Kunstreiten

Eine Frau scheint lächelnd im Spagat neben einem Pferd in vollem Galopp zu schweben. Bei genauem Hinsehen sieht man, dass sie sich mit einem Arm am Sattel festhält und die ausgestreckten Beine (eines nach hinten, eines nach vorne) in speziellen Steigbügeln stecken.
Eine Kunstreiterin bei einer Cavalluna Show, München, 2023
Mr. Price, London, um 1762
Tscherkessische Reitkunst in Transjordanien, 1921
Kunstreiterin Caroline Loyo 1851 in Niblo’s Theatre
Ungarische Post mit vier Pferden, Mistinguett, Paris, 1931
(c) Bundesarchiv, Bild 183-L1112-0009 / CC-BY-SA 3.0
Gojko Mitic, Zirkus Busch, Berlin, 1972

Kunstreiten (auch Stuntreiten,Trickreiten) umfasst akrobatische Übungen auf dem Pferderücken. Während das Pferd beim Voltigieren longiert wird, läuft es beim Kunstreiten in allen Gangarten frei.

Übungen und Ausrüstung

Zu den typischen Kunststücken gehören das Aufspringen, Stehen, Ungarische Post,[1] unter dem Bauch der Pferdes durch turnen, Schulterhang oder Kosakenhang im schnellen Galopp.

Tricksättel sehen je nach Schule unterschiedlich aus. Amerikanische Tricksättel sehen Westernsätteln sehr ähnlich. Die ursprünglichen Kosaken-Tricksättel und die französischen Tricksättel haben drei Bauchgurte.[2] Statt der Sitzfläche gibt es Polster zum Stehen und verschiedene Griffe vorne und hinten, um sich bei den Tricks festhalten oder einhaken zu können. Auch die Steigbügel können festgehakt werden, damit sie nicht lose herumbaumeln. Der Sattel darf nicht rutschen und wird dazu meist mit einem Vorderzeug stabilisiert.[1]

Geschichte

Kavallerie

Der Ursprung des Voltigierens und des Kunstreitens liegt in der Kavallerie. Ziel der Übungen war es dabei Gleichgewicht, Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer der Soldaten zu schulen.[3] Johann Georg Pasch schrieb 1661 eine Kurtze iedoch gründliche Beschreibung Des Voltesirens So wohl auf dem Pferde als über den Tisch.[4] Die Dschigiten waren eine historische russische Truppengattung aus dem Kaukasus und zeichneten sich durch große Gewandtheit in der Beherrschung des Pferdes, in Ausdauer, Kühnheit und Geschicklichkeit während des Kampfes aus.[5] Das Ziel der Dschigitowka genannten Reitweise der Kosaken war laut Artikel 205 der Kosaken-Dienstvorschrift von 1899 Mut und Beweglichkeit der Kosaken zu entwickeln. In Artikel 209 wird die Dschigitowka in Pflichtübung mit Waffen und Sattel und freie Übung ohne Waffen oder Sattel unterteilt.[6]

Kunstreiten

Das Kunstreiten entwickelte sich zum Ende des 18. Jahrhunderts aus dem Voltigieren. Ein Jahrhundert später war es nicht mehr nur Bestandteil der militärischen Ausbildung.[3]

Der Kunstreiter Thomas Hammond aus dem 18. Jahrhundert beschreibt Kunstreiter-Auftritte in mehreren europäischen Ländern.[7] Einige Kunststücke des berühmten Kunstreiters Mr. Price, sind auf dem unten gezeigten alten Stich abgebildet. Die Bildunterschriften der abgebildeten Kunststücke lauten im Uhrzeigersinn von links oben:

  • In vollem Tempo zwischen 2 Pferden, nur auf seinen Armen reitend.
  • Auf 2 Pferden stehend, mit einem Fuß auf jedem Sattel, in voller Geschwindigkeit über ein Hindernis springen.
  • In voller Geschwindigkeit auf 2 Pferden hochspringen.
  • Auf dem Kopf stehend eine Pistole in vollem Tempo abfeuern.
  • Rückwärts auf dem Sattel stehend, bei voller Geschwindigkeit.
  • Bei vollem Tempo quer über 3 Pferde liegen.
  • Mit einem Bein auf dem Sattel stehend in vollem Tempo.
  • Eine Peitsche in vollem Tempo vom Boden aufheben.[8]

