MRGN

Klassifikation nach ICD-10-GM
U81.-!Gramnegative Erreger mit bestimmten Antibiotikaresistenzen, die besondere therapeutische oder hygienische Maßnahmen erfordern
ICD-10 online (GM-Version 2023)

MRGN ist eine in der Medizin verwendete Abkürzung für multiresistente gramnegative Bakterien.

Hintergrund

Nachdem in den letzten Jahrzehnten vor allem multiresistente grampositive Bakterien (Stichworte MRSA oder VRE) als Auslöser von nosokomialen Infektionen („Krankenhausinfektionen“) im Fokus der Mediziner standen, trifft dies seit Ende des 20. Jahrhunderts auch auf einige gramnegative Bakterien zu. Allerdings wird die Multiresistenz bei ihnen durch viele verschiedene Resistenzgene bzw. Enzyme verursacht (z. B. Stichworte wie ESBL oder NDM), so dass eine neue Definition zweckdienlich ist, bei der nicht die Resistenzmechanismen im Vordergrund stehen, sondern gegen welche klinisch bedeutsamen Antibiotikagruppen die Bakterien resistent sind.[1]

Definition

Die Definition der multiresistenten gramnegativen Stäbchen-Bakterien (MRGN) erfolgte durch die beim Robert Koch-Institut (RKI) eingerichtete Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) und wurde 2012 veröffentlicht. Dabei wurden vier Antibiotikagruppen definiert, die bei einer schweren Infektion mit gramnegativen Bakterien (sowohl Mitglieder der Enterobakterien wie auch sogenannte Nonfermenter) klinisch eingesetzt werden.[1]

Der Abkürzung MRGN wird in der Regel eine Zahl von zwei bis vier vorangestellt, die die Anzahl der Antibiotikaklassen – Acylureidopenicilline, Cephalosporine der 3. und/oder 4. Generation, Carbapeneme oder Fluorchinolone (Gyrasehemmer) – bezeichnet, gegen die das jeweilige Bakterium resistent ist. Da Resistenzen gegen eine oder zwei Antibiotikaklassen zwar sehr häufig, aber unkritisch sind, sieht man diese Abkürzungen selten, diese Bakterien gelten auch nicht als multiresistent. Im klinischen Alltag bereiten 3MRGN bzw. 4MRGN vor allem bei der Behandlung nosokomialer Infektionen wie Lungenentzündungen und Harnwegsinfekten Probleme.[1]

Das Robert Koch-Institut (FG14) hat 2013 eine Musterpräsentation zur Definition der Multiresistenz bei gramnegativen Bakterien erstellt. Diese Definition enthielt eine übersichtliche Tabelle, aus der die Wirksamkeit bestimmter Antibiotika gegenüber den gängigen MRGN auf einen Blick ersichtlich war. Die jeweilige Wirksamkeit wurde unterschieden in R ("resistent" = unwirksam) und S ("sensibel" = wirksam). Der dreifach resistente Pseudomonas aeruginosa wurde hierbei ausgenommen, da er nur gegen drei der vier aufgeführten Antibiotika resistent ist.[2] Im Jahr 2019 wurde diese Tabelle auf Initiative des European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing (EUCAST) überarbeitet und erweitert. Neu hinzu kam die Klassifikation I, die für "wirksam bei erhöhter Exposition" (= Menge) steht Im Gegenzug wurde die Kategorie S angepasst und erweitert in "sensibel bei normaler Exposition".[3]

AntibiotikagruppeLeitsubstanzEntero-
bakterien
Entero-
bakterien
Pseudomonas
aeruginosa
Pseudomonas
aeruginosa
Acinetobacter
baumannii
Acinetobacter
baumannii
3MRGN4MRGN3MRGN4MRGN3MRGN4MRGN
Acylureido­penicillinePiperacillinRRxRRR
3./4. Generations-CephalosporineCefotaxim und/oder CeftazidimRRxRRR
CarbapenemeImipenem und/oder MeropenemS oder IRxRS oder IR
FluorchinoloneCiprofloxacinRRxRRR

R = resistent; S = sensibel bei normaler Exposition; I = sensibel bei erhöhter Exposition; x (Spalte Pseudomonas aeruginosa) = Nur eine der 4 Antibiotikagruppen wirksam (sensibel)

ICD-10-GM (2020)

Keim2MRGN NeoPäd*3MRGN4MRGN
Escherichia coli mit MultiresistenzU81.00!U81.20!U81.40!
Klebsiella pneumoniae mit MultiresistenzU81.01!U81.21!U81.41!
Klebsiella oxytoca mit MultiresistenzU81.02!U81.22!U81.42!
Sonstige Klebsiellen mit MultiresistenzU81.03!U81.23!U81.43!
Enterobacter-cloacae-Komplex mit MultiresistenzU81.04!U81.24!U81.44!
Citrobacter-freundii-Komplex mit MultiresistenzU81.05!U81.25!U81.45!
Serratia marcescens mit MultiresistenzU81.06!U81.26!U81.46!
Proteus mirabilis mit MultiresistenzU81.07!U81.27!U81.47!
Sonstige Enterobacterales mit MultiresistenzU81.08!U81.28!U81.48!
Pseudomonas aeruginosa mit MultiresistenzU81.10!U81.30!U81.50!
Acinetobacter-baumannii-Gruppe mit MultiresistenzU81.11!U81.31!U81.51!
  • Die Kodes U81.0- sind nur bei Patienten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres anwendbar

