Kreditportfolio

Kreditportfolio ist im Bankwesen der gesamte Bestand aller in der Bankbilanz und im Geschäftsvolumen vorhandenen Kredite.

Zusammensetzung des Kreditportfolios

Ein Kreditportfolio entsteht durch die Gewährung von Krediten und deren Bilanzierung. Die Bankbilanz erfasst als Kreditvolumen die Kredite aller Art im Rahmen der Geldleihe (Kredite an natürliche Personen, Unternehmen, öffentliche Hand, Kredite an andere Staaten und deren Untergliederungen) am Bilanzstichtag. Im Geschäftsvolumen ist das außerbilanzielle Geschäft erfasst, wovon Bankavale, Akkreditive und Rembourskredite (Kreditleihe) und Kreditderivate als Sicherungsgeber zum Kreditportfolio gerechnet werden. Zum Kreditportfolio gehören mithin alle typischen Kreditrisiken, nicht jedoch die Bonitätsrisiken eines Anleiheschuldners; Wertpapiere zählen deshalb zum Wertpapierportfolio.

Allgemeines

Das Kreditportfolio ist ein Aggregat, das bei allen Arten von Kreditinstituten vorkommt und aus dem Kreditgeschäft – dem wichtigsten Bankgeschäft – resultiert. Das in einem Kreditportfolio enthaltene Kreditrisiko kann für Banken zu einem existenziellen Risiko werden, weil aus Kreditausfällen besonders hohe, das Eigenkapital der Bank gefährdende Verluste drohen können. Deshalb ist das Kreditportfolio ein wichtiger Untersuchungsgegenstand der Bankbetriebslehre. Da das Kreditportfolio mit einem Wertpapierportfolio vergleichbar ist, hat sie sich die Erkenntnisse der Portfoliotheorien zunutze gemacht.

Portfoliotheorien

Das Wertpapierportfolio war der klassische Untersuchungsgegenstand der Portfoliotheorien, deren Ausgangspunkt die im März 1952 von Harry M. Markowitz entwickelte „Portfolio Selection Theory“ ist.[1] Diese untersuchte zuerst das Investitionsverhalten an Kapitalmärkten insbesondere bei Wertpapieren wie Aktien und Anleihen. Die Untersuchung unterschied zwischen einem systematischen und einem unsystematischen Marktrisiko. Das systematische Risiko besteht darin, dass veränderte konjunkturelle Rahmenbedingungen, verifiziert durch ökonomische Fundamentaldaten (etwa Zinsniveau, Arbeitslosigkeit, Absatzkrise, Rezession), sich auf das Wertpapierportfolio auswirken. Das unsystematische Risiko hat mit der Bonität der Emittenten von Aktien und Anleihen zu tun und wirkt sich ebenfalls auf das Wertpapierportfolio aus. Ausgehend vom Idealfall des optimal diversifizierten Portfolios, wo das unsystematische Risiko vollständig eliminiert ist, wird versucht, die tatsächlichen Portfolios gegenüberzustellen.

George A. Akerlof befasste sich 1970 in seinem Aufsatz The Market for Lemons[2] mit den Erkenntnissen der „adverse selection“ (Negativauslese). Sie ist ebenfalls auf Portfolios anwendbar und führt zu einer Verschlechterung des Wertpapier-/Kreditportfolios, weil über ein unangemessenes Rating und nicht risikogerechte Zinsen die Emittenten/Kreditnehmer nicht mit ihrem wirklichen Risiko gemessen werden, so dass die „guten“ Emittenten/Kreditnehmer einen Anreiz zur Abwanderung/Kreditablösung wegen ungünstiger Konditionen verspüren und die „schlechten“ Emittenten/Kreditnehmer eher wegen zu günstiger Konditionen verbleiben wollen. Den guten wird nämlich eine zu hohe Risikoprämie (Kreditzins) abverlangt, den schlechten eine eher zu niedrige.[3] Folge ist, dass sich wegen dieser „adversen Selektion“ sehr wahrscheinlich nur noch schlechte Risiken im Portfolio befinden.