1920 war Kunstreiten, auch Figurenreiten genannt, bei den Olympischen Spielen in Antwerpen vertreten. Es traten Kavalleristen aus verschiedenen Ländern gegeneinander an. In Einzel- und Mannschaftswettkämpfen wurden Sprünge auf gesattelten und ungesattelten Pferden sowie in allen Gangarten ausgeführt. Jeweils drei Mann waren in einer Gruppe vertreten. Im Einzel gewann der Belgier Jos Bouckaert die Goldmedaille vor zwei Franzosen. Auch den Mannschaftswettbewerb gewann Belgien vor Frankreich und Schweden.[9][10]

Zirkus und Unterhaltungskultur

Die Kunst- und Schulreiterinnen im Zirkus des 19. Jahrhunderts waren Berühmtheiten, die mit heutigen zu vergleichen sind. Artistinnen wie Caroline Loyo, Adah Menken, Therese Renz oder Annie Oakley begeisterten ihr Publikum, verdienten hohe Gagen, reisten um die Welt. Der amerikanische Kunstreiter Omar Kingsley trat um 1850 jahrelang als Miss Ella auf, um vom Ruhm der großen Kunstreiterinnen zu profitieren.[11]

Die Darbietungen von Hippodramen bei Philip Astley in London oder die Reiterkunststücke im Circus gymnasticus in Wien gehörten zum festen Bestandteil der europäischen Unterhaltungskultur.

Stuntreiten

Ken Maynard mit Tarzan (1936)

Mit Stuntreiten werden Trickreiten und Pferdestunts bezeichnet. Zu dem Pferdestunts gehören neben den oben erwähnten Übungen beispielsweise auch simulierter Ungehorsam des Pferdes, Mitschleifen lassen, Stürze vom Pferd und Stürze des Pferdes.

Pferdstunts wurden in vielen Filmen gezeigt, beispielsweise im Hollywood-Stummfilm The Calgary Stampede von 1925 mit Hoot Gibson und im Kultfilm Ben Hur. Florence LaDue (1883–1951) war eine bekannte Rodeoreiterin, Earl Bascom, Ken Maynard und Gattlin Griffith erfolgreiche Stuntreiter.

In den DEFA-Indianerfilmen Winnetou 1. Teil (1963), Old Shatterhand (1964), Unter Geiern (1964), Winnetou 2. Teil(1964), Winnetou 3. Teil(1965), Die Söhne der großen Bärin (1966), Chingachgook, die große Schlange (1967), Spur des Falken (1968), Weiße Wölfe (1969), Tödlicher Irrtum (1970), Osceola (1971), Tecumseh (1972), Apachen (1973), Ulzana (1974), Blutsbrüder (1975) und Severino (1978) führte Gojko Mitić wohl wirklich alle Stunts selbst aus, und verlieh der Darstellung seiner Heldengestalt dadurch ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit.

In dem US-amerikanischem Biopic Laufen. Reiten. Rodeo. aus dem Jahr 2019 agierte die Barrel-Racerin Amberley Snyder als ihr eigenes Stuntdouble für alle Reitsequenzen nach dem Unfall, durch den sie querschnittgelähmt wurde.

Pferdeshows

Pferdeshows werden bei zahlreichen Pferdeveranstaltungen wie der Equitana, Hengstparaden, Rodeos, Mittelalterfesten oder der Académie du spectacle équestre aufgeführt.

