Lange Straße (Rostock)

Blick in die Lange Straße vom Turm der Marienkirche aus. Dahinter die Unterwarnow.
Hochhaus an der Langen Straße im Stil eines backsteingotischen Giebelhauses, ein Wahrzeichen Rostocks (ehemals „Carl-Zeiss-Gebäude“ genannt[1])

Die Lange Straße in Rostock ist eine der beiden West-Ost-Verbindungen im historischen Stadtkern der Hansestadt. Sie führt von der Kröpeliner-Tor-Vorstadt zum Neuen Markt. Die zweite entsprechende Verbindung ist die südlicher gelegene Kröpeliner Straße.

Seit 1979 steht die Lange Straße als Gesamtanlage unter Denkmalschutz.

Geografische Lage

Die Lange Straße ist Teil des gitternetzförmigen Straßensystems der Rostocker Neustadt. Quer zu ihr münden die in Richtung zum Stadthafen an der Unterwarnow verlaufenden Straßen Himmelfahrtsstraße, Fischerstraße, Grapengießerstraße, Badstüberstraße, Schnickmannstraße, Wokrenterstraße und die Lagerstraße, die die Grenze zur Mittelstadt darstellt. Außerdem führten von der Langen Straße sieben Straßen zur Kröpeliner Straße in südlicher Richtung: die Baustraße, die Kuhstraße, die Apostel-, die Pädagogien- und die Breite Straße, ferner die Eselföterstraße und die Faule Grube.

Geschichte

Vor dem Zweiten Weltkrieg

Historisch hatte die Lange Straße im Gegensatz zu der heute aus Kröpeliner Straße, Hopfenmarkt und Blutstraße gebildeten südlicher gelegenen Verkehrsachse eher untergeordnete Bedeutung. Hier standen schlichte Zweckbauten, Buden und einfachere Giebelhäuser. Die Hochwertigkeit der Bebauung nahm allerdings in Richtung Osten zu. Bis zum Bau der Steintor-Vorstadt an der vorletzten Jahrhundertwende war sie die längste Straße Rostocks. Sehr viele Häuser in der Langen Straße wurden im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert im Stil des Historismus umgebaut, wie z. B. das Mecklenburgische Oberlandesgericht (Nummer 65) an der Ecke zur Badstüberstraße. Die historische Lange Straße wurde während des Vier-Nächte-Bombardements durch die Royal Air Force im Zweiten Weltkrieg vom 23. bis zum 27. April 1942 zum größten Teil vernichtet, lediglich im Abschnitt zwischen Schnickmann- und Wokrenterstraße blieben einige Gebäude stehen.

Wiederaufbau

(c) Bundesarchiv, Bild 183-45614-0001 / CC-BY-SA 3.0
Bauarbeiten 1957 (Südseite)

Konzept

Im Zuge des Wiederaufbaus der Innenstadt, der 1949 einsetzte, wollte die Staatsführung der DDR das Erscheinungsbild der Stadt als bedeutendstem Hafen der Republik durch eine prachtvolle, monumentale Magistrale unterstreichen. Sie sollte das neue, sozialistische Rostock symbolisieren. Am 30. Januar 1953 setzte Walter Ulbricht den Grundstein für die neue Hauptstraße, die dazu auch verlängert wurde: auf der östlichen Seite um die historische Schmiedestraße (zwischen Ecke Lagerstraße und Burgwall) und die Gasse Bei der Marienkirche (nördlich der Marienkirche zwischen Ecke Burgwall und Koßfelderstraße), auf der anderen Seite um die westlich anschließenden Straßenzüge Bussebart und Beim Grünen Tor. Weiter wurden die im Zweiten Weltkrieg erhalten gebliebenen drei von zehn Häusern auf der Nordseite des Neuen Marktes abgerissen, so dass die Lange Straße direkt mit dem Neuen Markt verbunden war. Von 1953 bis 1957 hieß sie Straße des Nationalen Aufbauwerks.

