Karl Blecha

Karl Blecha (2012)

Karl Blecha (* 16. April 1933 in Wien), genannt Charly Blecha, ist ein österreichischer Politiker der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ). Blecha war von 1983 bis 1989 Innenminister der Republik Österreich, 1989 trat er von seinen Ämtern aufgrund seiner Verwicklung in die Lucona-Affäre und die Noricum-Affäre zurück. Von 1999 bis 2018 war er Präsident des Pensionistenverbands Österreichs.

Politische Karriere

Karl Blecha studierte nach der Matura am Bundesgymnasium Wien-Döbling (1952) Psychologie, Soziologie und Ethologie an der Universität Wien. Daneben arbeitete er als Werbeleiter bei der Büchergilde Gutenberg, als Lektor im Europa Verlag und als Leiter der Wiener Redaktion der steirische Tageszeitung „Neue Zeit“. In dieser Zeit war er auch Herausgeber und Chefredakteur des "Journal für Sozialforschung".

Nach weiteren Studien in Köln und einem Praktikum am Institut für angewandte Sozialwissenschaft in Bad Godesberg gründete Blecha 1963 das Wiener Sozialforschungsinstitut (ab 1965: Institut für empirische Sozialforschung [IFES]), als dessen Direktor er bis 1975 fungierte. In dieser Zeit schuf er den „Opinion Leader-Index“ zur besseren Erforschung der öffentlichen Meinung, veröffentlichte zahlreiche sozialwissenschaftliche Studienberichte und Beiträge. Das 1970 am Institut erstellte Computermodell zur Interpretation von Wahlergebnissen gilt als Vorläufer heutiger Wählerstromanalysen.

Politisch engagierte sich Karl Blecha bereits als Schüler im Verband Sozialistischer Mittelschüler (VSM), dessen erster Bundesobmann er wurde und später im Rahmen des Verbandes Sozialistischer Studenten Österreichs (VSStÖ), dessen Vorsitzender er 1954 bis 1956 war. In der Österreichischen Hochschülerschaft war er an der Universität Wien stellvertretender Vorsitzender und in der Jungen Generation der SPÖ Bundesvorsitzender. Ab 1964 im Vorstand der SPÖ Niederösterreich, verband ihn eine enge Beziehung zu Bruno Kreisky.

1970 zog er in den Nationalrat ein, wo er als Sprecher für Justiz-, Wissenschafts-, Kultur-, Medien- und Landesverteidigungsfragen tätig war. Blecha gilt als einer der Initiatoren der Herabsetzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate, wirkte maßgeblich an allen Rechtsreformen seit 1970 mit und hatte damit maßgeblich zum Erfolg des österreichischen Weges beigetragen.

1975 avancierte der Sozialwissenschaftler zum Zentralsekretär der SPÖ, 1981 zum stellvertretenden Parteivorsitzender. Als Wahlkampfleiter entwickelte Blecha eine neue Form der politischen Werbung, die dazu beitrug, dass Bruno Kreisky dreimal absolute Mehrheiten bei Nationalratswahlen erreichte (1971, 1975 und 1979).

Von 1976 bis 1989 war er der Vorsitzende der SPÖ Bildung[1]. Während seiner Amtszeit waren stand Österreich vor den Herausforderungen des Kalten Krieges, und Karl Blecha und die SPÖ-Bildung waren aktiv an Diskussionen über Neutralität und internationale Beziehungen beteiligt[2].

Im Mai 1983 berief ihn Fred Sinowatz als Innenminister in die von ihm geführte SPÖ-FPÖ-Regierung. Diese Funktion behielt Blecha auch unter dessen Nachfolger Franz Vranitzky. In seine Amtszeit fiel auch eine als Alpenfehde bekannt gewordene Auseinandersetzung mit dem deutschen Bundesland Bayern. 1989 trat er in Folge von Angriffen im Zusammenhang mit den Skandale um Noricum und Lucona (Udo Proksch) von seinen politischen Funktionen zurück (s. u.).

Karl Blecha gründete nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik das Mitropa-Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung. Nachdem er sich 1999 aus der operativen Geschäftsführung des Instituts zurückgezogen hatte, wurde er zum Präsidenten des SPÖ-nahen Pensionistenverbandes Österreichs gewählt. Am 16. April 2018, an seinem 85. Geburtstag, legte Blecha diese Funktion, die er fast zwei Jahrzehnte lang erfolgreich geführt hatte, zurück. Jedes zweite Jahr (zuletzt 2017) fungierte er auch als Präsident des Österreichischen Seniorenrates. Er war der am längsten dienende Chef einer Seniorenorganisation und machte den Seniorenrat zu einem Machtfaktor der österreichischen Innenpolitik.

