Lotte Pulewka

Lotte Pulewka (eigentlich Charlotte Pulewka; * 16. Juli 1893 in Elbing, Westpreußen; † 6. November 1966 in Potsdam) war eine deutsche Sozialistin, die in Folge der revolutionären Unruhen im Jahre 1919 sowohl den späteren Reichstagsabgeordneten und Begründer des Roten Soldatenbundes (RSB) Willi Budich[1] sowie den späteren und einzigen Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck zur Flucht aus ihrer jeweiligen Haft verhalf.[1]

Leben

Ausbildung und Novemberrevolution

Pulewka war die Tochter eines Apothekers und die Schwester des Pharmakologen und Professors Paul Pulewka. Von 1900 bis 1910 besuchte sie das Lyzeum in Elbing und studierte von 1911 bis 1914 an den Lehrerseminaren in Königsberg und Potsdam, wo sie in letzteren 1912/13 auch lebte. 1913 legte sie erfolgreich ihre Prüfung als Gewerbeschullehrerin ab. Während des Studiums trat sie 1911 einen marxistischen Studierendenzirkel bei und im Jahr darauf der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), die sie bereits zwei Jahre später mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs wieder verließ.

Während des Krieges arbeitete sie ab 1915 als Lehrerin im Städtischen Fortbildungswesen in Berlin, in dem sie Hermann Duncker und dessen Frau Käte Duncker kennenlernte und mit ihnen im darauffolgenden Jahr im Spartakusbund arbeitete. Mit dem Ausbruch der Novemberrevolution war sie als Kurierin tätig und nahm an der Ausrufung der sozialistischen Republik durch Karl Liebknecht vom Schlossportal des Berliner Schlosses am 9. November 1918 teil.[2] Nach eigener Aussage nahm sie ebenso am ersten Druck der Roten Fahne in der besetzten Druckerei des Berliner Lokal-Anzeigers teil, bei dem sie auch Rosa Luxemburg kennenlernte.[3] Mit der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) trat sie dieser 1919 bei und nahm an den kurz darauf stattfindenden Januaraufstand teil. Im Februar wurde sie für zehn Tage verhaftet und lebte mit ihrer Entlassung illegal in Berlin.

Sie nahm zusammen mit Willi Budich und Eugen Levine im April 1919 an der Errichtung und Etablierung der Bayerischen Räterepublik teil. Pulewka erhielt den Auftrag Budich zu befreien, nachdem dieser nach der Zerschlagung der Republik durch rechte Freikorps in Haft geraten war, und verhalf ihm erfolgreich zur Flucht.[4] Am 10. November 1919 führte sie zusammen mit Arthur Pieck und Anderen eine ebenso erfolgreiche Befreiungsaktion für Wilhelm Pieck aus dem Moabiter Reichsmilitärgericht in Berlin durch.[5] Im gleichen Jahr wurde Pulewka fristlos aus dem Schuldienst entlassen.

In der Sowjetunion und Exilzeit

(c) Bundesarchiv, Bild 183-81192-0004 / Heilig, Eugen / CC-BY-SA 3.0
Kinderkolonie der IAH in Stuttgart-Sillenbuch, 1926

Unter dem Bedrohungsszenario einer erneuten Verhaftung im Jahre 1921 tauchte Pulewka bei der ihr bekannten Familie Duncker in Siebleben bei Gotha unter, wo sie die Kinder der Familie unterrichtete. Im gleichen Jahr trat sie angesichts eines Aufruf Lenins, der anlässlich einer Dürre- und Hungerkatastrophe im Wolgagebiet (Hungersnot in Sowjetrussland 1921–1922) um internationale Unterstützung warb, der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH) bei. 1922 erhielt sie den Auftrag der KPD in die Sowjetunion zu emigrieren, um beim Aufbau einer Kinderkolonie der IAH mitzuhelfen. Von 1922 bis 1923 leitete sie die Kinderkolonie Karl Liebknecht - Rosa Luxemburg bei Tscheljabinsk und arbeitete 1924 als Hauswirtschafterin auf einem Gut der IAH. In den Jahren 1925 bis 1927 beteiligte sie sich beim Aufbau der landwirtschaftlichen Kommune Internationale bei Kurgan in Sibirien. Ebenso 1925 wurde sie in die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) übernommen.

