Kunstraub

Byzantinische Fresken, die nach der türkischen Invasion auf Zypern auf dem Kunstmarkt feilgeboten wurden (Foto: 2008)
Vase mit Pechnelken, von Vincent van Gogh, 2010 aus dem Mohamed Mahmoud Khalil Museum in Kairo gestohlen.

Als Kunstraub wird das Entwenden wertvoller Kunst- und Kulturgegenstände aus öffentlichen Sammlungen, Museen oder Galerien bezeichnet. Es handelt sich um ein historisch-empirisches Phänomen und rechtspolitisches Schlagwort, nicht aber um einen bestimmten Rechtsbegriff oder selbständigen Straftatbestand im internationalen oder nationalen Strafrecht.[1]

Der illegale Handel mit Kulturgut aus Raubgrabungen, zerstörerische Plünderungen von antiken Kultstätten und Kunstraub aus Kirchen, Museen und Sammlungen steht neben Geldwäsche, Korruption, Drogen-, Menschen- und illegalem Waffenhandel mittlerweile weltweit an oberster Stelle krimineller Aktivitäten.[2] Laut LKA-Bayern entstehen jährliche Schäden in Höhe von 5 Milliarden US-Dollar, der Bundesverband der Sachverständigen nennt eine Schadenssumme von 6 bis 8 Milliarden US-Dollar pro Jahr.[3][4]

In der Statistik des BKA wird die Zahl der in Deutschland polizeilich registrierten Diebstahls-Delikte im Bereich Antiquitäten, Kunst- und sakrale Gegenstände für 2018 mit 1.403 Fällen angegeben. Das höchste Vorkommen seit 2001 war mit 2.930 Delikten im Jahr 2012 zu verzeichnen.[5] Die Aufklärungsquote lag in Deutschland 2018 bei 25,5 %.[6]

Motive

Der international anerkannte Kriminologe John E. Conklin zählt fünf Motive für Kunstdiebstahl auf:

  1. Täter, die hoffen, gestohlene Kunst selber an Hehler oder durch Vermittlung veräußern zu können.
  2. Solche Täter oder Gruppen, die Kunstwerke auf Bestellung und für eine Provision stehlen.
  3. Kunstdiebe, die die Kunstwerke gegen ein Lösegeld den Eigentümern oder Versicherungen zum Rückkauf anbieten (Artnapping).
  4. Jene Täter, die die Kunst für sich und ihre eigene Sammlung stehlen und schließlich
  5. Eine vergleichsweise kleine Gruppe von Tätern, die Kunst stiehlt, um damit politische Ziele durchzusetzen.[7]

Immer häufiger werden Kunstwerke von der Organisierten Kriminalität und sogar auf Bestellung gestohlen. Diese Kunstwerke werden dann als Geldanlage, zur Geldwäsche oder als Zahlungsmittel verwendet. Häufigstes Motiv ist allerdings das der persönlichen Bereicherung. Nach Angaben des Art Loss Registers werden Kunstwerke von Picasso, Miró und Chagall am häufigsten entwendet.

Kunstraub von antiken und archäologischen Gegenständen

Illegaler Handel mit archäologischen Funden und Kunstobjekten wird als Antikenhehlerei bezeichnet. (Siehe Hauptartikel: Antikenhehlerei und Raubgrabung)

  • Auf Zypern wurden infolge der Vertreibung griechischer Zyprioten nach 1974 verschiedene byzantinische Kirchen geplündert. Siehe dazu auch: Panagia tis Kyras (Livadia) oder Panagia Kanakaria.

Kunstraub im Krieg

Vor 1900 war es gängige Praxis, bei Kriegen Schätze, einschließlich Kunstwerke, des Kriegsgegners als Kriegsbeute zu plündern oder zu rauben. In Artikel 56 der Haager Landkriegsordnung von 1899 ächteten die Unterzeichnerstaaten den Kunstraub. In der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954 erweiterten die Unterzeichnerstaaten nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges die Regeln zum Schutz von Kulturgut.

  • Die im Zuge des Zweiten Weltkrieges konfiszierten Kunstgegenstände werden häufig als Beutekunst bezeichnet. Im Zweiten Weltkrieg war der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg mit systematischem Kunst- und Kulturraub in den besetzen Ländern beauftragt. Zudem bereicherten sich Nazigrößen, allen voran Hermann Göring, schon vor dem Krieg systematisch an Raubkunst. Heute geht die Wissenschaft davon aus, dass sich Göring über 4.000 Kunstwerke illegal aneignete.[8]
  • Im Zuge des Irakkrieges wurden zahlreiche wertvolle Exponate aus dem archäologischen Irakischen Nationalmuseum in Bagdad geraubt; einige davon wurden später bei Kunstauktionen versteigert oder privaten Kunstsammlern feilgeboten.

