Lustgarten (Potsdam)

Blick vom Brauhausberg auf den Lustgarten und das Stadtschloss, um 1900

Der Lustgarten ist die älteste Gartenanlage in Potsdam. Begrenzt wird er von der Breiten Straße mit dem Marstall im Norden, der Havel im Osten, dem Bahndamm im Süden und dem Innenministerium im Westen. Als Barockgarten unter dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm für das Stadtschloss geschaffen und unter König Friedrich Wilhelm I. zur Hälfte in eine plane Exerzierfläche verwandelt, wurde das Übrige durch Friedrich II. verschönert und 1829 von Peter Joseph Lenné umgestaltet. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann mit der Errichtung des Ernst-Thälmann-Stadions im Lustgarten die Beseitigung des Stadtschlosses. Beim Bau des Interhotels Potsdam verschwand 1969 der Lustgarten bis zur Unkenntlichkeit. Anlässlich der Bundesgartenschau 2001 wurde nach dem Abriss des Thälmann-Stadions ein neuer Lustgarten angelegt.

Geschichte

Ursprünge

(c) Bundesarchiv, Bild 170-239 / Max Baur / CC-BY-SA 3.0
Blick über das Neptunbassin zum Stadtschloss, dahinter die Nikolaikirche, vor 1945
Der Lustgarten im Jahr 2017 vor dem Hotelhochhaus, dahinter verdeckt das Stadtschloss und die Nikolaikirche
Blick über das Stadtschloss auf den Lustgarten und den Brauhausberg
Blick von der Nikolaikirche auf den Lustgarten und die Havel
Schlossstrasse
(c) Bundesarchiv, Bild 170-044 / Max Baur / CC-BY-SA 3.0
Denkmal Friedrich Wilhelms I. gegenüber dem Marstall, vor 1945

Der Garten wurde 1589 erstmals urkundlich erwähnt. Der älteste Plan zeigt auf einer dreieckigen Fläche an der Havel einen Renaissancegarten, der zu dem 1598/99 erbauten Schloss der Kurfürstin Katharina gehörte, aus dem später der Lustgartenflügel des Stadtschlosses hervorging. Unter dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg wurde der Lustgarten ab 1660 nach Süden und Westen erweitert und durch Aufschüttungen am Fluss in eine rechteckige Form gebracht. Es wird vermutet, dass hierbei der Statthalter Johann Moritz von Nassau-Siegen mitwirkte, der den Kurfürsten in Bau- und Gartenfragen beriet. Als Vorbild dienten die damals modernsten Gartenanlagen Frankreichs, galt es doch, mit dem in denselben Jahren begonnenen Ausbau des Gartens von Versailles Schritt zu halten.

Der Lustgarten war Teil eines Ensembles aus Stadtschloss, Pomeranzenhaus, Altem Markt und Havelufer. Seine Hauptachse bildete die Verlängerung der Hauptachse des Schlosses bis zur Havel und zum Brauhausberg. Als nördliche Begrenzung zur Stadt ließ der Kurfürst 1685 das langgestreckte Pomeranzenhaus (später Marstall und Filmmuseum) erbauen,[1]. Dahinter befand sich bis Anfang des 18. Jahrhunderts braches Sumpfland als natürliche Stadtgrenze, in dem sich Fischer in der Siedlung Kietz niedergelassen hatten (südlich der heutigen Breiten Straße, stadtauswärts, im Bereich der südlichen Dortustraße und Kiezstraße). Nach Süden und Osten war er offen zu Havel. Der Garten bestand aus den für einen barocken Lustgarten typischen drei Teilen, dem Broderieparterre am Schloss, einen westlich davon gelegenen Nutzgarten und dem Boskett im Südwesten mit einem großen Bassin in der Mitte.

Auf der anderen Seite der Havel wurde ein sechsstrahliger Wegestern im Tiergarten angelegt. Hier war der zehnstrahlige Achsenstern Vorbild, den Johann Moritz 1665 bei Kleve geschaffen hatte. Eine der Achsen war auf das Stadtschloss gerichtet. Eine weitere Sichtachse ging von der Westfassade des Schlosses auf den heutigen Ehrenpfortenberg. Sie wurde wahrscheinlich 1668 mit Eichen bepflanzt. Es ist die heutige Breite Straße.

Friedrich I.

