Literatur der Arbeitswelt

Mit Literatur der Arbeitswelt wird Literatur der 1960er und 70er Jahre der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet, in der Arbeits- und Sozialprobleme des kapitalistischen Systems stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden sollten.

1961 gründeten der Dortmunder Bibliotheksdirektor Fritz Hüser und der Gewerkschafter Walter Köpping die Gruppe 61. Die Gruppe setzte es sich zum Ziel, schriftstellerisch tätige Arbeiter auf der einen und Lektoren, Kritiker und Journalisten auf der anderen Seite zusammenzubringen und dem Fehlen der schriftstellerischen und künstlerischen Auseinandersetzung mit der Arbeit und ihren sozialen Problemen entgegenzuwirken. 1963 erschien, begleitet von Unternehmer-Protesten, der Roman Irrlicht und Feuer von Max von der Grün, der ein Mitbegründer der Gruppe und Grubenlokführer war.

Die Romane von Max von der Grün und Bruno Gluchowski trugen dazu bei, die Widersprüchlichkeit des kapitalistischen Systems zu offenbaren und mit dem Bild einer klassenindifferenten Wohlstandsgesellschaft zu brechen. Mitte der 60er Jahre bemühten sich Autoren wie Christian Geissler um eine detail- und wahrheitsgetreue Darstellung der hochindustrialisierten Arbeitswelt. Als Folge daraus entwickelte sich der von Günter Wallraff geprägte Ansatz, direkte soziale Erfahrung als Grundlage für Reportagen und andere dokumentarische Formen zu verwenden, der in der Folgezeit von Autoren wie Erika Runge und Friedrich Christian Delius angewandt wurde. "Werkkreise Literatur der Arbeitswelt" entstanden ab den 1960er Jahren in mehreren Städten der Bundesrepublik. 1970 wurde in Köln der Werkkreis Literatur der Arbeitswelt gegründet, der sich zur Aufgabe machte, die Literatur der Lohnabhängigen zu fördern, und veröffentlichte "Ein Baukran stürzt um. Berichte aus der Arbeitswelt", "Ihr aber tragt das Risiko" und "Realistisch schreiben".

Literatur

  • Gertrude Cepl-Kaufmann, Jasmin Grande (Hrsg.): Schreibwelten – Erschriebene Welten. Zum 50. Geburtstag der Dortmunder Gruppe 61. (= Schriften des Fritz-Hüser-Instituts für Literatur und Kultur der Arbeitswelt. 22). Klartext Verlag, Essen 2011, ISBN 978-3-8375-0487-3.
  • Walter Köpping: Wir fürchten nicht die Tiefe. Kunst und Kultur der Bergleute in Deutschland. Aisthesis Verlag, Bielefeld 2021, ISBN 978-3-8498-1551-6.
  • Fritz Hüser, Max von der Grün (Hrsg.): Aus der Welt der Arbeit. Almanach der Gruppe 61 und ihrer Gäste. 1966.
  • Dagmar Kift: Kumpel Anton, St. Barbara und die Beatles. Helden und andere Leitbilder im Ruhrrevier nach 1945. Ausstellungskatalog. Essen 2010.
  • Carsten Gansel, Burkhardt Wolf/ Dariya Manova/Gábor Palk: Literarische Produktion in der modernen Arbeitswelt. In: Handbuch Literatur & Ökonomie. Herausgegeben von Joseph Vogl und Burkhardt Wolf unter Mitarbeit von Alexander Mionskowski (=Handbücher zur kulturwissenschaftlichen Philologie). Berlin: de Gruyter 2019, S. 612–629.
  • Ute Gerhard, Hanneliese Palm (Hrsg.): Schreibarbeiten an den Rändern der Literatur. Die Dortmunder Gruppe 61. (= Schriften des Fritz-Hüser-Instituts für Literatur und Kultur der Arbeitswelt. 25). Klartext, Essen 2012, ISBN 978-3-8375-0661-7.
  • Rainer Noltenius: Das Ruhrgebiet. Zentrum der Literatur der Arbeitswelt seit 1960. 1997.

Weblinks

Siehe auch