Einzelnachweise

  1. a b Stuntreiten ausprobiert, Cathrin Flößer, Cavallo, 26. Februar 2021
  2. Trickreiten – wie geht das? Interview mit Lisa und Viktor Kirka auf barnboox.de
  3. a b Ulrike Rieder: Ein Blick in die Geschichte des Voltigiersports. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. August 2011; abgerufen am 14. Oktober 2010.
  4. Johann Georg Pasch: Kurtze iedoch gründliche Beschreibung Des Voltesirens. Halle (Saale), 1660. (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv)
  5. Dschigit, auf Brockhaus-Efron, 1893 (russisch)
  6. Kosaken-Dienstvorschrift von 1899 (russisch)
  7. Thomas Hammond: Memoirs on the Life and Travels of Thomas Hammond, 1748-1775. Hrsg.: George E. Boulukos. University of Virginia Press, Charlottesville 2017, ISBN 978-0-8139-3968-1 (englisch).
  8. English School: The surprising performance of Mr Price. In: Meisterdrucke. Abgerufen am 20. Mai 2024 (englisch).
  9. EQUESTRIAN VAULTING RESULTS, ANTWERP 1920, auf www.olympics.com (englisch). Abgerufen am 9. August 2023.
  10. Ulrike Rieder, B. Dommnich: Einmal und nie wieder – Voltigieren war 1920 bei Olympia dabei! Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 14. Oktober 2010.@1@2Vorlage:Toter Link/www.voltigierseiten.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  11. Stephanie Haerdle, Keine Angst haben, das ist unser Beruf! Kunstreiterinnen, Dompteusen und andere Zirkusartistinnen, Berlin 2007, ISBN 978-3-932338-29-8, S. 50–56

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Caroline Loyo 1851.PNG
Holzschnitt "Madam Loyo at Niblo's Theatre." published in Gleason's Pictorial, an illustrated Boston newspaper, in May of 1851.
Equestrian heritage, Kazakhstan.JPEG
A Kazakhstan performer demonstrate the long equestrian heritage as part of the gala concert during the opening ceremonies of Central Asian Pescekeeping Battalion (CENTRASBAT) 2000, Almaty, Kazakhstan, Wednesday 13 September 2000.
Representative riders of every class and country, poster for Forepaugh & Sells Brothers, 1900.jpg
Promotional poster showing thirteen performers in various costumes on horseback for Forepaugh & Sells Brothers circus. Text reads: "The Adam Forepaugh & Sells Brothers. America's greatest shows consolidated. Representative riders of every class and country. A revelation of radiant talent."
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An engraving from around 1762 of Mr. Price's trick riding.
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Publicité pour la revue Paris qui brille au Casino de Paris, par Louis Gaudin dit Zig. Le personnage est Mistinguett.
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Ken Maynard with his horse, Tarzan, in Van Nuys
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Sir Herbert Samuel's second visit to Transjordan, etc. Circassian horsemanship
Trick horse riding at the Cavalluna horse show 03.jpg
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Trick horse riding at the Cavalluna horse show in Munich 2023
Wenche Arnardo (1944 - 1998) (21113733445).jpg
Autor/Urheber: Municipal Archives of Trondheim from Trondheim, Norway, Lizenz: CC BY 2.0

Format: Fotopositiv Dato / Date: 15 August 1962 Fotograf / Photographer: Ukjent Sted / Place: Dalsenget, Trondheim

Wikipedia: Cirkus Arnardo

Nasjonalbiblioteket: Arnardo - Sirkusliv (Oslo 1973)

Nasjonalbiblioteket: Jor & Jørgensen - I livets manesje (Oslo 1998)

Eier / Owner Institution: Trondheim byarkiv, The Municipal Archives of Trondheim Arkivreferanse / Archive reference: TOR.h49.b04.F28899

Merknad: På fotografiet ser vi den 18-årige sirkusprinsessen Wenche Arnardo avbildet i Trondheim sammen med sin da 15 år gamle hest ved navn "Boy". Wenche begynte å opptre som sirkusartist allerede som treåring sammen med sin far Arne Arnardo (1912 - 1995) og var i mange år fram til 1986 Cirkus Arnardos administrerende direktør. Hennes bror Arild Arnardo (f. 1942) overtok som administrerende direktør i 1987.


Adresseavisen torsdag 9. august 1962 s. 3:

CIRKUS ARNARDO I BYEN

Cirkus Arnardo hadde premiereforestilling på Dalsenget i går kveld, og en rund og smilende utenlandsk nyforlovet direktør Arnardo, denne sesong i korrekt sort jakett med gråstripete benklær og grå flosshatt, preget forestillingen i en rekke roller, fra orientalsk illusjonsakt med smukk dame og hjemlige piasavakoster, til kortkunster og publikumsforvirring og til og med som hestedressør herr Bruun. Unge frøken Wenche Arnardo er søt som spansk skolerytterske.

