Laborjargon

Als Laborjargon [laˈborʒarˌgɔ̃] wird eine nicht standardisierte Sprachvarietät oder ein nicht standardisierter Wortschatz bezeichnet, der im Labor, dem Arbeitsplatz im Bereich der Naturwissenschaften, von Mitarbeitern informell verwendet wird.

Hierbei werden oft Abkürzungen oder vereinfachende Ausdrücke benutzt, die wissenschaftlich teilweise nicht korrekt oder unvollständig sind. Der im Laborjargon Sprechende geht aber davon aus, dass der Angesprochene ihn dennoch versteht.

Scheidetrichter zum „Ausschütteln“:
1. Obere Phase
2. Untere Phase

Beispiele (aus der Chemie)

  • Mit „Abzug“, auch „Gasabzug“, „Dunstabzug“ oder „Digestorium“ genannt, ist ein Arbeitsplatz gemeint, der oben, hinten und seitlich abgeschlossen ist und auch mit einer in der Höhe und manchmal auch seitlich verstellbaren Frontscheibe völlig abgeschlossen werden kann, damit entstehende Dämpfe und Gase nicht in den Arbeitsraum gelangen, sondern schnell mithilfe einer Absaugeinrichtung abgesaugt werden. z. B. „Geh’ damit unter den Abzug!“; „Das stinkt! Geh’ in den Abzug damit!“
  • Das Durchführen von chemischen Reaktionen wird oft als „Kochen“ bezeichnet, obwohl in vielen Fällen gar nicht erhitzt, sondern teilweise sogar gekühlt wird. In chemischen Praktika sprechen Studierende und Auszubildende oft von „Präparate kochen“, z. B. „Heute koche ich p-Bromphenol.“
  • Festkörperreaktionen bei hohen Temperaturen heißen dagegen oft „Braten“, z. B. „Ich brate mir einen Spinell.“
  • Das Erhitzen über der Flamme eines Bunsenbrenners wird „Anheizen“ genannt.
  • Ebenfalls nennt man das Erwärmen auf eine gewünschte (Ziel-)Temperatur „Anheizen“, die zum Erreichen der gewünschten Temperatur notwendige Zeit allerdings „Heizzeit“.
  • „Abrotieren“ bzw. „Einrotieren“ bezeichnet das Destillieren eines Lösungsmittels unter Verwendung eines Rotationsverdampfers.
  • „Überkotzen“ bezeichnet einen Siedeverzug, der bei Vakuumdestillationen plötzlich auftreten kann und dafür sorgt, dass der Inhalt des Destillierkolbens unkontrolliert in das Vorlagengefäß überschießt. Dies passiert häufig beim „Einrotieren“.
  • „Abnutschen“ oder „Absaugen“ meint eine Vakuumfiltration über einen Büchnertrichter (Nutsche) oder eine Glasfilterfritte.
  • „Ausschütteln“ ist der gängige Laborjargon für eine Flüssig-Flüssig-Extraktion mithilfe eines Scheidetrichters.
  • „Ausethern“ meint das Ausschütteln (siehe Eintrag darüber) mit einem Ether, häufig Diethylether
  • Wird ein Reagenzglas „geschüttelt“, so wird es nicht etwa wie ein Cocktail-Shaker (mit einem Stopfen oder dem Daumen) verschlossen geschüttelt oder freihändig durch die Luft geschüttelt, sondern mit Daumen und Zeigefinger (oder einer Reagenzglasklemme) gehalten und (Öffnung nicht gegen eine Person gerichtet) nacheinander mit Kleinem Finger, Ringfinger und Mittelfinger zart angestupst. Dies kann den Inhalt leicht vermischen ohne Feststoffe aufzuwirbeln, mitunter eine starke überschäumende Reaktion verhindern und vermeidet ein Verbrennen an einem erhitzten Glas.
  • „Schleudern“ ist Zentrifugieren mithilfe einer Laborzentrifuge.
  • „Muffeln“ ist das Erhitzen in einem Muffelofen.
  • Wenn es um Lösungsmittel geht, sind mit den einfachen Bezeichnungen „Alkohol“ und „Ether“ in der Regel konkret Ethanol bzw. Diethylether gemeint.
