Kazimierz Kutz

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Kazimierz Kutz (2011)

Kazimierz Julian Kutz (* 16. Februar 1929 in Katowice-Szopienice; † 18. Dezember 2018[1]) war ein polnischer Film- und Theaterregisseur, Autor und Politiker. Sein Familienname wurde zu Zeiten der Volksrepublik Polen „Kuc“ geschrieben.[2] Er gilt als einer der geistigen Väter der oberschlesischen Autonomiebewegung.[3]

Jugend

Der Sohn eines Eisenbahners, welcher auf Seiten der polnischen Verbände an den Schlesischen Aufständen 1919 bis 1921 teilgenommen hatte, besuchte während der deutschen Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg eine deutsche Volksschule.[4] Mit 14 Jahren wurde er zur Zwangsarbeit ins „Altreich“ deportiert.[5]

Künstlerisches Schaffen

Film

Unter dem Namen „Kuc“ studierte er von 1949 bis 1954 an der Filmhochschule Łódź das Fach Regie.[6] Im letzten Studienjahr wirkte er als Regieassistent bei Andrzej Wajdas Film Eine Generation mit. Sein eigenes Regiedebüt stellte 1959 der Film Krzyż walecznych (Tapferkeitskreuz) dar. Es war der Auftakt zu 20 Spielfilmen, von denen sechs die Geschichte seiner Heimat Oberschlesien thematisieren. Als sein Hauptwerk gilt die in den 1920er- und 1930er-Jahren angesiedelte Schlesische Trilogie, bestehend aus den Filmen Sól ziemi czarnej (Salz der schwarzen Erde, 1970)[7], Perła w koronie (Die Perle in der Krone, 1972)[8] und Paciorki jednego różańca (Wie Perlen im Rosenkranz, 1979). Helden der drei Filme sind oberschlesische Bergarbeiter, die propolnisch gesinnt sind. Die Deutschen sind darin schematisch und eher negativ dargestellt.[9]

Nach der politischen Wende von 1989 setzte er sich in mehreren Filmen kritisch mit der kommunistischen Vergangenheit auseinander. In Śmierć jak kromka chleba (Tod ist wie eine Scheibe Brot, 1994) thematisierte er die Niederschlagung eines Streiks in der Zeche „Wujek“ zu Beginn des Kriegsrechts in Polen im Dezember 1981.[10] In der Filmkomödie Pułkownik Kwiatkowski (Oberst Kwiatkowski, 1995) nahm er den kommunistisch kontrollierten Staatssicherheitsdienst SB aufs Korn.[11]

Theater

Kutz hat 20 Theaterstücke inszeniert, darunter im Warschauer Nationaltheater (Teatr Narodowy) und im Alten Theater (Stary Teatr) in Krakau. Überdies hat er für das in Polen populäre „Theater im Fernsehen“ (Teatr Telewizji) wiederholt Regie geführt.[12]

Literatur

1999 legte er den autobiografischen Band Klapsy i ścinki („Klapse und Schnitzel“) vor, in dem er nicht nur Episoden aus seinem eigenen Werdegang schildert, sondern auch anekdotenreiche Porträts von Zeitgenossen zeichnet, darunter des Komponisten Wojciech Kilar, des Dichters Tadeusz Różewicz sowie seiner Berufskollegen Andrzej Wajda und Krzysztof Zanussi.[13]

2010 publizierte er den Roman Piąta strona świata („Die fünfte Seite der Welt“).[14]

Kutz im Jahr 2006

Politische Tätigkeit

Volksrepublik Polen bis 1989

Ein von Kutz am 9. Juni 1968 in der Filmzeitschrift „Ekran“ publizierter Essay, in dem er bürokratische Hürden für die Filmemacher beklagte, wurde von der Kulturabteilung der Arbeiterpartei genutzt, die künstlerische Elite Warschaus zu attackieren. Die Partei führte damals eine Kampagne vor allem gegen jüdische Intellektuelle, Kutz wurde als deren Opfer dargestellt.[15]

In den 1970er-Jahren nahm er wiederholt an Beratungen der Kulturabteilung des Zentralkomitees der PVAP teil. Für seinen Film Linia (Linie, 1975) wurde er mit dem hohen Orden der Wiedergeburt Polens ausgezeichnet. 1976 wurde er zum Chefregisseur des Kattowitzer Studios des staatlichen Fernsehsenders TVP ernannt.[16]

Doch blieb den Behörden nicht verborgen, dass er zunehmend kritisch gegenüber dem Regime eingestellt war. Von Mitte der 1970er-Jahre an wurde er systematisch vom SB überwacht. Als Beobachtungsobjekt bekam er den Codenamen „Reżyser“ (Regisseur). Es wurde registriert, dass Kutz Kontakt zum Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) aufnahm. 1980 schloss er sich der Demokratiebewegung um die Gewerkschaft Solidarność an.[17] 1981 gehörte er zu den Organisatoren des I. Kongresses der Polnischen Kultur in Warschau, der Freiheit der Kunst und ein Ende der Zensur forderte.[18] Unter dem Kriegsrecht wurde er als Regimegegner interniert. Er kam dank der Fürsprache des Kattowitzer Bischofs Herbert Bednorz[19] nach einer Woche[20] frei.

