivals, zum Beispiel im Zeughauskino Berlin, im mumok Wien, bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen, beim Filmfestival Cottbus und anderen, verantwortet.

Zudem gehörte sie diversen Auswahlkommissionen und Jurys an. Ab 2000 gehörte sie zur Wettbewerbs-Auswahlkommission Internationaler und deutscher Wettbewerb der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen.[8]

Seit 2025 ist sie gemeinsam mit Susannah Pollheim Leiterin der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen und verantwortet die künstlerische Ausrichtung des weltweit ältesten Kurzfilmfestivals.[2]

Bernstorff lebt in Berlin und Oberhausen.[8]

Mitgliedschaften und Ehrenämter

Madeleine Bernstorff ist seit 1988 Mitglied im Verband der Filmarbeiterinnen. Sie war Mitbegründerin von Blickpilotin e.V. Zudem ist sie in der IG Medien (Verdi).

Filmografie (Auswahl)

Gelegentlich arbeitet sie an Filmprojekten, an kleineren Formaten und Formen in verschiedenen Funktionen, wie Recherche, Idee, Aufnahmeleitung, Ton, Kamera oder Regie.

  • 1985: Klischee - Lesben im Film. Video, 105', Maria Schmidt, Madeleine Bernstorff, Claudia Richarz, Birgit Durbahn, Produktion Bildwechsel, Hamburg
  • 1987: Kopierersektor. Video, 10’, mit Birgit Durbahn, bildwechsel Hamburg
  • 1989: Wie mögen Sie das, was Sie haben?, Videobrief zum 10. Geburtstag Verband der Filmarbeiterinnen e. V.
  • 1990: Berlin, Bahnhof Friedrichstraße. (Aufnahmeleitung, Set-Fotos) Regie: Konstanze Binder, Lilly Grote, Ulrike Herdin, Julia Kunert.
  • 1990: Das kleine Objekt a. Ausstattung - Regie: Angelika Levi
  • 1990: Dynamo. Ausstattung - Regie: Thomas Schunke
  • 1992: Oshilongo Shange. Mein Land. Ton - Regie: Lilly Grote und Julia Kunert
  • 1992: Trailer Vergessene Zukunft. Mit Christian Philipp Müller
  • 1992: Die Finsternis und ihr Eigentum. (Aufnahmeleitung) - Regie: Christian Frosch
  • 1994: Pyjamafilm. Mit Elke aus dem Moore, Super 8 Film Installation, Doppelprojektion mit Musik
  • 1994: UTV. (Beitrag mit Elke aus dem Moore), TV-Kunstprojekt von Stephan Dillemuth und Hans-Christian Dany
  • 1995: Christopher Street Day 1995. S8, mit Elke aus dem Moore
  • 1997: Zitronenfilm. Regie
  • 1997: Walter Benjamins Passagenwerk. (Dramaturgie) Regie: Gamma Bak, arte
  • 1998: Candan. Berlin Kreuzberg CSD 1998. Mit Elke aus dem Moore.
  • 1998: Suffragetten. Videoprojekt für das Projekt ‚Frauensolidarität‘ von Ines Doujak
  • 1998: Schreinerstraße. Super 8 Film
  • 1999: Das Motiv eines Sommers
  • 1999: Staat und Liebe. (Aufnahmeleitung) - Regie: Boris Schafgans
  • 1999: Sonnenfinsternis. Super 8 Film, mit Boris Schafgans
  • 2000: Dokumentation 25 Jahre Frauen und Film. Kamera: Christiane Büchner, Ton: Elke aus dem Moore
  • 2003: Schaufenster Swidnicy. DV Video
  • 2003: Im Geschmack der Zeit. (Kamera) - Regie Christian Philipp Müller
  • 2009/2010: Der Fanatismus der Suffragettes. (Regie) Schnitt: Angelika Levi
  • 2016/2017 SPOTS - 23 audiovisuelle Mikrointerventionen zum Tribunal ‚NSU-Komplex auflösen!’. (Produktion) mit der Gruppe Spots