Bebauung

(c) Bundesarchiv, Bild 183-F0404-0036-001 / CC-BY-SA 3.0
Haus der Schiffahrt und Hotel Warnow, April 1967
Haus der Schiffahrt und Hotel Warnow auf einer Briefmarke der DDR von 1969

Zwischen 1950 und 1952 entstanden einzelne Neubauten wie das moderne (später umgestaltete) HO-Warenhaus an der Ecke Breite Straße, oder das in den 1960er Jahren wieder abgerissene Wasserstraßenhauptamt auf der Nordseite der Langen Straße. Wie die neuere Forschung herausgestellt hat, sollte die Magistrale im Ganzen nicht zunächst im Stil des sozialistischen Klassizismus projektiert werden. Die ab 1952 entwickelte Planung beinhaltete von Anfang an die Auflage, lokale „Rostocker“ Bautraditionen aufzugreifen. So wurde schließlich bei der Fassadengestaltung auf Zierelemente der norddeutschen Backsteingotik wie Rosetten, Staffelgiebel und Fialen zurückgegriffen. Spätere, in den 1960er Jahren errichtete Gebäude weisen weniger Fassadendetails auf, stehen in ihrer Materialität aber ebenfalls in der lokalen Bautradition. Am nachkriegsmodernen „Haus der Schiffahrt“ im Westen wurden beispielsweise die geschlossenen Wandflächen mit Backstein verkleidet.

Sowohl in ihrer Breite als auch in der Höhe ihrer Bebauung hob sich die neue Lange Straße von den mittelalterlichen Dimensionen ihres Umfeldes weit ab. Wegen ihrer geplanten Funktion als Aufmarschstraße war sie dreimal so breit wie das historische Original, in der Höhe übertraf sie nur die benachbarte Marienkirche nicht. Ihr höchstes Gebäude ist das mit einem kupfernen Dachreiter und Glockenstuhl bekrönte Haus an der Ecke Schnickmannstraße, das in der Silhouette der Stadt die im Krieg ausgebrannte, später eingestürzte und 1960 endgültig abgetragene Jakobikirche ersetzt. Wegen ihrer Breite und dem dadurch ermöglichten Verkehr stellt die Lange Straße bis heute einen Riegel zwischen der sogenannten Nördlichen Altstadt und der Stadtmitte dar.

Rostfarbene Stelen entlang der Langen Straße markieren die Positionen der nach Norden und Süden führenden Straßen im historischen Rostocker Straßennetz.

Verkehr

Seit dem Wiederaufbau vierspurig mit der Straßenbahn-Trasse in der Mitte. Aufnahme 1990

Um die Innenstadt vom Durchgangsverkehr zu entlasten, wurde 2003 der Neue Markt für den Kraftverkehr weitestgehend gesperrt und im August 2007 die Verbindungsstraße zur Straße Am Strande fertiggestellt. Dadurch hat das Verkehrsaufkommen in der Langen Straße stark abgenommen. Die Anzahl der Fahrstreifen wurde auf einen je Richtung verringert, Radfahrstreifen wurden angelegt, ein überqueren der Straße für Fußgänger erleichtert. Heute können Kraftfahrer in nördliche Richtung die Lange Straße über die Badstüberstraße und den Burgwall verlassen, nach Süden über die Pädagogienstraße und die Faule Grube.

1960 wurde die Straßenbahn von der engen Kröpeliner Straße in die Lange Straße verlegt. Sie hat dort heute zwei Haltestellen: Kröpeliner Tor, am westlichen Ende und Lange Straße, etwa in der Mitte. Die nächstfolgende Haltestelle liegt dann bereits auf dem Neuen Markt. Diese Straßenbahnstrecke durch die Lange Straße ist Teil des Rostocker Straßenbahnrings um die Innenstadt und wird von den Linien 1, 4, 5 und 6 befahren.

2021 wurde die Lange Straße als Fahrradstraße eingerichtet.

Siehe auch

  • Die Karl-Marx-Allee in Berlin galt als Leitbild und ist ein städtebaulich vergleichbares Projekt aus der Frühzeit des DDR-„Wiederaufbaus“ nach dem Krieg.