Beispiele und Besonderheiten

In der Regel handelt es sich bei den so klassifizierten Krankheitserregern um nicht-fermentierende Stäbchenbakterien (z. B. Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii als Nonfermenter) und Enterobakterien wie Escherichia coli oder Klebsiella pneumoniae, von denen einige Arten im menschlichen Darm, andere in unserer Umwelt natürlicherweise zu finden sind und für gesunde Menschen im Alltag selten Probleme darstellen. Die Resistenz beruht meistens auf der Produktion von β-Lactamasen. Die Einteilung erfolgt in einem mikrobiologischen Labor durch ein Antibiogramm.

In der im Bundesgesundheitsblatt veröffentlichten KRINKO-Empfehlung zu Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit MRGN wird in Tabelle 3 anhand mehrerer Beispiele aufgeführt, unter welchen Bedingungen ein Bakterium als multiresistent im Sinne von 3MRGN bzw. 4MRG eingestuft wird, was in Abhängigkeit von den Antibiotika geschieht, gegen die es resistent ist. Dort aufgeführte Bakterienarten sind beispielsweise:[1]

  • Acinetobacter baumannii (Nonfermenter) als 3MRGN A. baumannii mit Resistenzen (R) gegen Piperacillin, Cefotaxim und Ciprofloxacin, aber sensibel (S) oder (I) gegenüber Imipenem und Meropenem; als 4MRGN A. baumannii mit Resistenzen (R) gegen Piperacillin, Cefotaxim, Imipenem, Meropenem und Ciprofloxacin. Sulbactam geht nicht in die Multiresistenz-Definition ein.
  • Pseudomonas aeruginosa (Nonfermenter) als 3MRGN P. aeruginosa mit Resistenzen (R) gegen 3 der 4 obengenannten Antibiotikaklassen aber zum Beispiel sensibel (S) oder (I) gegenüber Ceftazidim und Cefepim; als 4MRGN P. aeruginosa mit Resistenzen (R) gegen allen 4 Antibiotikaklassen. Intermediäre Ergebnisse werden nicht mehr wie resistente Ergebnisse gewertet (I = increased exposure). Bei P. aeruginosa ist außerdem Ceftazidim an Stelle von Cefotaxim für die Bewertung relevant (Cefotaxim ist wenig wirksam gegen Pseudomonas).[4]
  • Klebsiella pneumoniae (Enterobakterien) als 3MRGN K. pneumoniae mit Ciprofloxacin (R) und ESBL; als 4MRGN K. pneumoniae mit Piperacillin (R), Cefotaxim (R), Imipenem (R), Meropenem (R) und Ciprofloxacin (R), aber sensibel (S) oder (I) gegenüber Ceftazidim. Laut der Definition muss Cefotaxim und/oder Ceftazidim R sein, bei Enterobakterien wird empfohlen, sie als 3MRGN zu werten, auch wenn eines der beiden Cephalosporine Ceftazidim oder Cefotaxim als sensibel getestet wird.
  • Ohne Vorliegen weiterer Resistenzmechanismen sind Enterobacterales mit chromosomaler AmpC Enterobacter cloacae, Klebsiella aergogenes und Citrobacter freundii 3MRGN. Die Resistenz gegen die beiden Cepaholsporine kann durch eine Überexpression der in dem Bakterienchromosom codierten AmpC-Beta-Lactamase verursacht sein, das wäre ein Beispiel für eine natürliche Resistenz. Die Resistenz kann auch durch eine plasmidcodierte ESBL begründet sein – ein Beispiel für eine erworbene Resistenz.

Weblinks

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b c d Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI): Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, Band 55, 2012, S. 1311–1354, ISSN 1437-1588. doi:10.1007/s00103-012-1549-5.
  2. Nils-Olaf Hübner, in Abstimmung und unter Verwendung von Folien von Constanze Wendt (AG MRGN der KRINKO), Martin Kaase (NRZ für Gramnegative Erreger): Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen bakteriellen Erregern. In: Musterpräsentation: Management von MRGN, Robert Koch-Institut. 2013, S. 9 (rki.de [PDF; 4,2 MB; abgerufen am 14. Februar 2018] Diese Präsentation wurde vom RKI (FG14) erstellt. Sie darf frei vervielfältigt und verwendet werden, vorausgesetzt, es werden keine Änderungen vorgenommen und es wird auf die Urheber verwiesen.).
  3. Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin, 28. Februar 2019, Nr. 9, EUCAST definiert die Kategorie „I“ im Rahmen der Antibiotika-Resistenzbildung neu. (PDF; 470 kB) abgerufen am 14. November 2020
  4. EUCAST definiert die Kategorie „I“ im Rahmen der Antibiotika-Resistenzbestimmung neu. In: Epidemiologisches Bulletin. Robert Koch Institut, 28. Februar 2019, abgerufen am 23. Oktober 2021.