Präsentationen in Ausstellungen

  • 1992: Trailer Vergessene Zukunft gemeinsam mit Christian Philipp Müller, Kunstverein München.[9]
  • 1997: Videobriefprojekt bei Frauensolidarität/Frauenbeziehungen, konzipiert und koordiniert von Ines Doujak[10], Steirischer Herbst Graz[11] und
  • 2003: Video für die Ausstellung Im Geschmack der Zeit mit Christian Philipp Müller, Berlin[12], Basel[13]
  • 2004: A political feeling- I hope so, Performance und Filmreihe mit Emma Hedditch, Cubitt Gallery London[14]
  • 2005/06: Candan, Super 8 Film mit Elke aus dem Moore, Installation für Projekt Migration, Kölnischer Kunstverein[15]
  • 2009: Bertha von Suttner Revisited, Kunst im öffentlichen Raum, Niederösterreich, Harmannsdorf[16]
  • 2011: Iceploitation, Kunstverein Tromsø[17]

Publikationen

  • 1989: Frauen in Hosen / Hosenrollen im Film. mit Stefanie Hetze, Hg. Münchner Filmzentrum
  • 1993–1996: miesmuschel - ein Fanzine, mit Elke aus dem Moore
  • 1995: Trinh T. Minh-Ha - Filme, Texte, Gespräche, Hg. mit Hedwig Saxenhuber, München. Wien 1995, Texte von Trinh T. Minh-ha in deutscher Übersetzung
  • 1997: ¡ eine Kontextualisierung feministischer Filmfestivals (Hg. FdK + Blickpilotin)
  • 1998: Muriel Box, eine Studioregisseurin der 50er Jahre, Hg. M. Bernstorff für Blickpilotin
  • 2006 Kabul, Teheran 1979ff: Filmlandschaften, Städte unter Stress und Migration, Sandra Schäfer, Jochen Becker und Madeleine Bernstorff (Hg.), metroZones 6, b_books, Berlin[18]
  • Das Buch Kabul / Teheran 1979ff. Filmlandschaften, Städte unter Stress und Migration wurde 2010 als Spliced Histories. 64 años de cine afgano ins Spanische übersetzt.
  • 2010: Spliced Histories. 64 años de cine afgano, Hg Sandra Schäfer, Jochen Becker, Madeleine Bernstorff, Karin Rebbert, Madrid
  • 2011: fanzine ICEPLOITATION, zum gleichnamigen Projekt am Kunstverein und Kunstakademie Tromsø, Norwegen
  • 2013: fanzine Caméra au poing. videoactivism by Carole Roussopoulos. mit Manuela Schininá, alphanova Galerie, Berlin 3/13
  • 2014: Alle Tage wieder – let them swing! Zur Aktualität der Filme von Margaret Raspé. Heide Schlüpmann, Karola Gramann, Madeleine Bernstorff (Red.): Katalog. Frankfurt am Main/Berlin
  • 2017: Transnationales Lernen[4] und Feminismen an der dffb[19], zur Geschichte der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin 2018 erschien das Magazin Pape Mamadou Samb aka Papisto Boyüber den gleichnamigen senegalesischen Wandmaler Papisto Boy’s Art in Public / L’Art de Papisto Boy dans l’éspace public.