Unter Friedrich I. erfolgte um 1695 eine erneute Umgestaltung und Erweiterung. Das Broderieparterre wurde in die Havel hinaus verlängert, und im Anschluss entstand ein Hafenbecken für Lustschiffe, das spätere Neptunbassin. Zwischen 1698 und 1701 wurde eine für Wagen befahrbare doppelläufige Rampe erbaut, die die bisher fehlende Verbindung vom Marmorsaal in das Parterre herstellte, die später wegen ihres Rasenbelags so genannte Grüne Treppe. In dieser Zeit entstand eine Reihe ehrgeiziger Entwürfe verschiedener, im Wettbewerb miteinander stehender Künstler für den Lustgarten und die Kaskadenanlage gegenüber am Brauhausberg. Diese Projekte blieben infolge des Todes des Königs 1713 unvollendet.[2]

Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II.

Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. ließ 1714 die Parterres als Exerzierplatz einebnen, und das Pomeranzenhaus zum Marstall für Pferde umbauen. Die übrigen Gartenteile blieben erhalten und er legte einen Küchen- und Lustgarten im Marlygarten an. Sein Sohn Friedrich II. gestaltete 1746 bis 1751 die verbliebenen südlichen Gartenteile mit großem finanziellen Aufwand (insgesamt 90.458 Reichstaler ohne die Kolonnaden) weiter aus. Das Havelufer wurde mit massiven Mauern und Balustraden versehen, auf denen Putten und Vasen standen. Das Hafenbecken erhielt ebenfalls eine steinerne Einfassung, ringsum vergoldete Vasen und in der Mitte eine vergoldete Neptungruppe. Ein heute nicht mehr vorhandener Ersatzbau für die Orangerie entstand 1744. Das Boskett wurde durch Treillagen sowie zahlreiche Plastiken aus Marmor und vergoldetem Blei geschmückt, außerdem standen die Pomeranzenbäume in dem größten Boskettsaal. Das ehemalige Parterre diente weiterhin der Garnison zum Exerzieren und Paradieren. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff gab dem Lustgarten 1745/46 durch Errichtung zweier Kolonnaden auf beiden Seiten des Schlosses einen transparenten räumlichen Abschluss zur Stadt und zur Havel. Wegen der darin aufgestellten Skulpturengruppen hießen sie die Ringer- und die Fechterkolonnade.[3]

1800 bis 1945

Die aufwändigen Anlagen Friedrichs des Großen konnten auf Dauer nicht erhalten werden. Um 1800 erfolgten erste Vereinfachungen und landschaftliche Umgestaltungen durch Johann August Eyserbeck, und am Neptunbecken wurden Säulenpappeln gepflanzt. Im Jahr 1819 erfolgten weitere landschaftliche Umgestaltungen im Boskett nach Plänen Peter Joseph Lennés. Die Hauptalleen blieben aber erhalten.[4]

Der Bau der Potsdam-Magdeburger-Eisenbahn 1846 drohte den Lustgarten zu beeinträchtigen. Friedrich Wilhelm IV. gab jedoch schließlich seinen Widerstand auf, und die Bahn wurde auf einem niedrigen Damm am Südrand des Gartens entlanggeführt, da eine Streckenführung über den Tornow nicht finanzierbar war. Im Lustgarten erinnerte gegenüber dem Marstall ab 1885 ein Standbild von Karl Hilgers an Friedrich Wilhelm I. Dabei handelte es sich um eine Bronzekopie des Originals in der Ruhmeshalle Berlin, das heute im Garten der Burg Hohenzollern steht.[5] Das unbeschädigte Denkmal wurde nach dem Zweiten Weltkrieg demontiert und 1950 auf Anordnung der Brandenburgischen Landesregierung als Buntmetallschrott zusammen mit anderen Potsdamer Bronzestandbildern eingeschmolzen.[6] Vermutlich 1886 wurden die Säulenpappeln am Neptunbecken durch Säuleneichen ersetzt. Nach dem Bau einer neuen Eisenbahnbrücke über die Havel 1903 wurde der Bahndamm erhöht. Seitdem riegelt der Bahndamm den Lustgarten räumlich von dem Fluss ab. Der Verbindungskanal zwischen Havel und Neptunbecken bestand bis zu dessen Zuschüttung, jedoch gab es Probleme mit dem Wasseraustausch.[7] In dieser Form bestand der Lustgarten bis 1945 nahezu unverändert.

