Kommunalparlament

Als Kommunalparlament[1] oder Kommunalvertretung[2] werden Volksvertretungen bezeichnet[3][4][5][6], die durch Wahlen zustande kommen und deren Aufgaben sich auf die Verwaltung von Gemeinden oder ähnlichen kommunalen, lokalen und regionalen Gebietskörperschaften beziehen. Die Bezeichnung als Parlament wird insbesondere auch dann umgangssprachlich und in der Politikwissenschaft verwendet[7][8], wenn es sich wie zum Beispiel in Deutschland und Österreich nicht um Parlamente im engeren Sinne handelt, sondern lediglich um Organe und Elemente der Selbstverwaltung. Ihre amtliche Bezeichnung variiert je nach Staat bzw. Bundesland und kann auch von der Größe der Gemeinde abhängig sein.

Parlamentsbegriff

Nach der Staatsrechtslehre sind Parlamente Teil der Legislative, das heißt sie können Gesetze im Gesetzgebungsverfahren erlassen. Solche gewählten Vertretungen mit Gesetzgebungskompetenz gibt es auf nationaler Ebene sowie in föderativen Staaten auch auf der Ebene von Gliedstaaten. Dies gilt etwa für deutsche und österreichische Bundesländer, Kantone in der Schweiz aber auch Bundesstaaten in den USA und Brasilien. Solche Gliedstaaten haben in der Regel vollwertige Parlamente.

Die gewählten Vertretungen der unteren Ebene dürfen zum Beispiel in Deutschland und Österreich jedoch keine Gesetze erlassen. Sie beschließen Rechtsetzungsakte (untergesetzliche Normen, wie kommunale Satzungen) und Verwaltungsgrundsätze in ihrem Wirkungskreis im Rahmen gesetzlicher Vorgaben sowie weiterer Beschlüsse. Es handelt sich bei ihnen um die Bürgervertretungen der Selbstverwaltungskörperschaften. In Deutschland ist in diesem Zusammenhang von der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie die Rede, die in Artikel 28 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland festgeschrieben ist. In Österreich spricht man von Gemeindeselbstverwaltung, die dort einfachgesetzlich geregelt ist.[9]

Die kommunale Ebene hat in der Regel auch keine eigene Judikative und an die Stelle einer Verfassung tritt beispielsweise eine Gemeindeordnung oder -satzung, welche durch höhere Ebenen der Verwaltung erlassen worden werden können. Die Mitglieder von Kommunalparlamenten genießen auch nicht den für tatsächliche Parlamentsabgeordnete verfassungsmäßig garantierten Schutz der Immunität und Indemnität. Die Entscheidungen dieser Selbstverwaltungsorgane können zudem durch die Kommunalaufsicht oder die Verwaltungsgerichte aufgehoben oder ersetzt werden.[10][11]

In der Politikwissenschaft wird argumentiert, dass Kommunalvertretungen funktional als Parlamente verstanden werden können, wenn die politischen Dynamiken denen nationaler Parlamente gleichen.[7] Dazu kann der Gegensatz aus Regierungs- und Oppositionsfraktionen gehören oder die Art und Weise, wie im politischen Aushandlungsprozess Einigungen zustande kommen. Auch die Arbeitsweise von Ausschüssen ist mit denen von Parlamenten vergleichbar.

Situation in einzelnen Staaten

Deutschland

Kommunalvertretungen sind im deutschen Rechtssystem als Organe der Selbstverwaltung definiert und keine Parlamente, sondern reine Verwaltungsorgane.[12] Historisch bedingt gibt es in Deutschland eine Vielzahl an unterschiedlichen Bezeichnungen für die gewählten Vertretungen auf kommunaler Ebene ohne Gesetzgebungskompetenz. Auf Kreisebene werden diese nahezu einheitlich als Kreistag bezeichnet.[13]

Bezeichnungen kommunaler Vertretungen in den deutschen Flächenländern[14]
BundeslandGemeindeStadt
Baden-Württemberg Baden-WürttembergGemeinderatGemeinderat
Bayern BayernGemeinderat bzw.

Marktgemeinderat

Stadtrat
Brandenburg BrandenburgGemeindevertretungStadtverordnetenversammlung
Hessen HessenGemeindevertretungStadtverordnetenversammlung
Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburg-VorpommernGemeindevertretungStadtvertretung (in den Hansestädten: Bürgerschaft)
Niedersachsen NiedersachsenRat der GemeindeRat der Stadt
Nordrhein-Westfalen Nordrhein-WestfalenGemeinderatStadtrat
Rheinland-Pfalz Rheinland-PfalzGemeinderatStadtrat
Saarland SaarlandGemeinderatStadtrat
Sachsen SachsenGemeinderatStadtrat
Sachsen-Anhalt Sachsen-AnhaltGemeinderatStadtrat
Schleswig-Holstein Schleswig-HolsteinGemeindevertretung bzw.