  • Im Bereich der Kohlenhydratchemie ist mit der Bezeichnung „Zucker“ meist ein sehr spezielles Kohlenhydratderivat gemeint und nicht die allgemeinsprachlich als Zucker bezeichnete Saccharose.
  • Setzt man Metalle unter Bildung von Salzen mit Säuren um, so handelt es sich nicht um einen Lösungsvorgang, sondern um eine chemische Reaktion. Dennoch wird – sachlich falsch – z. B. oft gesagt: „Das Zink hat sich vollständig in der Salzsäure gelöst“, womit eigentlich gemeint ist, dass sich das in Wasser unlösliche, metallische Zink zu Zink(II)-chlorid umgesetzt hat, welches in der wässrigen Salzsäure löslich ist.
  • Eine Substanz „quantitativ“ (von einem Behälter in einen anderen Behälter) zu übertragen, bedeutet, sie möglichst zu 100 % überzuführen.
  • Das Rührstäbchen eines Magnetrührers heißt auch „Knochen“ oder „Rührfisch“ bzw. „Magnetfisch“. Wenn der Magnetrührer zu schnell eingestellt ist und der Rührfisch wild durch das Gefäß schlägt, nennt man das Tanzen. Um den Rührfisch aus dem Gefäß zu holen, nutzt man einen meist mit Teflon ummantelten Magneten an der Spitze eines Stabes, eine Rührfischangel.
  • Die Schuld für ein unreproduzierbares Resultat wird gerne apologetisch dem katalytischen Dreck zugeschrieben, d. h. der zufälligen und nicht kontrollierbaren Anwesenheit einer katalytisch wirkenden Substanz.
  • Unter „Schlonz“, „Schlunz“, „Schmodder“ oder „Schlumel“ versteht man den unattraktiven Rückstand einer Destillation, manchmal auch ein misslungenes Syntheseprodukt oder eine sonst wie unreine Substanz.
  • Mit einem „Ionenbesen“ ist ein kleiner Gummiwischer gemeint, der dazu dient Niederschläge quantitativ (also vollständig und ohne Verluste) von einem Gefäß in ein anderes zu überführen.
  • Von Wasserspuren befreite Lösemittel heißen „trocken“, eine Bezeichnung für das Trocknen und Reinigen von Lösemitteln ist „Absolutierung“.
  • Die Benutzung unnötiger, teilweise fachlich falscher Vorsilben, wie in „aufkochen“ statt „kochen“ oder „abzentrifugieren“ statt „zentrifugieren“.
  • Die Nutzung des Diminutiv eines Gerätes wie „Roti“ (aber auch „Rota“) für einen Rotationsverdampfer oder „Lömi“ für Lösungsmittel.
  • „Chemisch riechen“ ist das Zufächeln des Geruchs aus einem Behälter zur Nase mit einem sinkenden Abstand, beginnend mit ca. 40 cm. Dadurch werden Verätzungen der Nasenschleimhaut vermieden.
  • Wird eine Apparatur „bestickt“, so flutet man sie mit Stickstoff, um mit luftempfindlichen Substanzen arbeiten zu können. Wird auch im Zusammenhang mit anderen Schutzgasen (z. B. Argon) verwendet. Manchmal muss hierfür zunächst „ausgeheizt“ werden, was das Entfernen von am Glas anhaftendem Wasser mit Hitze, üblicherweise unter vermindertem Druck, beschreibt.
  • Als „Refluxieren“ wird das zum Sieden Erhitzen unter Rückfluss (also unter Kondensation des Lösungsmitteldampfs im aufgesetzten Kühler und Zurücktropfen in den Kolben) bezeichnet.

Literatur

  • H. E. Ebel, C. Bliefert: Schreiben und Publizieren in den Naturwissenschaften. VCH Verlagsgesellschaft Weinheim 1990, 5. Auflage, S. 22 und 575, ISBN 3-527-30802-4, (Eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)

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