Einige spektakuläre Kunstdiebstähle

Kunstdiebstahl in Filmen

Auswahl an Filmen, in denen es um Kunstdiebstahl geht. Meist werden hier die Diebe mythologisiert während sie mit der Realität des organisierten Verbrechens nichts gemein haben.

Recht

Völkerrecht

International gelten folgende Konventionen:

  • UNESCO-Konvention gegen illegalen Handel mit Kulturgut vom 14. November 1970[19] − in Deutschland ratifiziert als Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens, in Kraft getreten 2008 (konkretisiert mit Verordnung über das Verzeichnis wertvollen Kulturgutes nach dem Kulturgüterrückgabegesetz)[20]
  • UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig exportierte Kulturgüter vom 25. Juni 1995[21]

Deutsches Strafgesetzbuch

Kein Raub, sondern ein besonders schwerer Fall des Diebstahls liegt in der Regel vor, wenn der Täter „eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist“ (sog. gemeinschädlicher Diebstahl, § 243 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Ein Beispiel ist der Diebstahl der Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum am 27. März 2017.[22][23][24]

Galerie berühmter gestohlener Gemälde (Auswahl)

Siehe auch

Literatur

  • Andrea F. G. Raschèr: Kunstraub ist nicht zu fassen. In: KUR – Kunst und Recht, Volume 10, Issue 1 (2008), S. 9. doi:10.15542/KUR/2008/1/3
  • Volker Michael Strocka (Hrsg.), mit Beiträgen von Wilfried Fiedler, Gerhard Kaiser, Günter Schade und Rainer Wahl: Kunstraub. Ein Siegerrecht? Historische Fälle und juristische Einwände. Willmuth Arenhövel, Berlin 1999, ISBN 3-922912-48-6.
  • Susanna Partsch: Wer klaute die Mona Lisa? Die berühmtesten Kunstdiebstähle der Welt. C.H. Beck 2021
  • Bénédicte Savoy mit Merten Lagatz und Philippa Sissis (Hrsg.): Beute. Ein Bildatlas zu Kunstraub und Kulturerbe. Matthes & Seitz, Berlin 2021, ISBN 978-3-7518-0311-3.
  • Steen Kittl, Christian Saehrendt: Geier am Grabe van Goghs und andere häßliche Geschichten aus der Welt der Schönen Künste. DuMont, Köln 2010, ISBN 978-3-8321-9093-4.
  • Bénédicte Savoy mit Robert Skwirblies und Isabelle Dolezalek (Hrsg.): Beute. Eine Anthologie zu Kunstraub und Kulturerbe. Matthes & Seitz, Berlin 2021, ISBN 978-3-75180-311-3.
  • Ernst Künzl: Der große Kunstraub. Orient, Griechenland, Rom, Byzanz. Nünnerich-Asmus, Oppenheim 2019, ISBN 978-3-96176-077-0.
  • Stefan Koldehoff mit Tobias Timm: Kunst und Verbrechen. Galiani Verlag, Berlin 2020, ISBN 3-86971-176-0.
  • Bénédicte Savoy: Kunstraub. Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2010, ISBN 978-3-205-78427-2. (Übersetzung von Bénédicte Savoy: Patrimoine annexé. Les biens culturels saisis par la France en Allemagne autour de 1800. Éditions de la Maison des sciences de l’homme, Paris 2003, ISBN 978-2-7351-0988-3).
  • Milbry Polk, Angela M. Schuster: The looting of the Iraq Museum. Baghdad - the lost legacy of ancient Mesopotamia. Abrams, New York 2005, ISBN 0-8109-5872-4.
  • Juliane Schellerer: Gutgläubiger Erwerb und Ersitzung von Kunstgegenständen. BGB, Kunsthandel, Europäisches Privatrecht. Mohr Siebeck, 2016. ISBN 978-3-16-154216-9.
  • John E. Conklin: Art Crime. Praeger Publishers, Westport 1994
  • Nora Koldehoff, Stefan Koldehoff: Aktenzeichen Kunst. Die spektakulärsten Kunstdiebstähle der Welt. DuMont, Köln 2004, ISBN 3-8321-7435-4.
  • Sandy Nairne: Die leere Wand, Museumsdiebstahl - Der Fall der zwei Turner-Bilder. Piet Meyer Verlag, Bern/Wien 2013, ISBN 978-3-905799-19-4.
  • Peter Watson, Cecilia Todeschini: Die Medici-Verschwörung. Der Handel mit Kunstschätzen aus Plünderungen italienischer Gräber und Museen. Parthas-Verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-86601-905-8.