Ab 1945

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Lustgarten durch den Bau des Ernst-Thälmann-Stadions im Boskett großflächig zerstört. In den Jahren der DDR führte auf Initiative der SED die Errichtung eines „neuen sozialistischen Stadtzentrum“ zu weiteren einschneidenden Veränderungen. Das 1945 ausgebrannte Stadtschloss wurde 1960 gesprengt, das klassizistische schmiedeeiserne Gitter, das den Lustgarten nach Westen abschloss, entfernt und später eingeschmolzen und das noch erhaltene Neptunbassin mitsamt der wenig beschädigten Neptungruppe zugunsten einer geplanten Erinnerungsstätte für Karl Liebknecht zugeschüttet.[8] Das im ehemaligen Broderieparterre 1969 fertiggestellte Interhotel (heute Mercure Potsdam) übernahm an Stelle der zuvor gesprengten Garnisonkirche die Rolle der Höhendominante im Stadtbild.[9] Ein nur wenig beschädigter Teil der Ringerkolonnaden mit Giebelrelief, Kapitellen und Putten des Schlosses wurde 1970 im Rest des Lustgartens am direkt angrenzenden, neuerrichteten Hafen aufgerichtet. Mit dem Ausbau der damaligen Wilhelm-Külz-Straße/heutigen Breite Straße entstand von 1979 bis 1982 das „Karl-Liebknecht-Forum“ mit der Plastik Herz und Flamme der Revolution von Theo Balden und Mosaiken von Kurt-Hermann Kühn als Auftakt für eine repräsentative sozialistische Magistrale im Stadtzentrum.[10]

Anlässlich der Bundesgartenschau 2001 wurde das Thälmann-Stadion beseitigt und der Lustgarten in Anlehnung an die historische Formgebung neu gestaltet. Dabei wurden die Ringerkolonnade und das Neptunbassin restauriert, wobei nur ein kleiner Teil der ursprünglich dafür verwendeten Figuren wieder aufgefunden werden konnte. Daneben fand das Denkmalensemble des Karl-Liebknecht-Forums einen neuen Platz. Es entstanden ein Stadtplatz und Gartenanlagen für Sportveranstaltungen und Erholung. Weiter präsentiert sich am Havelufer eine vollständig erneuerte Schiffsanlegestelle mit Hafengebäude und Kaianlage, Gastronomie- und Servicebereichen, die einen Startpunkt für zahlreiche Ausflugsfahrten ins Havelland und nach Berlin bieten.

Die Weisse Flotte beabsichtigt, einen Winkelbau für ein Restaurant im Lustgarten zu errichten. Dies hat in der Potsdamer Bevölkerung für deutlichen Unmut gesorgt und die Bürgerinitiative „Rettet den Lustgarten“ ins Leben gerufen, die sich für die Erhaltung des Lustgartens einsetzt.[11]

Ein Großteil des Lustgartens wurde speziell für Volksfeste, Jahrmärkte und Messen befestigt und erhielt deshalb helle Betonplatten als Untergrund. Seitdem hat sich der Lustgarten als zentraler Veranstaltungsort zwischen dem Havelufer, dem Filmmuseum Potsdam und der Nikolaikirche in der Stadt Potsdam etabliert.

Galerie

Literatur

Weblinks

Commons: Lustgarten Potsdam – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Clemens Alexander Wimmer: Der Potsdamer Lustgarten. Berlin 2004, S. 9–18.
  2. Wimmer 2004, S. 19–29
  3. Wimmer 2004, S. 30–49.
  4. Wimmer 2004, S. 50–61.
  5. http://www.helmutcaspar.de/aktuelles19/blnpdm19/denka.htm
  6. Frank Bauer, Hartmut Knitter, Heinz Ruppert: Vernichtet, vergessen, verdrängt. Militärbauten und militärische Denkmäler in Potsdam. E. S. Mittler & Sohn, Berlin, Bonn, Herford 1993, S. 137, Dokumente des behördlichen Schriftverkehrs zur Denkmalvernichtung 1945–1950 S. 186–196.
  7. Wimmer 2004, S. 62–70.
  8. Hans Berg: Die verlorene Potsdamer Mitte. Eigenverlag, Berlin 1999, S. 3/4 und 12.
  9. Gerd Dietrich: Kulturgeschichte der DDR. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, ISBN 978-3-647-37087-3, S. 1283.
  10. Karl-Liebknecht-Forum, Kurt-Hermann Kühn, 1980. potsdam.de, abgerufen am 5. Mai 2020
  11. Rettet den Lustgarten Webseite der Bürgerinitiative

Koordinaten: 52° 23′ 34″ N, 13° 3′ 35″ O

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Neptunbassin im Potsdamer Lustgarten
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La Seconde Vue du Chateau de la Ville de Potsdam; du Jardin et del'Ecurie Royale, de l'Eglise de la Garnison, de St. Nicolas et L'Hotel de Ville..; Kern der Stadt Potsdam zwischen Garnisonkirche und beginnender Burgstraße, mit dem Stadtschloß im Mittelpunkt mit dem bis zur Havel herunterreichenden Lustgarten. Dahinter erhebt sich der Turm der St. Nikolaikirche und rechts davon ist der Turm des Rathauses am Alten Markt zu erkennen. Rechts davon führt die hölzerne Lange Brücke über die Havel. Das große Gebäude links im Vordergrund ist das königliche Brauhaus.