Lübecker Gründungsviertel

Orange hervorgehoben: Das Gebiet des Lübecker Gründungsviertels. Darin grün umrandet: Der Bereich der 2009 begonnenen städtebaulichen Neugestaltung

Das Lübecker Gründungsviertel (auch Gründerviertel genannt) ist ein etwa 10.000 Quadratmeter großes Areal in der Lübecker Altstadt. Es ist eines der ältesten Bebauungsgebiete der Hansestadt Lübeck. Nach seiner weitgehenden Zerstörung im Jahr 1942 wird es nach historischen Vorgaben neu errichtet.

Lage

Das Gründungsviertel liegt im Stadtteil Innenstadt, im westlichen Gebiet der Lübecker Altstadtinsel. Es befindet sich zwischen der Kirche St. Marien zu Lübeck und dem Uferbereich der Trave. Durchzogen wird das Gründungsviertel von der Alfstraße, Braunstraße, Fischstraße und der Mengstraße. Des Weiteren befinden sich im Gründungsviertel die Gerade Querstraße zwischen Alf- und Mengstraße, die Einhäuschen Querstraße zwischen Braun- und Fischstraße und die Neue Querstraße.

Die Benennung dieses Gebiets mit der Bezeichnung Gründerviertel oder Gründungsviertel ist relativ jung; in der Literatur lässt sich der Begriff erst 1948 nachweisen, also zu einem Zeitpunkt, als die gewachsene historische Bebauung schon nicht mehr existierte.

Geschichte

Das Lübecker Gründungsviertel gehört zu den ältesten Siedlungsgebieten Lübecks. In Folge des Luftangriffs vom 29. März 1942 wurden zahlreiche historische Gebäude des Viertels zerstört. In der Nachkriegszeit wurden von 1955 bis 1961 zwei berufsbildende Schulen in dem Gebiet errichtet. Außerdem wurden einige Straßenzüge verändert; so wurde die begradigte Krumme Querstraße als Verlängerung der Geraden Querstraße zugeschlagen.[1]

Ab den 1990er Jahren wurden Pläne für eine „Stadtreparatur“ bezüglich des Gründungsviertels gemacht. Mit Unterstützung der UNESCO wurde ein Abriss der Schulen und eine Bebauung entsprechend den historischen Grundstücksparzellen beschlossen. Die künftigen Neubauten sollen sich den historischen Gebäuden der Lübecker Altstadt anpassen. 2009 wurde mit dem Abriss der Schulen begonnen.[1]

Bei den archäologischen Ausgrabungen in den Jahren von 2009 bis 2015 wurden Funde gemacht, die auf eine frühe Bebauung um das Jahr 1180 deuten. Es wurden mehr als 40 Holzkeller in Schwellen-Ständer-Bauweise freigelegt, die vermutlich Bestandteile der ersten Lagerhäuser der Stadt waren.[2] Zudem wurden Backsteinfragmente gefunden, die vom Bau der ersten Backsteinhäuser in Lübeck stammten. Des Weiteren konnten Schmuckstücke, Münzen und diverse Alltagsgegenstände geborgen werden. Für die Ausgrabungen wurden 9 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die archäologisch untersuchte Fläche erstreckt sich auf ca. 9.000 Quadratmeter.[3]

An dem Architekturwettbewerb für die 38[1] unterschiedlich großen Grundstücke beteiligten sich über 130 Architekten aus ganz Europa. Für das neu bebaute Gebiet sind unterschiedliche Nutzungen vorgesehen, beispielsweise die Bereiche Wohnen, Läden, Büros und Gastronomie. Die Fertigstellung sollte den ursprünglichen Planungen gemäß bis 2020 erfolgen[4], wird jedoch länger dauern.