Weblinks

Wiktionary: Kunstraub – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Lost artworks – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Joachim Vogel: Kunstraub und internationales Strafrecht. JZ 2010, S. 1143–1150.
  2. Kunstdiebstähle: Lösegeld für eine Leinwand, Der Tagesspiegel vom 25. Oktober 2012, abgerufen am 26. Dezember 2019
  3. Kunstdiebstahl verursacht weltweit 6 bis 8 Mrd. US-Dollar Schaden pro Jahr, b.v.s. vom 1. Dezember 2009, abgerufen am 26. Dezember 2019
  4. Erfahrungsaustausch "Sicherheit in Museen (Memento vom 4. November 2017 im Internet Archive), (aus W&S 6/2009) abgerufen am 26. Dezember 2019
  5. Polizeilich erfasste Fälle des Diebstahls von Antiquitäten, Kunst- und sakralen Gegenständen in Deutschland von 2001 bis 2018, Statista von April 2019, abgerufen am 26. Dezember 2019
  6. Polizeiliche Aufklärungsquote bei Diebstahl von Antiquitäten, Kunst- und sakralen Gegenständen in Deutschland von 1987 bis 2018, Statista von April 2019, abgerufen am 26. Dezember 2019
  7. Sandy Nairne: Die leere Wand, Museumsdiebstahl - Der Fall der zwei Turner-Bilder. Piet Meyer Verlag, Bern/Wien 2013, S. 16.
  8. Nazi-Raubkunst: Görings Schatz jetzt online, in Spiegel-Online vom 20. Juni 2012, abgerufen am 26. Dezember 2019
  9. „Entführter“ Caravaggio: Neue Details zu legendärem Kunstdiebstahl, ORF-News vom 24. September 2019, abgerufen am 26. Dezember 2019
  10. A Caravaggio for Christmas: is his stolen Nativity masterpiece about to reappear? in: The Guardian vom 16. Dezember 2018 (engl.), abgerufen am 26. Dezember 2019
  11. Große Brocken. In: Der Spiegel. 25. März 1990, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 18. April 2022]).
  12. Stefan Koldehoff: Kunstraub: Hohe Kunst des Bilderdiebstahls. In: DIE WELT. 28. August 2004 (welt.de [abgerufen am 18. April 2022]).
  13. Spektakulärer Kunstraub in Rio, n-tv vom 25. Februar 2006, abgerufen am 26. Dezember 2019
  14. Kunstraub Brasilianische Polizei stellt Picasso-Stich sicher, Der Tagesspiegel vom 18. August 2018, abgerufen am 26. Dezember 2019
  15. Paris art museum theft the work of lone robber, The Guardian vom 20. Mai 2010 (engl.), abgerufen am 26. Dezember 2019
  16. Prozess um spektakulären Kunst-Diebstahl in Pariser Museum, Monopol vom 31. Januar 2017, abgerufen am 26. Dezember 2019
  17. Kunstraub: Heisse Spur zu gestohlenen Gemälden aus Rotterdam, Die Welt vom 30. Januar 2013, abgerufen am 26. Dezember 2019
  18. 250.000 Euro Belohnung nach Kunstdiebstahl, ORF vom 30. September 2014, abgerufen am 26. Dezember 2019
  19. Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (12. Oktober bis 14. November 1970 in Paris): Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (BGBl. 2007 II S. 626, 627)
  20. UNESCO-Übereinkommen seit 1948, Webseite: Deutsche UNESCO-Kommission, abgerufen am 26. Dezember 2019
  21. Unidroit-Übereinkommen über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter (Memento vom 1. März 2011 im Internet Archive) (pdf; 682 kB), abgerufen am 26. Dezember 2019
  22. Landgericht Berlin verurteilt drei Angeklagte wegen des Diebstahls der Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum zu Jugendstrafen und spricht den vierten Angeklagten frei (PM 10/2020). berlin.de, abgerufen am 12. August 2023.
  23. LG Berlin: Haftstrafen für Goldmünzen-Diebstahl aus Museum. Legal Tribune Online, 20. Februar 2020.
  24. Verurteilung wegen Diebstahls einer Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum rechtskräftig. Bundesgerichtshof, Pressemitteilung zum Beschluss vom 24. Juni 2021 – 5 StR 67/21.

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