Literatur

  • Ernst Münch, Ralf Mulsow: Das alte Rostock und seine Straßen. Verlag Redieck & Schade, Rostock 2006, ISBN 3-934116-57-4.
  • Johannes Köllner: Magistrale. Eine Geschichte der Langen Straße in Rostock. Ed. Temmen, Bremen 1997, ISBN 3-86108-712-X.
  • Christian Klusemann: Hermann Henselmann und die ,erste sozialistische Straße‘ in Rostock, in: Tino Mager, Bianka Trötschel-Daniels (Hrsg.): Rationelle Visionen – Raumproduktion in der DDR (Forschungen zum baukulturellen Erbe der DDR, Band 8). Bauhaus Universitätsverlag, Weimar 2019, ISBN 978-3-95773-251-4, S. 30–41.
  • Heinrich Trost (Hrsg.); Gerd Baier u. a. (Bearb.): Die Bau- und Kunstdenkmale in der mecklenburgischen Küstenregion. Henschel, Berlin 1990, ISBN 3-362-00523-3, S. 346ff.
  • Jörg Kirchner: Die Lange Straße in Rostock (1953–58). Heimatschutzstil als eine Quelle der frühen DDR-Architektur. In: ICOMOS – Hefte des Deutschen Nationalkomitees. Bd. 58, 2013, S. 66–69.
  • Christian Klusemann: Nationale Tradition zwischen Theorie und Praxis. Die Wettbewerbe in den Aufbaustädten Magdeburg und Rostock von 1952, in: Andreas Butter, Sigrid Hofer (Hrsg.): Blick zurück nach vorn – Architektur und Stadtplanung in der DDR, Schriftenreihe des Arbeitskreises Kunst in der DDR. Band 3, Marburg (Online-Publikation) 2017, S. 104–127.

Weblinks

Commons: Lange Straße – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Luftbilder

Einzelnachweise

  1. Deutsche Fotothek: Carl-Zeiss-Gebäude

Koordinaten: 54° 5′ 24″ N, 12° 8′ 5″ O

Auf dieser Seite verwendete Medien

Stamps of Germany (DDR) 1969, MiNr 1495.jpg
Diese Briefmarke wurde von der Deutschen Post der DDR oder der sowjetischen Besatzungszone herausgegeben. Am 3. Oktober 1990 wurde die Deutsche Bundespost Rechtsnachfolgerin. Als amtliches Werk ist sie nach § 5 Abs. 1 des deutschen Urheberrechtsgesetzes gemeinfrei.
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Rostock, Hotel "Warnow", Haus der Schiffahrt Zentralbild Lehmann Th-Tie 4.4.1967 Rostock: Das Hotel "Warnow" erwartet zur Jubiläums-Ostseewoche 1967 die ersten Gäste. Der moderne Hotelkomplex verfügt über 342 Zimmer mit 558 Betten. In den dazugehörigen Restaurants und Bars ist Platz für rund 700 Gäste. 370 Kellner, Köche, Hostessen und Lehrlinge betreuen die Gäste. (Panorama 2 Teile)
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Lange Straße Rostock von St. Marien aus gesehen
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Rostock Städtischer Nahverkehr SL 11 (Gotha-Tw 786) Lange Strasse / Kuhstrasse am 1. Juli 1990. - Seit 20. Mai 1961 fahren die Strassenbahnen durch die Lange Strasse. Diese Strasse, im Mittelalter die längste Strasse der Stadt, lag nach dem Krieg in Ruinen. Beim Wiederaufbau in den Jahren 1953 bis 1958 errichtete man völlig neue Gebäude, die durch gotische Stilelemente an die Bautradition der hanseatischen Städte anknüpfen.
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Lange Straße in Rostock, Deutschland
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Rostock, Lange Straße, HO-Warenhaus Zentralbild Löwe 15.5.1957 Vei-Noa- Das größte HO-Warenhaus der DDR entsteht in Rostock. Für 12,7 Millionen DM wird in der Hafenstadt Rostock das größte HO-Warenhaus unserer Republik mit einer Verkaufsfläche von 6.000 Quadratmetern gebaut. UBz: Das fertiggestellte Hauptgebäude des HO-Warenhauses an der Langen Straße.