Krieewelsch

Die Krefelder Mundart oder das Krefelder Platt (mundartlich Krieewelsch Platt oder Krieewelsch, was wörtlich Krefeldisch bedeutet) ist ein Dialekt des Limburgischen, einer niederrheinischen (Niederrheinisch) Regionalsprache. Krieewelsch ist somit sprachwissenschaftlich gesehen als südniederfränkischer Dialekt der niederfränkischen Mundarten einzuordnen. Eine präzise Einordnung ist nicht möglich, da sich die Stadt Krefeld im Grenzgebiet von gleich mehreren Dialektgruppen und Mundarten befindet. Auch die Uerdinger Linie (Ik-Ech-Linie) verläuft direkt am nordöstlichen Krefelder Stadtrand zwischen dem heutigen Stadtteil Uerdingen und den heute zur Stadt Duisburg gehörenden Orten, wobei der nördlichste Stadtteil Hüls ebenfalls nördlich dieser Linie im nordniederfränkischen Sprachraum liegt.

Uerdinger Linie – ik/ich-Grenze – im Verlauf der Stadt Krefeld

Wie viele Lokalsprachen im Nordwesten Deutschlands wird auch Krieewelsch mit dem Begriff Platt benannt. „Wir kalle Krieewelsch Platt on püemele os satt“ heißt etwa eine Veranstaltung unter Beteiligung des Krefelder Mundartkreises (Wir reden Krefelder Platt und essen uns allmählich und in kleinen Häppchen satt – eine etwas schiefe Übersetzung)

In den eingemeindeten Krefelder Stadtteilen Fischeln, Oppum oder Hüls gibt es zum Teil erhebliche sprachliche Unterschiede, hauptsächlich in der Betonung, der Aussprache, aber auch in unterschiedlichen Bedeutungen. Besonders der am Anfang des 20. Jahrhunderts zu Krefeld eingemeindete Stadtteil Uerdingen pflegt bis heute sein „Oedingsch“. Kennzeichnend für das im Stadtteil Hüls gesprochene Hülser Platt (Hölsch Plott) ist die Verwendung von „ek“ oder „ök“ für das hochdeutsche Personalpronomen „ich“. Im Gegensatz dazu zählt das südlich der Uerdinger Linie in der Stadt Krefeld gesprochene Krieewelsch zum südniederfränkischen Sprachraum, kennzeichnend die Benutzung von „ech“ oder „esch“ für das Pronomen „ich“. Fischelner Plattsprecher sind eindeutig am Hilfsverb haben zu erkennen. Während es in Krefeld häbbe heißt, sagen die Fischelner han. Ich häbb kien Tied – Ich hann kien Tied.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts zählte Krefeld gerade einmal 350 Einwohner. Nur hundert Jahre später waren es bereits mehr als siebenmal so viele. Die meisten Einwohner waren keine gebürtigen Krefelder, sondern Glaubensflüchtlinge aus den umliegenden Orten und später aus ganz Deutschland, die in Krefeld, welches zu Oranien gehörte, eine Zuflucht fanden und hier heimisch wurden. Heute kann aufgrund dieser Vermischung unterschiedlichster Dialekte nicht mehr genau geklärt werden, was ursprünglich als Krefelder Mundart gesprochen wurde. Die Fachsprache der Weber und Seidenweber hat das Platt nachhaltig beeinflusst; viele Entlehnungen, wie „in Schuss halten“ oder „etwas auf die Kette kriegen“, haben es längst in die deutsche Standardsprache geschafft.

