Konvoi (Kernkraftwerk)

Die Konvoianlage Isar 2 mit dem 165 m hohen Kühlturm
Die Konvoianlage Emsland mit dem 152 m hohen Kühlturm

Konvoi ist eine in drei Anlagen realisierte und mehr oder weniger standardisierte Bauform von deutschen Kernkraftwerken der 1300–1400-MW-Klasse.[1] Sie sind – Stand 2022 – die letzten im Zuge des „Atomausstiegs“ noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke in Deutschland.

Geschichte

Konvoi wurde intern auch als Baulinie 80 bezeichnet. Die Konstruktion ist eine Weiterentwicklung der heute Vor-Konvoi genannten 3. Druckwasserreaktor-Generation des Herstellers Kraftwerk Union (KWU).

Die Konvoi-Anlagen Kernkraftwerk Isar, Kernkraftwerk Emsland und Kernkraftwerk Neckarwestheim wurden zwischen 1981 und 1989 von der KWU gebaut.[2] Sie sind damit die jüngsten Kernkraftwerke in Deutschland. Die ursprünglich vorgesehene Möglichkeit, neben der Stromerzeugung Prozessdampf z. B. für eine Fernwärmeversorgung bereitzustellen, wurde bei keinem der realisierten Kraftwerke umgesetzt. Fernwärme bei Kernkraftwerken ist global gesehen selten,[3] wurde jedoch in Deutschland zum Beispiel beim Kernkraftwerk Greifswald, einem Druckwasserreaktor sowjetischer (WWER) Bauart, über die gesamte Laufzeit der Anlage praktiziert.[4]

Die Bezeichnung als Konvoi deutet an, dass man von der Baugleichheit der Kraftwerke erleichterte und kürzere Genehmigungsverfahren erhoffte. Die angestrebte vollständige Standardisierung scheiterte allerdings an der föderalen Struktur des deutschen Genehmigungsrechts. Die Forderungen der drei jeweils zuständigen Landesgenehmigungsbehörden führten zu wesentlichen Unterschieden in der Ausführung der gebauten Anlagen.

Die Konvoi-Baulinie wurde 1991 KWU-intern zur Baulinie 95 (oder Advanced Konvoi) weiterentwickelt, gekennzeichnet durch eine elektrische Nennleistung bis 1500 MW, vollständig digitale Leittechnik (Teleperm XP/XS) und ein Ermüdungs-Überwachungssystem.

Ab 1996 wurde sie von Siemens Nuclear Power in Zusammenarbeit mit Framatome unter Einbeziehung von Merkmalen des französischen N4 zum EPR weiterentwickelt. Gleichzeitig wurden Merkmale der Konvoi-Technologie im Rahmen von Nachrüstungen in die älteren KWU-Anlagen integriert. Siemens Nuclear Power und Framatome wurden in Deutschland 2001 zum Unternehmen Framatome ANP GmbH fusioniert, das 2006 in Areva NP GmbH umbenannt wurde. Seit 2015 heißt die Kraftwerkssparte wieder Framatome GmbH. Siemens ist zwischenzeitlich aus dem Joint Venture ausgestiegen, liefert jedoch nach wie vor nicht-nukleare Teile (z. B. Dampfturbinen) für Kernkraftwerke.

Im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) stand ein Modell eines Konvoireaktors im Maßstab 1:5, die ROCOM (Rossendorf Coolant Mixing Test Facility). Mit seiner Hilfe konnten Strömungsvorgänge im Reaktor experimentell untersucht werden.

Konvoi-Anlagen

Deutschland

BezeichnungKürzelBundes-
land
Betrei-
ber
thermische
Reaktor-
leistung
in MW[5]
el. Brutto-
leistung
in MW[5]
el. Netto-
leistung
in MW[5]
Energie-
erzeugung
in TWh[6]
Reststrom-
menge
ab
Juli 2010 in
TWh[7]
Bau-
beginn
Kommer-
zieller
Betrieb
Außer
Betrieb[8]
(geplant)
Typ
Isar 2KKI 2BY BYE.ON3.9501.4851.410186,8110,315. September 19829. April 1988(2023)DWR
EmslandKKENI NIRWE3.8501.4061.335286,1114,910. August 198220. Juni 1988(2023)DWR
Neckarwestheim 2GKN 2BW BWEnBW3.8501.4001.310173,9125,19. November 198215. April 1989(2023)DWR

Stand: 2010[9]

Verworfene Anlagen

Weitere, geplante Konvoi-Kernkraftwerke in Deutschland waren die Projekte:

Einige Projekte wurden nach der Katastrophe von Tschernobyl aufgegeben, Borken und Hamm endgültig erst 1995. Die Planungen für Biblis C wurden nicht weiterverfolgt.

Literatur

  • R. Rieser und A. Kojetinsky: Kernkraftwerk Isar 2 – Modellanlage des „Konvois“. In: Kraftwerkstechnik 63, 12/1983

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kernkraftwerke in Deutschland. (Nicht mehr online verfügbar.) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, 11. Juli 2013, archiviert vom Original am 19. April 2014; abgerufen am 19. April 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bmub.bund.de
  2. Nuclear Energy Agency
  3. http://ecolo.org/documents/documents_in_english/cogeneration-nuc-csik-07.html
  4. https://nuklearia.de/2018/02/03/nukleare-fernwaerme/
  5. a b c Power Reactor Information System (Memento des Originals vom 16. Mai 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/pris.iaea.org der IAEO: „Germany, Federal Republic of: Nuclear Power Reactors“ (englisch)
  6. Nettostrom in TWh – Netto-Stromerzeugung in Milliarden Kilowattstunden seit der Inbetriebnahme bis Ende Dezember 2005 oder bis zur Abschaltung.
  7. Bundesamt für Strahlenschutz: Erzeugte Elektrizitätsmengen (netto) der deutschen Kernkraftwerke, Übertragung von Produktionsrechten und Erfassung der Reststrommengen@1@2Vorlage:Toter Link/www.bfs.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  8. aktuelle Reststrommengen und prognostizierte Abschaltunghttps://www.grs.de/de/aktuelles/befristeter-weiterbetrieb-drei-deutsche-atomkraftwerke-laufen-im-streckbetrieb-weiter
  9. Quellen: Bundesamt für Strahlenschutz, Informationskreis KernEnergie

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