Auf den Geld- und Kapitalmärkten ist zu beobachten, dass im Falle beschränkender geldpolitischer Maßnahmen durch Zentralbanken (etwa Leitzinserhöhung, Mindestreserveerhöhung) über einer Verminderung der Kreditwürdigkeit von Kreditnehmern (etwa durch Wertverluste bei beliehenen Wertpapieren und Immobilien) die Kreditrisiken im Kreditportfolio der Banken steigen. Adverse Selektion und Moral Hazard – bedingt durch Informationsasymmetrien zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern – könnten Banken dann veranlassen, anstelle von Zinserhöhungen eine Kreditrationierung (Kreditklemme) mit kontraktiven Folgen für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage vorzunehmen.[4]

Übertragung auf das Kreditportfolio

Hans-Jacob Krümmel war noch 1976 der Auffassung, dass die Portfoliotheorie aus organisatorischen Gründen im Kreditgeschäft nicht anwendbar sei.[5] Er begründete dies insbesondere mit weitgehend dezentralisierten Kreditentscheidungen, die unkoordiniert ausfallen würden, und dem fehlenden Überblick der Entscheidungsträger. Krümmel übersah bei diesen – überwindbaren – organisatorischen Hindernissen ein wesentlich bedeutsameres Hindernis, nämlich das falsche Risikomaß. Markowitz misst nämlich das Risiko durch die Standardabweichung der Wertpapierrenditen, während im Kreditbereich als Risikomaß der Value at Risk heranzuziehen ist. Die Standardabweichung lässt nämlich keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit von Verlusten im Kreditportfolio zu.[6] Da der Value at Risk verfügbar ist und die organisatorischen Probleme beseitigt werden können, steht der Anwendung der Portfoliotheorie im Kreditgeschäft nichts im Wege.

Dabei ist zu bedenken, dass ein Kreditportfolio nicht bloß die Einzelrisiken aller Kredite addiert, sondern auch deren spezifische Interaktion untereinander berücksichtigt.[7] Durch die planmäßige Überwachung von Klumpenrisiken und Granularität können diese ungünstigen Korrelationsbeziehungen reduziert werden. Das Gesamtrisiko sinkt, je geringer die einzelnen Kredite positiv miteinander korrelieren. Demnach sinkt das Risiko durch Diversifikation, also Risikostreuung. Eine Risikostreuung kann entweder durch viele betraglich kleine Kredite (Granularität) oder durch Aufteilung in unterschiedliche Kreditnehmer, Fremdwährungen, Ratingklassen, Branchen und Regionen (Klumpenrisiko) erfolgen.

Verbesserung des Kreditportfolios

Die Risiken eines Kreditportfolios bestehen aus erwarteten und unerwarteten Kreditverlusten (expected/unexpected loss). Der unerwartete Verlust kann durch den Value at Risk ermittelt werden und ist umso niedriger, je geringer die Konzentration im Kreditportfolio ausfällt (Anzahl der Kreditnehmer, Verteilung des Kreditvolumens und Korrelation der Einzelkredite).[8] Das bankbetriebliche Kreditrisikomanagement hat die Aufgabe, eine Optimierung der Portfoliostruktur herbeizuführen. Konzentrationsanalysen teilen dabei das Kreditportfolio nach allen erdenklichen Kriterien auf, insbesondere nach Kreditnehmern und deren Korrelationen, Branchen, Regionen oder Währungen. Eine hohe positive Korrelation bedeutet, dass ein enger Zusammenhang zwischen bestimmten Kreditnehmern im Kreditportfolio besteht, so dass durch einen hoch positiv korrelierenden Neukredit das Gesamtrisiko im Portfolio überproportional wächst. Ziel muss es sein, Kredite mit möglichst negativen Korrelationen im Neukreditgeschäft zu gewähren. Das gelingt einerseits durch diese Risikodiversifikation, andererseits auch durch erhöhte Bonitätsanforderungen, Hereinnahme von Kreditsicherheiten, Kredithandel oder Kreditderivate. Kredithandel kommt alleine bereits deshalb zustande, weil ein verkaufsbereites Institut eine starke positive Korrelation vermindern möchte und das kaufwillige durch den gehandelten Kredit sogar eine negative Korrelation erzielen kann. Ist das Kreditportfolio hierdurch hoch diversifiziert, so wird ein Neukredit lediglich zu einer geringen Risikoprämie führen und umgekehrt. Ein Diversifizierungseffekt tritt ein, wenn die Korrelation der Kreditnehmer kleiner als +1 (bis maximal −1 bei einer negativen Korrelation) beträgt. Das systematische Kreditrisiko lässt sich durch Streuung wegdiversifizieren, während das unsystematische Risiko bei negativ korrelierenden Krediten eliminierbar ist. Dieser Diversifizierungseffekt wirkt sich auf den Credit Spread aus, denn bei geringen Konzentrationsrisiken (also etwa negativer Korrelation) kann der bankinterne Credit Spread unter den im Markt vorhandenen Credit Spread sinken und umgekehrt.[9] Der risikoadäquate Spread ist erreicht, wenn der bankinterne Credit Spread mit dem Marktspread übereinstimmt.