Ripuarische Einflüsse

Aus dem Ripuarischen stammen der j-Anlaut und -Mittenlaut bei Wörtern mit g wie jejange (gegangen). Des Weiteren die Koronalisierung der ich-Laute, die Richtung sch tendieren, wie in esch (ich), mesch (mich).[1]

Von den drei Formen der Velarisierung im Ripuarischen

von d/t zu k oder g wie in wick = weit
von n zu ng ng wie in Wing = Wein; Ring = Rhein
von nd/nt zu ng/nk wie in Hunck = Hund; unge = unten

kommt die erste Form nicht vor, die zweite Form nur sehr selten, zumeist bei weiblichen Vornamen wie Karoling (Karolin) oder Katring (Katrin), sonst nur bei Ping (Pein), Ling (Leine) und Mellizing (Medizin). Das vermeintlich der zweiten Form zuzuordnende Tang für Zahn entstammt jedoch der dritten Form, da hier das niederländische Tand zu Grunde liegt. Die dritte Form kommt regelmäßig vor. Alle Verbindungen nt und nd werden ng oder nk gesprochen: Honk (Plural Höng) = Hund; Monk (Plural Mönger) = Mund; Wank (Plural Wäng) = Wand; onge = unten; henge = hinten.

Weitere Einflüsse

Ein weiterer nicht unerheblicher Einfluss stammt aus der Zeit der französischen Besetzung Krefelds gegen Ende des 18. Jahrhunderts, in der einige Vokabeln aus dem Französischen als Lehnwörter in das Krieewelsch übernommen wurden. So zum Beispiel „follemente“ (= völlig verrückt) oder „der Paraplü“ (= der Regenschirm).

Auch aus dem Lateinischen, dem Wallonischen und dem Rotwelschen lassen sich Einflüsse nachweisen.[2][3]

Wenn die Nachbarn von der Schääle Sie in Düsseldorf von sich sagen: „Es geht nichts über Düsseldorfer Senf.“, dann sagen die Seidenstädter: „Schmücke dein Heim mit Samt und Seide! Lott dat de Düsseldorfers ens möt denne ir Mostert make!“ („… lass das die Düsseldorfer mal mit ihrem Senf machen!“). Wenn die Berliner aus der Hauptstadt sagen: „Uns kann keener!“, dann sagen die Krefelder: „Os könne se ens allemooele!“ („Uns können sie alle mal …!“).[2]

Ist jemand des Standarddeutschen mächtig, aber mit Krieewelsch Platt nicht vertraut und auch mit keiner der verwandten Mundarten der nahen Umgebung, so wird er gesprochenes Krieewelsch kaum verstehen können. Daran soll sogar schon ein Geheimdienst gescheitert sein.[4]

Vokabeln

Einige Beispiele für Krieewelsche Wörter sind:

DeutschKrieewelschBemerkung
erzählenbötze, käuere, schwaade, vertällevgl. ndl. vertellen
rülpsenbölkendl.-limburgisch: röpsje
der Topf, das Gefäßdat Döppe; dä Pottvgl. ndl. Emmer; Pot ndl.-limburgisch: Top; Vat; Pot
pfeifen, surrenfimpeBuute es et fies am fimpe, draußen bläst ein unangenehmer Wind. vgl. ndl.-limburgisch: Buute es et vies aan 't wèjje, buute blieës ènne onaagename Wènjd
guckenkiekevgl. ndl. kijken ndl.-limburgisch: kieke(n), luure
der Grünschnabeldä Lällbeckvgl. ndl. lellen
das Mündchendat Mönke, die Schnuutndl. Mondje, Snuit ndl.-limburgisch: `et Möndje, de Sjnuut
der Nachbardä NobberNdl. Nabuur ndl.-limburgisch: de Naobber
das Obstdat ObbsJefalle Obbs mot jau jejeäte werde, Fallobst muss schnell gegessen werden. vgl. ndl-krf. moet=mot; gauw=jau; gegeten=jejeäte
die Äugleindie Öigskesndl. de Oogjes ndl.-limburgisch: de Öögskes
große Töne spuckenpraatschevgl. mndl. praet, Geschwätz
die Pfoten, Füßedie Püetndl. de Poten, Voeten ndl.-limburgisch: de Püet, Vööt
große Hände oder Füßedie Quante
die Seeledie SieelEäte on Drenke hält Liev on Sieel annien, Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen.
die Zeitdie TiedEt jövvt Tied!, Es wird Zeit! Vgl. ndl. Tijd
heute, dieser Tagevandaag vgl. ndl. vandaag ndl.-limburgisch: hüü; hüütserdaag; vandaag
die Grillagetortedä Jrillaschtaateine Krefelder Spezialität[5]