Zwischen 1927 und 1931 arbeitete sie als Deutschlehrerin an einer städtischen Schule im kasachischen Alma Ata und leitete von 1931 bis 1932 die Abteilung für Annahme, Entlassung und Verteilung der Arbeitskräfte des großen Staatsgutes Kok-cu im zentralasiatischen Altai-Gebirge. An der Hochschule der Gewerkschaftsbewegung beim Zentralgewerkschaftsrat in Moskau gab sie von 1932 bis 1936 Deutschunterricht, ebenso 1936/1937 am Allunionsinstitut für Journalisten sowie von 1937 bis 1941 an einer Moskauer Mittelschule. Nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg wurde sie 1941 in den Norden Kasachstans nahe Qaraghandy zwangsevakuiert, wo sie in der Kollektivwirtschaft Neues Sein arbeitete, nachdem ihr nach einer Krankenschwesterausbildung aus Altersgründen eine Aufnahme in die Rote Armee verwehrt wurde.[6]

Rückkehr in die SBZ und Wirken in der DDR

1946 übersiedelte Lotte Pulewka in die SBZ nach Potsdam, in der sie als Übersetzerin und Sachbearbeiterin beim Provinzialverband der KPD Brandenburg tätig war. Im Anschluss an diese Tätigkeit arbeitete sie bei der brandenburgischen Landesleitung der KPD in der Abteilung Agitation und Propaganda bis sie nach der Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED 1946 bei der Potsdamer Bezirksleitung der Partei als Bibliothekarin eingesetzt wurde. 1958 wurde sie Mitglied der Bezirksleitung der Jung-Pionierorganisation Ernst Thälmann in Potsdam. Im Rahmen diverser Veranstaltungen für Jungpioniere, Angehörige der FDJ und NVA stellte sie als Zeitzeugin immer wieder die Geschehnisse der Novemberrevolution, der Befreiung Piecks und des Lebens in der Sowjetunion dar.

Lotte Pulewka verstarb am 6. November 1966. Ihre Urne wurde im Ehrenhain für verdiente Sozialisten auf dem Neuen Friedhof in Potsdam beigesetzt.

Ehrungen

Pulewka war Trägerin folgender Auszeichnungen:[1]

In den brandenburgischen Gemeinden Geltow (1967) und Cottbus (1970) wurden zwei Kinderheime sowie in Potsdam (1976) die 41. Oberschule nach ihr benannt. Seit 1973 gibt es im damals neu entstandenen Potsdamer Stadtteil Zentrum-Ost eine Straße, die ihren Namen trägt.

Quellen

  • Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung bei der Kreisleitung der SED Potsdam in Verbindung mit dem Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR Bezirks- und Kreiskomitee Potsdam (Hrsg.): Mitgestalter der Geschichte. Wegbereiter unserer Zeit, biographische Skizzen, Potsdam, 1980.
  • Nachlass Lotte Pulewka (BArch N 2603) im Bundesarchiv

Einzelnachweise

  1. a b c Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung bei der Kreisleitung der SED Potsdam in Verbindung mit dem Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR Bezirks- und Kreiskomitee Potsdam (Hrsg.): Mitgestalter der Geschichte. Wegbereiter unserer Zeit, biographische Skizzen, Potsdam, 1980.
  2. Albrecht, Franz: Mit den Arbeitern von Schwartzkopff zum Schloßplatz, in: Märkische Volksstimme, 7. November 1968, S. 6.
  3. Pulewka, Lotte: Erinnerungen an Rosa Luxemburg, in: Märkische Volksstimme, 5. März 1961, S. 1.
  4. Albrecht, Franz: Wie Lotte Pulewka Konterrevolutionäre hinters Licht führte. Eine Schilderung aus schweren Tagen, in: Märkische Volksstimme, S. 3.
  5. Basikow, Heinz: Begegnung mit der "Putzfrau", in: Märkische Volksstimme, 3. Januar 1970, S. 3.
  6. Pochert, Gabriele: Das Leben und Wirken der Kommunistin und Pädagogin Lotte Pulewka, Humboldt-Universität Berlin, 1977.

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Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Zentralbild/E.Heilig

10.3.1961
Aus dem Leben der KPD
(1926) Immer schon war das Wohlergehen der Jugend eines der Hauptanliegen der KPD. In einem Ferienlager der Internationalen Arbeiter-Hilfe im Waldheim Stuttgart-Sillenbuch erholen sich Arbeiterkinder.

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