Kreuzkampf

Kreuzkampf-Mahnmal am Markt in Cloppenburg
Inschrift am Cloppenburger Mahnmal

Der Kreuzkampf fand 1936 im Oldenburger Münsterland statt und war ein öffentlicher Protest gegen eine Maßnahme des Nationalsozialismus im Dritten Reich. Ähnliche Aktionen gab es 1941 auch in Bayern.[1][2]

Ereignisse

Ende 1936 gab der oldenburgische Minister für Kirchen und Schulen, Julius Pauly (NSDAP), die auch Kreuzerlass genannte Weisung heraus, welche besagte, dass aus allen staatlichen Gebäuden und damit auch aus den katholischen Konfessionsschulen religiöse Zeichen wie Statuen, Bilder und vor allem Kreuze zu entfernen seien. Auch in neuen Gebäuden sollten keine religiösen Symbole mehr angebracht werden.

Der Erlass hatte folgenden Wortlaut:[3]

„Sämtliche öffentlichen Gebäude des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände gehören dem ganzen Volke ohne Rücksicht auf das religiöse Glaubensbekenntnis der einzelnen Volksgenossen. Es ist daher nicht zulässig, daß öffentliche Gebäude kirchlich eingeweiht oder eingesegnet werden. Aus gegebener Veranlassung[Anm. 1] wird darauf besonders hingewiesen.

Öffentliche Verwaltungsgebäude des Staates sind von alterher mit konfessionellen Zeichen – z. B. Kruzifix oder Lutherbild – nicht ausgestattet worden. Dies entspricht auch schon deshalb einem sachlichen Bedürfnis, weil der Staat das ganze deutsche Volk umfaßt. Für alle öffentlichen Gebäude müssen die gleichen Gesichtspunkte maßgebend sein. Schulgebäude des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände sind nicht anders zu behandeln. Auch die Volksschulgebäude machen davon keine Ausnahme, denn sie gehören der Gesamtheit und nicht irgendeiner bestimmten Glaubensrichtung.

Demgemäß ordnen wir an, daß künftig in Gebäuden des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände kirchliche oder andere religiöse Zeichen oben erwähnten oder ähnlichen Charakters nicht mehr angebracht werden dürfen. Die bereits vorhandenen sind zu entfernen. Über das Veranlaßte ist bis zum 15. Dezember d.J. zu berichten.

gez. Dr. Pauly“

Dies erregte die Bevölkerung des katholisch geprägten Oldenburger Münsterlands. So versammelten sich am 18. November 1936 in der Kirche St. Maria, Mutter der Sieben Schmerzen zu Bethen, einem Wallfahrtsort vor den Toren Cloppenburgs, trotz strömenden Regens rund 2000 ehemalige Frontsoldaten und etwa 1000 weitere Pilger. Es waren hauptsächlich Wallfahrer aus dem Oldenburger Münsterland, aber auch aus dem Emsland, aus Wilhelmshaven, Bremen und Oldenburg gekommen. Die Stimmung war hochexplosiv.

Kaplan Franz Uptmoor, ein im Ersten Weltkrieg ausgezeichneter Frontkämpfer, hielt eine kämpferische Predigt. Er rief zum Kampf um das Kreuz in den Schulen auf. Die Anwesenden reagierten mit stürmischem Beifall und fuhren entschlossen in ihre Gemeinden zurück. Hier wurden sie durch kämpferische Predigten einer Priestergruppe weiter ermutigt.

Es bildete sich eine Widerstandsgruppe, die ihre Texte per Kurier an die einzelnen Pfarreien verschickte. Protestschreiben an die Regierung wurden verfasst, und drei Tage nach einer Kriegerwallfahrt fuhr die erste Abordnung nach Oldenburg, um sich bei Minister Pauly persönlich zu beschweren. Weitere Delegationen folgten, und am 25. November standen sie mit 75 Autos vor dem Ministerium.

Am Ende sah sich Carl Röver, der oldenburgische Gauleiter, gezwungen, auf einer von stürmischen Protesten begleiteten Versammlung in der Münsterlandhalle in Cloppenburg am 25. November 1936 den Erlass teilweise zurückzunehmen und das Kreuz weiterhin in Schulen zu erlauben.

Doch der Teilsieg reichte den Oldenburger Münsterländern nicht: Sie forderten, dass die nationalsozialistische Erziehung und Rassenlehre aus dem Schulunterricht herausgenommen würden. Die nationalsozialistischen Machthaber wagten es zunächst nicht, gegen die Proteste und Predigten der katholischen Kirche anzugehen. Es gab weitere Proteste, ein NS-Blockwart wurde in der Münsterlandhalle verprügelt, SA-Sturm- und Truppführer wurden beschimpft und mit Steinen beworfen.

Der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, dankte den Oldenburger Katholiken mit einem Hirtenbrief und erklärte: „… möge ihre Haltung für alle Christen, weit hinaus über die Grenzen unserer Heimat, möge sie vor allem für unsere Jugend Vorbild und Beispiel sein!“[4][5]

Am 30. Juni 1937 wurden sechs Männer, die am Kreuzkampf teilgenommen hatten, von der Polizei verhaftet, von denen einer in das Konzentrationslager Oranienburg gebracht wurde. Wenig später wurden fünf weitere Personen verhaftet und inhaftiert.