Fertiggestellte Gebäude des neuerrichteten Gründungsviertels

HausnummerBildArchitektJahr der FertigstellungBesonderheiten und Anmerkungen
Alfstraße 13
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Steffen Soltau / Ulrich Schünemann, Lübeck2019
Alfstraße 15
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Steffen Soltau / Ulrich Schünemann, Lübeck2019
Alfstraße 17
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Tobias Mißfeldt / Hauke Kraß, Lübeck2019
Alfstraße 19
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Rolf Zeschke, Lübeck2019
Alfstraße 21
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Stefan Mäder, Ratekau2021
Alfstraße 23
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Weißert2021
Alfstraße 25Alexander Thomass, Neuenhagen bei Berlin2022
Alfstraße 27
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Reinhard Gebauer, Lübeck2018Das Gebäude wurde im Juli 2018 als erstes Haus des neugestalteten Gründungsviertels fertiggestellt.
Braunstraße 14
WP Braunstraße 14 - 2022-02-14.jpg
Ingo Siegmund, Lübeck2021Das Haus Braunstraße 14 stellt einen Sonderfall dar: Es handelt sich um das einzige Gebäude im wiedererrichteten Gründungsviertel, bei dem die Hansestadt Lübeck selber als Bauherrin auftritt. Ursache hierfür sind die speziellen Gegebenheiten an dieser Stelle: Auf dem Grundstück befand sich die Hausmeisterwohnung der 1961 errichteten Dorothea-Schlözer-Schule, die ursprünglich 2010 wie der gesamte übrige Schulkomplex beseitigt werden sollte, um Platz für einen völligen Neubau zu schaffen. Baustatische Voruntersuchungen ergaben jedoch, dass das angrenzende historische Giebelhaus Nr. 12 Schaden nehmen oder sogar einstürzen könnte, wenn die Abstützung durch das Nachbarhaus fortfiel. Verhindern ließ sich das nur, wenn das Bestandsgebäude nicht wie geplant vollständig abgerissen, sondern nur bis auf die absolut erforderliche statische Grundstruktur als Grundlage für einen Neubau entkernt wurde. Aufgrund dieser aufwendigen Vorgaben fand sich kein Interessent für das Grundstück, so dass die Stadt Lübeck schließlich selber die Parzelle übernahm und in Eigenregie den Neubau errichten ließ.

Im Eingang des Hauses ist eine historische Spolie eingelassen, die einen Wappenschild mit heraldisch nach links oben weisender Pfeilspitze darstellt. Es ist bislang nicht möglich gewesen, dieses Wappen einer Lübecker Familie zuzuordnen.

Braunstraße 18
WP Braunstraße 18 - 2022-02-14.jpg
Hinz2021Die Fassade ist an das Aussehen des Gebäudes angelehnt, das sich bis 1942 an dieser Stelle befand.
Braunstraße 22
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Ziebell + Partner, Lübeck2019
Braunstraße 24
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Thomas Stricker, Hannover2019
Braunstraße 26
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Thomas Stricker, Hannover2019
Braunstraße 28
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Thomas Stricker, Hannover2019
Fischstraße 5
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Riemann Gesellschaft von Architekten, Lübeck2019
Fischstraße 7–9
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Riemann Gesellschaft von Architekten, Lübeck2019Fischstraße 7–9 bis zum Luftangriff auf Lübeck am 29. März 1942
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Fischstraße 11
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Heske Hochgürtel Lohse, Lübeck2022
Fischstraße 13
WP Fischstraße 13 2021-11-13.jpg
Haake-Kadoke, Lübeck2021
Fischstraße 16
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Anne Hangebruch / Mark Ammann, Zürich2020
Fischstraße 17
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Schröder-Berkentien + Spilker, Lübeck2019Die klassizistische Fassade ist eine Rekonstruktion des Gebäudes, das sich bis 1942 an dieser Stelle befand.
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Fischstraße 18
WP Fischstraße 18 2022-02-14.jpg
Henrik Becker, Hamburg2021
Fischstraße 19
WP Fischstraße 19 2022-02-07.jpg
Sigrid Meyer / Rainer Steffens, Lübeck2021Die Fassade zitiert das Erscheinungsbild des ursprünglich an dieser Stelle befindlichen Hauses, das 1942 bis auf den gotischen Giebel zerstört wurde. Die historische Fassade wurde 1955 in veränderter Form dem neuerrichteten Haus Mengstraße 6 vorgesetzt.
Fischstraße 20
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Matthias Homann, Lübeck2022
Fischstraße 21
WP Fischstraße 21 2022-02-07.jpg
Helge Tischler, Hamburg2021
Fischstraße 22
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Klaus Mai und Uwe Ellinghaus, Lübeck2021
Fischstraße 24
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Sigrid Meyer / Rainer Steffens, Lübeck2021Die Fassade ist dem Aussehen des Gebäudes nachempfunden, das sich bis 1942 an dieser Stelle befand.
Fischstraße 28Michael Dahm DNA, Hamburg2021
Fischstraße 28a
WP Fischstraße 28a 2022-04-08.jpg
Helge Tischler, Hamburg2022Der markant gestaltete Hauseingang ist das Ergebnis einer Vorgabe der Stadt Lübeck: Speziell für dieses Grundstück war zur Bedingung gemacht worden, dass die Gestaltung der Fassade an die einstige Krumme Querstraße erinnern musste, die dort ursprünglich in die Fischstraße einmündete. Bei dem umgesetzten Entwurf geschieht dies durch die auffällige Bogenkonstruktion, die sich genau an der Stelle der früheren Straßeneinmündung befindet.
Gerade Querstraße 3
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Mai Ellinghaus, Lübeck2020

