Kerstin Wolff

Kerstin Wolff (* 1967 in Düsseldorf) ist eine deutsche Historikerin. Sie leitet die Forschungsabteilung bei der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland.

Beruflicher Werdegang

Kerstin Wolff studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Kunstgeschichte an der Gesamthochschule Kassel – heute Universität Kassel. 1995 wurde sie wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Heide Wunder und beschäftigte sich mit dem Einfluss protestantischer Fürstinnen auf die Regierung ihrer Länder. 1999 übernahm sie die Leitung der Forschungsabteilung bei der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel. 2002 wurde sie an der Universität Kassel mit einer Arbeit zum Einfluss bürgerlicher Frauen auf die Kommunalpolitik des 19. Jahrhunderts promoviert.

Sie ist Redakteurin der historischen Fach-Zeitschrift der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung, Ariadne – Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte. Die Ariadne erscheint durchgehend seit 1986 und ist damit eine der ältesten geschlechtergeschichtlichen Zeitschriften der Bundesrepublik. Wolff ist Mitglied in der Interdisziplinären Arbeitsgruppe (IAG) Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität Kassel und ist dort auch als Lehrbeauftragte tätig.[1] Sie ist Vorstandsmitglied des Arbeitskreises historische Frauen- und Geschlechterforschung e.V. und Mitglied im AK hessische Zeitgeschichte sowie im AK Geschlechterbewegung.

Forschungsschwerpunkte

Wolff forscht und arbeitet zur Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland und deckt mit ihren Arbeiten die Zeit zwischen 1848 und 1970 ab. Dabei gilt ihr Interesse einem breiten Themenspektrum. So hat sie zum Beispiel ein Buch über die Sittlichkeitsdebatte in der Frauenbewegung um 1900 (Abolitionismus) veröffentlicht, in dem sie die aktive Abolitionistin Anna Pappritz vorstellt. Sie konnte nachweisen, dass der Abolitionismus um 1900 nicht konservativ geprägt war und dass die ‚alte‘ Frauenbewegung durch die Debatte um Prostitution mit dazu beitrug, dieses gesellschaftliche Phänomen überhaupt erst besprechbar zu machen. Das Buch gilt als eines „der bedeutendsten Bücher nicht nur zum Abolitionismus in Deutschland, sondern überhaupt zur ersten Frauenbewegung“.[2]

Im Jubiläumsjahr 2018 wandte sich Wolff dem Kampf um das Frauenwahlrecht zu. Zusammen mit Hedwig Richter organisierte sie 2017 eine Tagung zu diesem Thema, die zugleich eine inhaltliche Vorbereitung für die große Frauenwahlrechtsausstellung im Historischen Museum FrankfurtDamenwahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht – war. Die Vorträge auf der Tagung wurden unter dem Titel Frauenwahlrecht. Demokratisierung der Demokratie in Deutschland und Europa veröffentlicht.[3] Gleichzeitig publizierte sie einen eigenständigen Band,[4] hielt zahlreiche Vorträge und organisierte vielfältige Aktivitäten zu 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland. Dabei ist ihre Hauptthese, dass auch die deutschen Frauen um das Frauenwahlrecht gekämpft haben und dabei sehr erfolgreich waren. Sie widerspricht damit älteren Forschungen, die von einer konservativen Frauenwahlrechtsbewegung in Deutschland ausgingen, die (im internationalen Vergleich) zu spät einsetzte und auch vorsichtiger argumentierte und agierte als in anderen europäischen Ländern.[5] Sie bezieht sich dabei auf Arbeiten von Gisela Bock und Angelika Schaser. Zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung konzipierte sie ein Onlinedossier zum Kampf um das Frauenwahlrecht in Deutschland.[6]

Wolff hat auch Arbeiten zum Internationalen Frauentag oder auch einzelnen Frauenrechtlerinnen wie Helene Stöcker oder Louise Otto-Peters vorgelegt sowie zu den ‚Vererbungsprozessen‘ innerhalb der Frauenbewegungsphasen publiziert. Außerdem forscht sie über die Nachkriegszeit, insbesondere über die unabhängigen Frauenausschüsse und über deren Protagonistinnen wie beispielsweise Fini Pfannes.

Wolffs Engagement richtet sich auch auf die interessierte Öffentlichkeit. So hat sie zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung ein Online-Dossier zur Geschichte der Frauenbewegung erarbeitet,[7] veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Artikel zur Geschichte der Frauenbewegung, beteiligt sich an Blogs, hält Vorträge und gibt Interviews im Fernsehen und Rundfunk.[8]

Sie gehört dem Wissenschaftlichen Beirat des Vereins Weimarer Republik zum Haus der Weimarer Republik an.[9]

Preise

  • 2003 Elisabeth-Selbert-Preis des Landes Hessen für ihre Dissertation Stadtmütter. Bürgerliche Frauen und ihr Einfluss auf die Kommunalpolitik im 19. Jahrhundert[10]
  • 2018 2. Platz des Argula-von-Grumbach-Preises der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für Aufsatz „Die Geschichte des Frauenwahlrechts in Deutschland neu erzählen“[11]