Verkauf von Kreditportfolien

Kreditportfolien oder Teile hiervon können zwischen Kreditinstituten verkauft bzw. gehandelt, gegen Kreditausfälle versichert oder mittels forderungsbesichertem Wertpapier (ABS) verbrieft werden. Der Handel mit Kreditportfolien ist in angelsächsischen Finanzmärkten bereits sehr weit entwickelt. In den Jahren seit 2002 wurden eine Reihe von Kreditportfolien auch in Deutschland verkauft. Hierbei wurden von deutschen Kreditinstituten häufig Portfolios mit leistungsgestörten Krediten an spezialisierte ausländische Investoren veräußert. Aber auch der Verkauf nicht leistungsgestörter Kredite hat aufgrund der strategischen Neuausrichtung vieler Institute zugenommen.

Vorteile des Verkaufs von Kreditportfolien

Durch den Verkauf von Teilen seines Kreditportfolios kann das Kreditinstitut sein Eigenkapital entlasten und Spielraum für die Einräumung neuer Kredite schaffen. Durch den Risikotransfer auf den erwerbenden Investor reduziert es überdies sein eigenes Kreditausfallrisiko.

Durch die Investition in ein Kreditportfolio ist es Investoren möglich, Kapital in Kredite an speziellen Zielgruppen zu investieren ohne selbst als Kreditgeber auftreten zu müssen. Hierdurch ist eine breitere Diversifizierung von Kreditrisiken möglich.

Nachteile des Verkaufs von Kreditportfolien

Häufig ist es Kreditnehmern nicht bekannt, dass ihr Kredit vom Kreditgeber veräußert werden kann. Mit dem neuen Kreditgeber wechseln nicht nur Ansprechpartner, sondern auch vielfach die Kulanz auf der Seite des Kreditgebers. Das Vertrauensverhältnis zwischen Kreditnehmer und (altem) Kreditgeber kann hierdurch gestört werden. Gerade bei Universalbanken ist dies ein für beide Seiten negativer Aspekt des Verkaufs.

Aktuelle Diskussion zum Verkauf von Kreditportfolien

Seit Ende 2007 findet in Deutschland eine politisch und emotional geführte Diskussion zum Verkauf von Kreditportfolien statt. Hierbei wird den ausländischen Investoren unterstellt, Kreditnehmer nicht leistungsgestörter Kredite zu übervorteilen. In diesem Zusammenhang prüft die Bundesregierung die Beschränkung der Möglichkeit des Verkaufs von Kreditportfolien.

Einzelnachweise

  1. Harry M. Markowitz, Portfolio Selection, in: Journal of Finance, 1/1952, S. 77–91
  2. George A. Akerlof, „The Market for Lemons“: Quality Uncertainty and the Market mechanism, in: Quarterly Journal of Economics, No. 84, 1970, S. 488–500
  3. Volker Tolkmitt, Neue Bankbetriebslehre, 2004, S. 143
  4. Otmar Issing, Geschichte der Nationalökonomie, 2001, S. 224
  5. Hans-Jacob Krümmel, Die Begrenzung des Kreditrisikos im Kreditwesengesetz aus der Sicht der Kredittheorie, in: ÖBA 1976, S. 194
  6. Peter Grundke, Modellierung und Bewertung von Kreditrisiken, 2003, S. 262
  7. Hanspeter Gondring/Edgar Zoller/Josef Dinauer, Real Estate Investment Banking, 2013, S. 24
  8. Tanja Schlösser, Problemkreditmanagement im deutschen Kreditgeschäft, 2011, S. 65
  9. Hans Paul Becker/Arno Peppmeier, Bankbetriebslehre, 2006, S. 363