Bilder

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Informationen zum Gründungsviertel bei gruendungsviertel.de (PDF; 4,6 MB), abgerufen am 23. März 2018
  2. Artikel bezüglich des Gründungsviertels. Website der Lübecker Nachrichten. Aufgerufen am 25. Februar 2018.
  3. Informationsseite über das Lübecker Gründungsviertel Website der Hansestadt Lübeck. Aufgerufen am 24. Februar 2018.
  4. Allgemeine Informationen bezüglich des Projekts Offizielle Website des Projekts Gründungsviertel. Aufgerufen am 25. Februar 2018.

Koordinaten: 53° 52′ 3,4″ N, 10° 40′ 56,4″ O

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Autor/Urheber: © OpenStreetMap-Mitwirkende (Karte); Der Bischof mit der E-Gitarre (Nachbearbeitung), Lizenz: CC BY-SA 4.0
Das Lübecker Gründungsviertel (orange hervorgehoben) auf einer OpenStreetMap-Karte der Lübecker Altstadt; grün umrandet der Bereich der 2009 begonnenen städtebaulichen Neugestaltung
WP Braunstraße 14.jpg
(c) Der Bischof mit der E-Gitarre, CC BY-SA 3.0 de
Das Gebäude Braunstraße 14 in Lübeck; errichtet 1961, 2019 bis auf die statische Grundstruktur beseitigt
2013 excavations Hanseschule Lübeck048.JPG
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2013 excavations Hanseschule Lübeck
Bundesarchiv Bild 146-1980-121-20, Zerstörtes Lübeck.jpg
(c) Bundesarchiv, Bild 146-1980-121-20 / Appel, E. / CC-BY-SA 3.0
Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Lübeck
Zerstörte Alfstrasse
HL Damals – Fischstraße.jpg
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unb.

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Das Geburtshaus Emanuel Geibels in der Fischstraße Nr. 25 zu Lübeck (1909). Im Bilde zweites Haus von rechts nach links.

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(c) Der Bischof mit der E-Gitarre, CC BY-SA 3.0 de
de:Lübecker Gründungsviertel, Neubauten in der de:Alfstraße (Nr. 13-19)
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Die Neubauten Fischstraße 5 und 7-9 im Lübecker Gründungsviertel
WP Fischstraße 7-9.jpg
Das im 18. Jahrhundert erbaute Haus Fischstraße 7-9 in Lübeck, zerstört 1942
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(c) Der Bischof mit der E-Gitarre, CC BY-SA 3.0 de
Neubauten in der Braunstraße (Nr. 28-22) im Lübecker Gründungsviertel
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Das heutige Lübecker Haus Mengstraße 6 an seinem ursprünglichen Standort in der Fischstraße 19.

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Das Haus Fischstraße 17 in Lübeck; zerstört 1942

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(c) Der Bischof mit der E-Gitarre, CC BY-SA 3.0 de
Überblick über das Lübecker Gründungsviertel von der Einhäuschen Querstraße aus