Schriften

Monografien

  • Anna Pappritz (1861–1939). Die Rittergutstochter und die Prostitution, Sulzbach/Ts. 2017.
  • Zusammen mit Gilla Dölle: »Respekt für die Provinz«. Kassel – die Stadt der starken Frauenbewegung, ein Streifzug durch 150 Jahre (Schriftenreihe des Archivs der deutschen Frauenbewegung, Bd. 15), Kassel 2013.
  • „Stadtmütter“. Bürgerliche Frauen und ihr Einfluss auf die Kommunalpolitik im 19. Jahrhundert, Königstein i.Ts. 2003.[12]
  • Zusammen mit Elke Schüller: Fini Pfannes (1894–1967). Protagonistin und Paradiesvogel der Nachkriegsfrauenbewegung, Königstein i.Ts. 2000.
  • „Wir wollen die Anerkennung der Hausfrauentätigkeit als Beruf“. Der Kasseler Hausfrauenverein 1915–1935, Schriftenreihe des Archivs der deutschen Frauenbewegung, Bd. 10, Kassel 1995

Herausgeberschaften

  • Zusammen mit Hedwig Richter (2017), Frauenwahlrecht. Die Demokratisierung der Demokratie in Deutschland und Europa. Hamburg: Hamburger Edition, 2017.
  • Zusammen mit Reinhold Lütgemeier-Davin in Kooperation mit der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung (Hrsg.): Helene Stöcker – Lebenserinnerungen. Die unvollendete Autobiographie einer frauenbewegten Pazifistin. Wien u. a. 2015 (L'HOMME Archiv, Band 5).[13][14]
  • zusammen mit Julia Paulus und Eva-Maria Silies: Zeitgeschichte als Geschlechtergeschichte. Neue Perspektiven auf die Bundesrepublik. Frankfurt a. M. 2012.[15]
  • zusammen mit Eva Schöck-Quinteros, Anja Schüler und Annika Wilmers: Politische Netzwerkerinnen. Internationale Zusammenarbeit von Frauen 1830–1960. Berlin 2007.[16]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. IAG Frauen- und Geschlechterforschung: Startseite. Abgerufen am 6. Dezember 2018.
  2. Rolf Löchel: Die Prostitutionsexpertin - Kerstin Wolffs Studie über Anna Pappritz und den Abolitionismus hat das Zeug zum Standardwerk : literaturkritik.de. 31. Januar 2018, abgerufen am 6. Dezember 2018 (deutsch).
  3. Hedwig Richter, Kerstin Wolff (Hrsg.): Frauenwahlrecht. Demokratisierung der Demokratie in Deutschland und Europa. Hamburg 2018, ISBN 978-3-86854-323-0.
  4. Kerstin Wolff: Unsere Stimme zählt Die Geschichte des deutschen Frauenwahlrechts. Bast Medien, Überlingen 2018, ISBN 978-3-946581-52-9.
  5. z. B. Christel Wickert (Hrsg.): Heraus mit dem Frauenwahlrecht, Pfaffenweiler 1990.
  6. Bundeszentrale für politische Bildung: Frauenwahlrecht (Dossier). Abgerufen am 6. Dezember 2018.
  7. Bundeszentrale für politische Bildung: „Frauenbewegung“ (abgerufen 16. Dezember 2015).
  8. Beispielsweise im NDR, Klassik à la carteStudiogäste: Hedwig Richter und Kerstin Wolff
  9. Haus der Weimarer Republik • Haus der Weimarer Republik. (PDF) (Nicht mehr online verfügbar.) Weimarer Republik e.V., archiviert vom Original am 12. August 2019; abgerufen am 29. Juli 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hdwr.de
  10. Liste der Preisträgerinnen seit 1983, [1]
  11. Barbara Pühl: Bayerische Landeskirche verleiht Argula-von-Grumbach-Preis - ELKB. In: Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern. 19. Februar 2019, abgerufen am 23. März 2019.
  12. Kerstin Wolff: Stadtmütter: Bürgerliche Frauen und ihr Einfluss auf die Kommunalpolitik im 19. Jahrhundert (1860–1900). Ulrike Helmer Verlag, Königstein 2003, ISBN 3-89741-122-9 (hsozkult.de [abgerufen am 6. Dezember 2018]).
  13. Helene Stöcker: Lebenserinnerungen: Die unvollendete Autobiographie einer frauenbewegten Pazifistin, hrsg. v. Reinhold Lütgemeier-Davin u. Kerstin Wolff. Böhlau Verlag Köln, Köln 2015, ISBN 978-3-412-22466-0 (hsozkult.de [abgerufen am 6. Dezember 2018]).
  14. Hedwig Richter: Erinnerungen Helene Stöckers: Geistig sei die große Liebe und gut der Sex. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 6. Dezember 2018]).
  15. Julia Paulus, Eva-Maria Silies, Kerstin Wolff: Zeitgeschichte als Geschlechtergeschichte: Neue Perspektiven auf die Bundesrepublik. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-593-39742-9 (hsozkult.de [abgerufen am 6. Dezember 2018]).
  16. Eva Schöck-Quinteros, Anja Schüler, Annika Wilmers, Kerstin Wolff: Politische Netzwerkerinnen: Internationale Zusammenarbeit von Frauen 1830-1960. Trafo Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-89626-641-5 (hsozkult.de [abgerufen am 6. Dezember 2018]).