Texte und Essays

Einzelnachweise

  1. a b c Institut für Musik und Medien: Madeleine Bernstorff. Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, abgerufen am 2. Mai 2025.
  2. a b Die neue Leitung der Kurzfilmtage steht fest. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen, 18. Dezember 2024, abgerufen am 2. Mai 2025.
  3. Rene Damm: „Wir brauchen das Kino jeden Tag!“ - Das Berliner Projekt Blickpilotin e.V. (1989-2007). Abgerufen am 13. Mai 2024.
  4. a b Transnationales Lernen | DFFB. Abgerufen am 14. Mai 2024.
  5. ANNE KRAUME: Klopfen und schweigen. In: Die Tageszeitung: taz. 5. Dezember 2003, ISSN 0931-9085, S. 25 (taz.de [abgerufen am 24. August 2023]).
  6. Madeleine Bernstorff - Robert Schumann Hochschule Düsseldorf. Abgerufen am 12. Mai 2024 (deutsch).
  7. Madeleine Bernstorff. Abgerufen am 13. Mai 2024 (deutsch).
  8. a b c curriculum vitae Madeleine Bernstorff. Abgerufen am 2. Mai 2025.
  9. Christian Philipp Müller - “Die Mühlen Des Kontexts: Über Christion Philipp Müller Im Museum Für Gegenwartskunst, Basel” (2007). Abgerufen am 12. Mai 2024.
  10. sex&space: gender. Abgerufen am 12. Mai 2024.
  11. Frauensolidarität. Frauenbeziehungen - steirischer herbst Archiv. Abgerufen am 12. Mai 2024.
  12. Christian Philipp Müller, Im Geschmack der Zeit – Kunstverein am Rosa–Luxemburg–Platz. 21. August 2009, abgerufen am 12. Mai 2024 (deutsch).
  13. Im Geschmack der Zeit | S AM Schweizerisches Architekturmuseum. Abgerufen am 12. Mai 2024.
  14. A Political Feeling, I Hope So - 30/01/2004 18:00:00. 30. Januar 2004, abgerufen am 12. Mai 2024 (englisch).
  15. Projekt Migration | Diversity Arts Culture. Abgerufen am 12. Mai 2024.
  16. Projekte. Abgerufen am 13. Mai 2024.
  17. Iceploitation - springerin | Hefte für Gegenwartskunst. Abgerufen am 14. Mai 2024.
  18. Kabul/Teheran 1979 ff. Filmlandschaften, Städte unter Stress und Migration. - Perlentaucher. Abgerufen am 24. August 2023.
  19. Feminismen an der dffb 1966-85 | DFFB. Abgerufen am 11. Mai 2024.
  20. MADELEINE BERNSTORFF: Angst vor den Klippen. In: Die Tageszeitung: taz. 17. Februar 2006, ISSN 0931-9085, S. 23 (taz.de [abgerufen am 15. Mai 2024]).
  21. MADELEINE BERNSTORFF: Das Gedächtnis der Gesten. In: Die Tageszeitung: taz. 29. Dezember 2007, ISSN 0931-9085, S. 29 (taz.de [abgerufen am 15. Mai 2024]).
  22. K. W. Presse: Bodil Furu: Where Mountains Fall. 20. Juli 2017, abgerufen am 15. Mai 2024 (deutsch).
  23. MADELEINE BERNSTORFF: Cinephilie als Lebenshaltung. In: Die Tageszeitung: taz. 8. September 2007, ISSN 0931-9085, S. 29 (taz.de [abgerufen am 15. Mai 2024]).
  24. Mi 03.10.2018 , 19:00 Uhr: Friedl Kubelka aka Friedl vom Gröller. One Is Not Enough. Abgerufen am 15. Mai 2024 (englisch).
  25. kolik.film. Abgerufen am 16. Mai 2024.
  26. Shadow Feminine – Die Filme von Nina Menkes. Abgerufen am 15. Mai 2024 (deutsch).
  27. Madeleine Bernstorff, Sandra Schäfer: Luminous Grain, Flickering Lines, and Piles of Paper. (academia.edu [abgerufen am 16. Mai 2024]).
  28. MARION VON OSTEN (1963-2020) (Madeleine Bernstorff). Abgerufen am 16. Mai 2024.
  29. Madeleine Bernstorff: I’m not really me. Films by Roee Rosen. In: International Short Film Festival Oberhausen (Hrsg.): Katalog 2012. Oberhausen 2012.
  30. schloss-post.com
  31. MADELEINE BERNSTORFF: Wir haben Hunger, wir brauchen Arbeit. In: Die Tageszeitung: taz. 23. März 2009, ISSN 0931-9085, S. 28 (taz.de [abgerufen am 15. Mai 2024]).
  32. Olivier Hadouchi: "René Vautier, Algier und die anti-imperialistiche Konstellation" / René Vautier, Algiers and the Anti-imperialist Constellation. (academia.edu [abgerufen am 15. Mai 2024]).

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