Gemeindeversammlung

Stadtvertretung
Thüringen ThüringenGemeinderatStadtrat

Die Länder Berlin, Hamburg und Bremen sind abweichend aufgebaut. Berlin und Hamburg sind sogenannte als Einheitsgemeinden, dort bilden die Bezirke die kommunale Ebene, in denen Bezirksverordnetenversammlungen (Berlin) beziehungsweise Bezirksversammlungen (Hamburg) gewählt werden. Das Land Bremen wiederum gliedert sich in die beiden Kommunen Bremen und Bremerhaven. In Bremerhaven gibt es eine Stadtverordnetenversammlung, während die aus dem Gebiet der Gemeinde Bremen gewählten Mitglieder des Landesparlaments in Realunion die Mitglieder der Bremischen Stadtbürgerschaft, also der kommunalen Vertretung sind.

Österreich

In Österreich wird die gewählte kommunale Vertretung als Gemeinderat bezeichnet, nur die Länder Vorarlberg und Salzburg kennen die Bezeichnung Gemeindevertretung. Umgangssprachlich ist jedoch auch in Österreich der Ausdruck Kommunalparlament verbreitet.[15][16]

Schweiz

In der Schweiz verfügen die gewählten Vertretungen größerer Gemeinden nach dem helvetischen Selbstbestimmungsprinzip auch über Gesetzgebungskompetenz, sie werden daher korrekterweise als Gemeindeparlament bezeichnet.[17]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Ortlieb Fliedner: Grundwissen Kommunalpolitik: 14. Kommunalverwaltung. Friedrich-Ebert-Stiftung, November 2019, abgerufen am 10. März 2025.
  2. Kommunalvertretung. Abgerufen am 10. März 2025.
  3. England nach Kommunalwahl: Konservative mit vielen Mandatsverlusten. 5. Mai 2023, abgerufen am 10. März 2025.
  4. Stadtrat von Rom: Enkelin von Mussolini erhält die meisten Stimmen. In: Der Spiegel. 6. Oktober 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 10. März 2025]).
  5. Jan Feddersen: Roadtrip durch die US-Südstaaten: Wahlkampf? Welcher Wahlkampf? In: Die Tageszeitung: taz. 24. Oktober 2024, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 10. März 2025]).
  6. Bundesratspräsident in Angola. Archiviert vomOriginal am 3. November 2019; abgerufen am 10. März 2025 (deutsch).
  7. a b Lars Holtkamp: Kommunale Konkordanz- und Konkurrenzdemokratie Parteien und Bürgermeister in der repräsentativen Demokratie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-531-15651-4, doi:10.1007/978-3-531-90811-3.
  8. socialnet GmbH: Kommunalpolitik | socialnet Lexikon. Abgerufen am 10. März 2025.
  9. Franz Fallend, Armin Mühlböck, Elisabeth Wolfgruber: Die österreichische Gemeinde. Fundament oder „Restgröße“ im Mehrebenensystem on Kommunen, Ländern, Bund und Europäischer Union? In: Forum Politische Bildung (Hrsg.): Regionalismus, Föderalismus, Supranationalismus. Wien, Innsbruck 2001, DNB 961766115, S. 45–61 (demokratiezentrum.org [PDF]).
  10. Jörg-Dieter Oberrath: Öffentliches Recht. München 2017, DNB 1121129994, S. 11.
  11. Jörn Ipsen: Allgemeines Verwaltungsrecht. München 2017, DNB 112112951X, S. 80.
  12. Ausarbeitung. Zur interfraktionellen Zusammenarbeit im Sinne des § 47 Abs. 2 Abgeordnetengesetz. Wissenschaftliche Dienste. Deutscher Bundestag., 13. Dezember 2017, abgerufen am 10. März 2025.
  13. Eine hiervon abweichende Bezeichnung findet sich in den drei bestehenden Kommunalverbänden besonderer Art, in denen die gewählte Vertretung als Regionsversammlung (Hannover), Städteregionstag (Aachen) beziehungsweise als Regionalversammlung (Saarbrücken) bezeichnet wird.
  14. Elena Frank et al: Was ist Verwaltung? In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Informationen zur politischen Bildung / izpb. Band 333, 28. September 2017, ZDB-ID 500774-4, S. 36–55 (bpb.de [PDF]).
  15. Niederösterreich fixiert Termin für Gemeinderatswahlen am 26. Jänner. In: DerStandard.at. Oscar Bronner, 28. Februar 2024, abgerufen am 8. März 2025.
  16. Gemeinderat. In: Politiklexikon. Verlag Jungbrunnen, im Auftrag des österreichischen Bildungsministeriums, abgerufen am 8. März 2025.
  17. Föderalismus. In: About Switzerland. Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA, 24. April 2024, abgerufen am 8. März 2025.

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