Ein Beispiel für einen kleinen krieewelschen Text ist das Gedicht „Dodröm“ von Josef Brocker:[6]

Dä Kneit seit für däm Bur:
„wat lott Ihr mech dann jo-ehn?
Ech häbb doch nix jedo-ehn!“

„Da’s reit,“ seit du däm Bur:
„Dou häß och nix jedo-ehn,
Dröm lott ech Dech och jo-ehn!“

Grammatik

Die Deklination der Substantive ist relativ einfach, sie unterscheidet abgesehen von Sonderfällen nur nach Einzahl/Mehrzahl und grammatischem Geschlecht. Letzteres kann sich, wie in weiträumig benachbarten Sprachen, vom standarddeutschen Geschlecht unterscheiden: „die Brille“ däm Brill, „der Liter“ dat Liter, „das Maul“ die Mull,[7] und so weiter. Wie viele lokale Sprachen entlang des Rheins benutzt das Krieewelsche meist keinen Genitiv, sondern stattdessen eine Umschreibung durch einen possessiven Ausdruck: „Der Schlüssel des Mannes war verschwunden“ Dä Schlüetel van dä Mann woer verschött jejange.[8] Ebenfalls übereinstimmend mit vielen weiträumig benachbarten Lokalsprachen werden im Krieewelsch Namen und Pronomen der Mädchen und Frauen in vielen Fällen sächlich dekliniert. Eine Besonderheit der limburgischen Sprachen findet sich ebenfalls, Artikel mit sogenannten Wohlklangslauten: „Der Onkel“ wird lieber mit dän Uohme als mit dä Uohme benannt, Wohlklangs-n und -m werden sowohl an bestimmte, wie unbestimmte Artikel angehängt und stellen keine Flexionsformen dar.[9] Ebenso kennt das Krieewelsche die beiden rheinischen Verlaufsformen: „Es regnet“ Et es am reäjene, und: „Er bekleckert sich wie ein Kleinkind“ Dä dieet sich bezubbele wie en klieen Titti.[10]

Mundartdichtung

Es gibt einen erstaunlich umfangreichen Schatz an Gedrucktem und Geschriebenem auf Krieewelsch Platt. Eine von der Krefelder Stadtbücherei in Zusammenarbeit mit dem Verein für Heimatkunde regelmäßig aktualisierte Liste der Publikationen dokumentiert dies.[11] Viele Krefelder hatten und haben Spaß daran, ihren Dialekt in Gedichten, kleinen Erzählungen, Liedern oder Schilderungen der aktuellen Lebenswirklichkeit lebendig zu halten.[12] Die Vorstellungen des Mundart-MarionettentheatersKrieewelsche pappköpp“ sind regelmäßig ausverkauft, auf Karten muss man meist viele Monate warten.

