Kuhmaulschuh

Jörg Breu der Ältere, Darstellung eines Landsknechts, um 1500

Der Kuhmaulschuh, auch Entenschnabel, Ochsen-, Kuhmaul oder Hornschuh genannt, ist eine Form des Schuhs, die im frühen 16. Jahrhundert in Europa von Männern und Frauen getragen wurde. Kuhmaulschuhe waren allerdings nur kurz in Mode.[1]

Geschichte und Beschreibung

Der Kuhmaulschuh löste in der Modegeschichte den schmalen Schnabelschuh ab, der mehrere Zentimeter über den Fuß des Trägers hinausragte und meist aus geschwärztem Leder bestand.[2] Im Gegensatz zu den Schnabelschuhen waren Kuhmaulschuhe breit und flach; manche Exemplare wurden durch eine Spange über dem Rist befestigt. Zwischen einem rechten und einem linken Schuh wurde beim Kuhmaulschuh nicht unterschieden. Kuhmaulschuhe waren meist mit Schlitzen versehen und ließen die farbigen Strümpfe zur Geltung kommen.[3] Eine Sonderform sind die sehr flachen Bärenklauen.

Erhaltene Exemplare von Kuhmaulschuhen befinden sich, beispielsweise im Museum Weißenfels im Schloss Neu-Augustusburg und dem Bayerischen Nationalmuseum München[4]. Der Weißenfelder Schuh ist aus schwarzem Leder gefertigt und absatzlos; er ist an der Spitze mit einem Dekor aus Längsschnittstreifen versehen. Wegen seiner schmalen Form wird angenommen, dass der 26,2 Zentimeter lange Schuh von einer Frau getragen wurde.[5]

Annemarie Bönsch leitet in dem Werk Formengeschichte europäischer Kleidung den deutlichen Gestaltwandel des Schuhwerks zur Zeit der Renaissance gegenüber der Spätgotik aus dem neuen Bewusstsein in dieser Epoche ab. Statt transzendenter Themen habe nun die Erforschung und Nutzung der diesseitigen Welt im Vordergrund gestanden, der Mensch habe nach „Konstruktionen, die überschaubare, klare Tatsachen ergeben,“ gestrebt und auch versucht, „die positive Diesseitsbezogenheit, die Verbundenheit mit dieser Welt zum Ausdruck zu bringen“. Daher sei nun die Horizontale statt der gotischen Vertikale zur entscheidenden Linie auch in der Kleider- und Schuhmode geworden – eine „Wiederholung der Erd-Ebene.“ Das flache Barett, die überbreite Schulterlinie, die Taillenquerlinie, die betonten Gewandsäume und auch die Kuhmaulschuhe legten von dieser Orientierung Zeugnis ab.[6]

Bildliche Darstellung

In bildlichen Darstellungen sind Kuhmaulschuhe häufig zu finden, z. B. auf einem Stifterbild der Schuhmachergilde aus der Nikolaikirche in Berlin, das sich mittlerweile in der Marienkirche befindet. Bildthema ist die Gefangennahme Christi; ein Landsknecht trägt auf diesem Bild aus der Zeit um 1520 deutlich erkennbar Kuhmaulschuhe.[7] Albrecht Dürer verfertigte um 1500 zwei Zeichnungen, in denen er den Schnitt der Kuhmaulschuhe erläuterte. Bei Hornschuhen, einer modischen Sonderform der Kuhmaulschuhe, waren die vordere Zehenkappen seitlich hornartig verbreitert.[4] Diese Werke Dürers befinden sich im Britischen Museum unter der Inventarnummer W.938 und in der Collection Sloane unter Nummer 5218-200.[8]

Literatur

  • Marquita Volken: Archaeological Footwear: Development of Shoe Patterns and Styles from Prehistory til the 1600's. SPA Uitgevers, Zwolle 2014, ISBN 978-90-8932-117-6 (englisch).
  • Olaf Goubitz, Carol Van Driel-Murray, Willy Groenman van Waateringe: Stepping Through Time: Archaeological Footwear from Prehistoric Times until 1800. SPA Uitgevers, Zwolle 2007, ISBN 978-90-8932-004-9 (englisch).

Weblinks

Commons: Duckbill shoes – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Die orthopädietechnische Versorgung des Fusses. Georg Thieme Verlag, 2001, ISBN 978-3-13-486603-2, S. 204 (google.com).
  2. Ivonne Hübner: "Teufelsfarbe": ein historischer Roman. Dryas Verlag, 2007, ISBN 978-3-9811327-2-4, S. 470 (google.com).
  3. Frankfurt am Main (Germany). Dezernat Kultur und Freizeit: Brücke zwischen der Völkern, zur Geschichte der Frankfurter Messe: Ausstellung zur Geschichte der Frankfurter Messe. Dezernat für Kultur und Freizeit, 1991, ISBN 978-3-89282-021-5, S. 172 (google.com).
  4. a b Nike U. Breyer: „Gott gab Dir als Lehen die Zehen ...“ In: Orthopädieschuhtechnik. Nr. 4, 2019, S. 44–48 ISSN=0344–6026.
  5. Einzelner Kuhmaulschuh auf www.museum-digital.de
  6. Annemarie Bönsch: Formengeschichte europäischer Kleidung. Böhlau Verlag Wien, 2011, ISBN 978-3-205-78610-8, S. 122 (google.com).
  7. Stifterbilder nach 1500 und reformatorische Malerei auf Stifterbildern des 16. Jahrhunderts, auf www.patrizier-marienkirche-berlin.de (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
  8. Jane Campbell Hutchison: Albrecht Durer: A Guide to Research. Routledge, 2013, ISBN 1-135-58172-X, S. 87 (google.com).

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Chausse et pied gauche de Sainte Marie-Madeleine, Belles du Nord, restauration PBALille 26 juillet 2016 Lamiot d 03.jpg
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St. Maria Magdalena, wahrscheinlich um 1520 geschnitzt (Avesnoi Kalkstein); Fotografie im Raum Museum Restaurierung durchgeführt Museum of Fine Arts in Lille. Die Statue wird von Julie André-Madjelessi (Ende der Restaurierungsarbeiten , die Ende Juli 2016) restauriert und gereinigt. Eine weitere Statue in ein Grab gefunden; Statue von St. Agnes ist zur gleichen Zeit und am gleichen Ort von Sabine Kessler wieder hergestellt. Beide Statuen sind Teil einer Gruppe von vier Skulpturen im Jahr 2013 in einer Grube in Orchies entdeckt und genannt " Belles du nord"
Jörg Breu Landsknecht.jpg
Landsknecht, Holzschnitt
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Portrait of Henry VIII of England after Hans Holbein the Younger, originally displayed at Ditchley, Oxfordshire.