To nummer skiller seg ut: Den meget sobre og gjennomførte presise vippebrettruppen "De 7 Asgard", i god tradisjon uti cirkusstil og med smakfulle antrekk. Det vanskelige og rikt varierte nummer ble gjennomført prikkfritt og med en sympatisk eleganse som det var en fryd å følge. Helt i toppklasse var også den spanske kraftatlet "Tonisko", som kunne gjennomføre sitt voldsomme program under beherskelse - og som avslutter sin opptreden med en virkelig overraskende knalleffekt.

Australieren "Acron" løfter en fullvoksen fullblodshest med flyttemannskrok opp en stige og imponerer også på annen måte med sine styrkeprøver. "Ali Ben Ahmed" har et navn som minner om algirske fraksjonsledere, men er en slank arabergutt som slår både forlengs og baklengs salto på stram line. Han fikk ikke fullklaff på premieren. Men den dagen han blir helt stø i sitt program, blir han et fint nummer.

Da var det andre balansenummeret "2 Simet", et ungt artistpar direkte importert fra Ungarn, mer fortrolig med sitt program som ble gjennomført med største sikkerhet og eleganse. Hundefotball er alltid underholdende, og "Lille Tom", årets nye manesjeaugust, var et ganske muntert innslag.

To ting er uunnværlige i cirkus: Elefanter og klovner. Klovnene har vært det gjennom århundrer, elefantene synes ikke å være til å komme forbi i norsk cirkus lenger på grunn av restriksjonene mot andre ville dyr. Edith Freyers Elefantballett består av 5 søte små og villige elefanter med et effektfullt program i mange variasjoner. Den unge dame med elefantene er både sjarmerende og ubesværet i manesjen. Klovnene "Caly & Tolino" er spanske og meget musikalske, og med en litt ny melodi i sitt program. Barberakten bød på noen nye forfriskende detaljer.

Det er vel første gang på flere år at det har vært cirkusforestilling i brukbar sommertemperatur i Trondheim. Publikum tinte opp og mottok direktør Arnardos program i godt humør.


Adresseavisen torsdag 16. august 1962 s. 3:

Wenche sirkusdronning i Trondheim

I dag har vi Arnardos sirkus for siste gang i Trondheim i år, og det sier seg selv at flest mulig bør benytte anledningen til å se elefantene, hestene og alle de dyktige artistene. Undres på om ikke den dyktigste allikevel er Arnardos egen datter Wenche, som er 18 år og den rene sirkusdronning allerede. Vi knipset et bilde av henne i går da hun trenet den hvite araberen sin. Hesten var så føyelig som man skal være under en vakker, ung kvinnes fot, og Wenche drev spansk skoleritt i den store stilen som vi dessverre ser så sjelden her i landet. - Legg merke til smilehullene til Wenche, det er Arnardos!

Fra Trondheim reiser Arnardo videre til Namsos, Steinkjer og Levanger, deretter tar han antagelig kursen sydover mot Østlandet, hvor det kulminerer med première i Oslo.
Selle.JPG
selle de voltige, équitation, voltige cosaque
Bundesarchiv Bild 183-L1112-0009, Berlin, Zirkus Busch, Gojko Mitic.jpg
(c) Bundesarchiv, Bild 183-L1112-0009 / CC-BY-SA 3.0
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Berlin, Zirkus Busch, Gojko Mitic

ADN-ZB 12.11.72 Franke Berlin: Gala-Abend im Zirkus Busch zu Gunsten des Solidaritätskontos der X. Weltfestspiele Prominente von Bühne, Leinwand und Bildschirm stellten sich am 11.11.72 in der "Nacht der Prominenten", einer Koproduktion des VEB Zentralzirkus und des Fernsehens der DDR zugunsten des Solidaritätsfonds der X. Weltfestspiele, als Artisten vor. Sendetermin im Fernsehen der DDR ist der 25.12.72. - Riskante Tricks in einer Dshigitenreiterei zeigte Gojko Mitic. (Beachten Sie auch die Fotos Nr. L 1112-6,7, und 8N)

[Berlin, Zirkus Busch.- Gojko Mitic bei Akrobatik auf einem Pferd]

Abgebildete Personen:

Croix de la mort.JPG
voltige cosaque, équitation, croix de la mort