Literatur

  • Helga Bister-Broosen: Sprachwandel im Dialekt von Krefeld (= Berkeley insights in linguistics and semiotics. vol. 3). Lang, Frankfurt am Main [u. a.] 1989, ISBN 0-8204-1006-3.
  • Kurt Hausmann, Ursula Versteegen, Theo Versteegen: Krieewelsch op de Reeh jebreit – Kurzgrammatik der Krefelder Mundart. Hausmann, Krefeld 2005.
  • Willy Hermes: Krieewelsch van A bes Z. van Acken, Krefeld, 1978, ISBN 3-923140-03-7
  • Rudi Neuhausen: Krefelder Mundart-Lexikon. van Acken, Krefeld 1992, ISBN 3-923140-56-8.
  • Heinrich Röttsches: Die Krefelder Mundart und ihre Verwandtschaft mit dem Altsächsischen, Angelsächsischen und Althochdeutschen. Buchdruckerei des Waisenhauses, Halle 1875, urn:nbn:de:hebis:04-eb2011-04148.
    • auch in: Die deutschen Mundarten. Zeitschrift für Dichtung, Forschung und Kritik. Herausgegeben von Dr. G. Karl Frommann. Siebenter Band (neuer Folge erster Band.). Buchhandlung des Waisenhauses, Halle, 1877, S. 36–92. (Google)
  • Heinz Webers: Wörterbuch Krieewelsch-Deutsch, Deutsch-Krieewelsch. SeidenweberBücherei Krefeld im Verlag tax & more, Würzburg 2000, ISBN 3-9807395-1-1.
  • Heinz Webers: Krieewelsch Quiz. SeidenweberBücherei Krefeld im Verlag tax & more, Würzburg 2004, ISBN 3-9807395-4-6.
  • Heinz Webers: Noch miehr Schüenen Duorieen – Stöckskes op oser Platt. SeidenweberBücherei Krefeld im Verlag tax & more, Würzburg 2005, ISBN 3-9807395-9-7.
  • Johannes Werner: Lexikon des alten Krefelder Platt. Wörter Wendungen, Redensarten, ihre Bedeutung und ihre Herkunft. Aus dem Nachlaß herausgegeben, zu Ende geführt und bearbeitet von Paula Coerper-Becker (= Stadtarchiv Krefeld: Krefelder Studien. 13). van Acken, Krefeld 2004, ISBN 3-923140-91-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Georg Cornelissen in: Heribert Houben (Hrsg.): Krefeld – Die Geschichte der Stadt. Band 5. Krefeld, Krefeld 2010, ISBN 978-3-9808235-7-9, S. 666.
  2. a b Willy Hermes: Krieewelsch van A bes Z. van Acken, Krefeld 1978, ISBN 3-923140-03-7.
  3. Johannes Werner: Lexikon des alten Krefelder Platt. Wörter, Wendungen, Redensarten, ihre Bedeutung und Herkunft. Herausgegeben von der Stadt Krefeld, Bearbeitet von Paula Coerper-Becker (= Stadtarchiv Krefeld: Krefelder Studien. 13). van Acken, Krefeld 2004, ISBN 3-923140-91-6.
  4. Klaus Otten-Krüllsburg: Krefelder Stadtschreiber Platt – Texte eines Krefelders über die Krefelder und die Krefelder Mundart. Klaus Otten, Krefeld 1991, OCLC 1106687358, S. 77 f. („Platt en Sofia“).
  5. zitiert nach: Krieewelche Pappköpp – Jrillaschtaat krieewelsche-pappkoepp.de
  6. zitiert nach: Et es bi alles ene Wi-et, einem Fundstellenverzeichnis krieewelscher Gedichte von Heinz Webers, Krefeld 2004.
  7. Kurt Hausmann, Ursula Versteegen, Theo Versteegen: „Krieewelsch op de Reeh jebreit“ – Kurzgrammatik der Krefelder Mundart. Krefeld 2005, S. 13.
  8. Kurt Hausmann, Ursula Versteegen, Theo Versteegen: „Krieewelsch op de Reeh jebreit“ – Kurzgrammatik der Krefelder Mundart. Krefeld 2005, S. 14 u. 34 f.
  9. Kurt Hausmann, Ursula Versteegen, Theo Versteegen: „Krieewelsch op de Reeh jebreit“ – Kurzgrammatik der Krefelder Mundart. Krefeld 2005, S. 11.
  10. Willy Hermes: „Krieewelsch van A bes Z“. van Acken, Krefeld 1978, ISBN 3-923140-03-7, S. 190.
  11. Gedruckt verfügbar und online als PDF unter http://www.krieewelsch.de/sites/mundartliteratur-der-stadtbuecherei-krefeld.pdf
    Die Liste nennt 2007 rund 150 Monographien, etwa 10 Tonträger und 8 Zeitschriftentitel.
  12. Rund 150 Autoren, viele mit Leseproben, sind angeführt in dem Buch: Vereins für Heimatkunde Krefeld e. V. (Hrsg.): Mundart in Krefeld, jedeit – jeseit – jeschrieeve. van Acken, Krefeld 2007, ISBN 978-3-923140-95-4.

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Uerdinger Linie als Mundartgrenze im Stadtgebiet Krefeld ("ich" = ek/ök nördlich der Linie, ech/esch südlich der Linie)