Republik Polen seit 1989

Nach der politischen Wende von 1989/90 wurde er für ein Jahr Direktor der Kattowitzer Abteilung der TVP. Von 2000 bis 2004 leitete er die Krakauer Abteilung des staatlichen Senders.[21]

1997 wurde er erstmals als unabhängiger Kandidat auf der Liste der liberal orientierten Freiheitsunion in den Senat gewählt. 2001 wurde er wiedergewählt und übernahm für diese Legislaturperiode das Amt des stellvertretenden Senatsmarschalls. Auch 2005 wurde er in den Senat gewählt. Im Präsidentschaftswahlkampf desselben Jahres gehörte er dem Wahlkomitee des sozialdemokratischen Kandidaten Włodzimierz Cimoszewicz an.[22] Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 2007 errang er ein Sejm-Mandat für die liberalkonservative Platforma Obywatelska (PO). Doch verließ er die PO-Fraktion 2010 aus Solidarität mit dem Abgeordneten Janusz Palikot, der eine eigene linksliberale Gruppierung gründete.[23] 2011 zog er als Unabhängiger für den Wahlkreis Kattowitz erneut in den Senat ein.[24]

Als Abgeordneter fand er wiederholt mit Angriffen auf die katholische Kirche ein Echo in den Medien und wurde deshalb von nationalkatholischen Kreisen heftig angegriffen. Er setzte sich für die Rechte von Frauen und homosexuellen Paaren ein.[25]

Wiederholt kritisierte er die Politik Warschaus gegenüber seiner Heimatregion Oberschlesien.[26] Offen unterstützte er die Bewegung für die Autonomie Schlesiens (RAŚ).[27]

Kutz starb im Dezember 2018 im Alter von 89 Jahren. Er war dreimal verheiratet und hatte zwei Söhne und zwei Töchter.[28]

Filmografie als Regisseur

  • 1958: Tapferkeitskreuz (Krzyż Walecznych)
  • 1960: Niemand ruft (Nikt nie woła)
  • 1961: Ludzie z pociągu
  • 1961: Tarpany – auch Drehbuch
  • 1963: Das Schweigen (Milczenie)auch Drehbuch
  • 1964: Upał
  • 1966: Wer kennt diese Frau? (Ktokolwiek wie)
  • 1967: Skok – auch Drehbuch
  • 1969: Das Salz der schwarzen Erde (Sól ziemi czarnej)auch Drehbuch
  • 1971: Eine Perle in der Krone (Perła w koronie)auch Dialoge
  • 1975: Linia – auch Drehbuch
  • 1975: Znikąd donikąd
  • 1979: Perlen eines Rosenkranzes (Paciorki jednego różańca)auch Dialoge
  • 1983: Das Losungswort (Na Straży swej stać będę)auch Dialoge
  • 1986: Wkrótce nadejdą bracia – auch Drehbuch
  • 1993: Straszny sen Dzidziusia Górkiewicza
  • 1994: Śmierć jak kromka chleba – auch Dialoge
  • 1994: Ein Wendehals (Zawrócony)auch Dialoge
  • 1995: Die tollkühne List des Oberst Kwiatkowski (Pułkownik Kwiatkowski)
  • 1997: Sława i Chwała

Weblinks

Commons: Kazimierz Kutz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Polnischer Filmemacher Kazimierz Kutz gestorben, Kulturnachrichten im Deutschlandfunk Kultur, erschien und abgerufen 19. Dezember 2018
  2. [1]@1@2Vorlage:Toter Link/muzyka.interia.pl (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. interia.pl, 12. Februar 2009.
  3. [2] Die Welt, 12. April 2011.
  4. http://www.filmlandpolen.de/index.php?id=155
  5. [3] Die Welt, 16. Februar 2009.
  6. [4]@1@2Vorlage:Toter Link/muzyka.interia.pl (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. interia.pl, 12. Februar 2009.
  7. http://www.imdb.com/title/tt0066323/
  8. http://www.imdb.com/title/tt0069078/
  9. [5] Die Welt, 16. Februar 2009.
  10. http://www.filmpolski.pl/fp/index.php/125975X
  11. [6] Gazeta Wyborcza (Ausgabe Lublin), 29. April 2013.
  12. http://www.filmpolski.pl/fp/index.php/111641
  13. [7]@1@2Vorlage:Toter Link/www.znak.com.pl (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Webseite des Verlags Znak
  14. [8] Dziennik Zachodni, 5. Februar 2013.
  15. Aleksandra Klich: Cały ten Kutz. Biografia niepokorna. Kraków 2009, S. 60.
  16. [9] wiadomosci24.pl, 16. Februar 2009.
  17. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 27. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/katalog.bip.ipn.gov.pl Internet-Bulletin des Instituts für Nationales Gedenken (IPN)
  18. [10] Webseite des Nationalen Kulturzentrums der Republik Polen (NCK)
  19. http://www.katolicy.eu/PRL/Bednorz.htm
  20. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 27. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/katalog.bip.ipn.gov.pl Internet-Bulletin des Instituts für Nationales Gedenken (IPN)
  21. [11] Webseite des Senats der Republik Polen (VIII. Legislaturperiode)
  22. http://lewica.pl/index.php?id=3044
  23. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 24. September 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.polskatimes.pl, Polska Times, 8. Oktober 2010.
  24. [12] Website des Senats der Republik Polen (VIII. Legislaturperiode)
  25. [13] fronda.pl, 26. Februar 2012.
  26. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 8. Juni 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/film.onet.pl film.onet.pl, 13. Mai 2013.
  27. [14] Rzeczpospolita, 21. August 2011.
  28. Directing legend and ‘man of the people’ politician Kazimierz Kutz dies, thefirstnews.com, 18. Dezember 2018

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