Erinnerung

Am 25. November 1961 wurde am Marktplatz in Cloppenburg eine Denkmalanlage aus Sandstein mit Hochkreuz zur Erinnerung an die Protestversammlung gegen den „Kreuzerlass“ errichtet. Alle zwei Jahre findet im Wallfahrtsort Bethen zur Erinnerung an den Kreuzkampf ein „Bekenntnistag“ statt.[6]

Historische Einordnung

Der Kreuzkampf gehört zu den „Großen Erzählungen“ des Oldenburger Münsterlands. Er wird häufig als Beispiel für die These angeführt, dass es traditionell eine besonders belastbare Loyalität zwischen den hier lebenden Katholiken und der katholischen Kirche gebe, die dazu geführt habe, dass das Oldenburger Münsterland vor 1933 eine Hochburg der Zentrumspartei gewesen sei, und noch heute dazu führe, dass es eine Hochburg der CDU sei.

Im Juni 2010 entschuldigte Christian Wulff, damals niedersächsischer Ministerpräsident und Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, in einem Interview eine Äußerung der CDU-Politikerin und niedersächsischen Sozialministerin Aygül Özkan, sie sei gegen Kreuze in Klassenzimmern, mit dem Argument, man könne nicht erwarten, dass die in Hamburg aufgewachsene türkischstämmige Frau „jede Besonderheit der niedersächsischen Geschichte kennt, zum Beispiel den ‚Kreuzkampf‘ im katholischen Oldenburger Münsterland“.[7]

Joachim Kuropka, emeritierter Professor für Geschichte an der Universität Vechta, betont, dass es beim Kreuzkampf nicht in erster Linie darum gegangen sei, christliche Symbole zu schützen, sondern darum, christliche Werthaltungen zu leben. Er weist darauf hin, dass Eltern in Goldenstedt 1938 gegen die Schließung einer katholischen Bekenntnisschule gestreikt und dass sich 1942 Bürger Cloppenburgs erfolgreich gegen die Deportation von Sinti und Roma gewehrt hätten.[8]

Literatur

  • Maria Anna Zumholz (Hrsg.): Katholisches Milieu und Widerstand – Der Kreuzkampf im Oldenburger Land. LIT-Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-643-11937-7.
  • Joachim Kuropka: Totalitäres Regime und katholischer Klerus in Oldenburg. In: Oldenburger Jahrbuch. Bd. 104 (2004), S. 187–202 (online).
  • Jeremy Noakes: The Oldenburg Crucifix Struggle of November 1936: A Case Study of Opposition in the Third Reich. In: Peter D. Stachura (Hg.): The Shaping of the Nazi State. London 1978, S. 210–233.
  • Johannes Pohlschneider: Der nationalsozialistische Kirchenkampf in Oldenburg. Butzon und Bercker, Kevelaer 1978, ISBN 3-7666-9006-X.
  • Johannes Göken: Der Kampf um das Kreuz in der Schule. A. Fromm, Osnabrück 1947.
  • Joachim Kuropka (Hrsg.): Zur Sache – Das Kreuz! Untersuchungen zur Geschichte des Konflikts um Kreuz und Lutherbild in den Schulen Oldenburgs, zur Wirkungsgeschichte eines Massenprotests und zum Problem nationalsozialistischer Herrschaft in einer agrarisch-katholischen Region. Vechta 1986, ISBN 3-88-441036-9.
  • Joachim Kuropka: Nur ein „totes Bild“ – nur ein „Holzkreuz“? Vor 80 Jahren Kreuzkampf in Oldenburg und die Schwierigkeiten des Erinnerns. In: Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland 2017 (Hrsg.: Heimatbund für das Oldenburger Münsterland), Vechta 2016, S. 26–40.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Anlass war die Einweihung der Volksschule Bösel am 24. Oktober 1936.

Einzelnachweise

  1. Siehe bei Nüdlingen und Thundorf in Unterfranken
  2. wissenmedia in der inmediaONE GmbH: Tageseinträge für 23. April 1941. chroniknet
  3. Steinwascher, Gerd, Heuvel, Christine van den: Geschichte Niedersachsens in 111 Dokumenten. Wallstein Verlag, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8353-4058-9, S. 344.
  4. Cloppenburg – Mahnmal Kreuzkampf. Erholungsgebiet Thülsfelder Talsperre e.V.
  5. Peter Löffler (Hrsg.): Bischof Clemens August Graf von Galen – Akten, Briefe und Predigten 1933–1946. 2. Auflage. Ferdinand Schöningh, Paderborn/München/Wien/Zürich 1996, ISBN 3-506-79840-5, S. 465.
  6. Mit Wut und voller Verbitterung – Vor 75 Jahren: Oldenburger Kreuzkampf. Kirchensite, 18. November 2011.
  7. Können Sie das, Herr Wulff?. Die Zeit. Ausgabe 24/2010.
  8. Thomas Schwierzi: Nazidiktatur: Widerstand in Südoldenburg – Arbeitsstelle der Uni Vechta legt neue Ergebnisse vor. Nordwestradio. 28. November 2012.

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