Darüber hinaus war Blecha in verschiedenen Organisationen tätig, etwa als Präsident der Europäischen Seniorenorganisation (ESO), als Präsident der Österreichischen Gesellschaft zur Förderung der Forschung (GFF), als Präsident der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen oder als Präsident der Österreichisch-Bulgarischen Gesellschaft.

Lucona- und Noricum-Affäre

1989 trat Blecha als Innenminister aufgrund seiner Verwicklung in die Lucona-Affäre und den Noricum-Skandal zurück. 1990 bewertete ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Weisung Blechas an die Sicherheitsdirektion Niederösterreich, Ermittlungen gegen die Haupttäter Udo Proksch und Hans Peter Daimler einzustellen, das "Verschwinden" von Akten aus seinem Ministerium, und mehrere Falschaussagen Blechas vor dem Ausschuss als rechtswidrig und empfahl eine Anklage gegen ihn.[3] Am 24. Juni 1993 wurde Blecha wegen Beweismittelunterdrückung und Urkundenfälschung rechtskräftig zu einer neunmonatigen Haftstrafe mit bedingter Strafnachsicht verurteilt.[4][5][6][7]

Weitere Affären

Rachat Älijew, damals Angelpunkt einer Agenten-, Entführungs- und Mordaffäre zwischen Österreich und Kasachstan, behauptete 2009,[8] und nochmals 2013 in seinem Buch „Tatort Österreich“,[9][10][11] dass Blecha, Anton Gaál und weitere Österreicher seine kasachischen Feinde unterstützt hätten. Blecha gab dazu an, er habe nicht gewusst, dass der „kasachische Geschäftsmann“, für den er Erkundigungen über Älijews Auslieferung eingeholt hatte, ein Geheimagent war.[12]

2011 wurde Karl Blecha unterstellt, auf der Gehaltsliste von Peter Hochegger zu stehen.[13] Blecha zufolge habe es sich nur um reguläre Spesenerstattungen und Honorare von Hocheggers Agentur in Höhe von 5000 € gehandelt.[14]

Auszeichnungen

Familienstand

Karl Blecha ist verheiratet und hat drei Töchter.

Einzelnachweise

  1. Karl Blecha - Geschichte der SPÖ Bundesbildung. Abgerufen am 23. Januar 2024.
  2. vgl. Anton Pelinka: Vom Glanz und Elend der Parteien. Struktur- und Funktionswandel des österreichischen Parteiensystems; StudienVerlag, Innsbruck, 2005 S. 16
  3. Lucona-Untersuchungsausschuss des Nationalrats, 4. November 1990: Bericht (PDF)
  4. news.at: Justizskandale im Kreise unserer Politik, veröffentlicht am 16. Juni 2008. Abgerufen am 15. Januar 2013.
  5. Der Standard: Interview mit Karl Blecha: „Vergessen können hält jung“, veröffentlicht am 24. August 2010. Abgerufen am 15. Januar 2013.
  6. Die Presse: In der Vergangenheit verurteilte Politiker, veröffentlicht am 2. August 2011. Abgerufen am 15. Januar 2013.
  7. OÖ Nachrichten: Telegramm zur Ostexporthaftung bei Klein- und Mittelbetrieben s ...: „[...] Das Noricum-Urteil gegen Ex-Innenminister Karl Blech [sic!] ist rechtskräftig. Blecha verzichtet auf eine Berufung. In erster Instanz wurde er wegen Urkundenfälschung und -unterdrückung zu drei Jahren bedingter Haft verurteilt.“ vom 6. August 1993. Abrufbar im Archiv der OÖ Nachrichten
  8. Kasachstan-Krimi: SPÖ-Politiker Anton Gaal wird Beihilfe zur Entführung angelastet. In: profil.at. 1. August 2009, abgerufen am 4. November 2020.
  9. Ricardo Peyerl: Aliyev klagt österreichische Politiker an. In: kurier.at. 11. März 2013, abgerufen am 4. November 2020.
  10. Chronologie: Die unendliche Causa Aliyev. In: kurier.at. 12. Dezember 2016, abgerufen am 4. November 2020.
  11. Causa Aliyev: Neues Buch mit alten Vorwürfen. In: trend.at. 11. März 2013, abgerufen am 4. November 2020.
  12. Blecha wehrt sich gegen Vorwürfe. In: standard.at. 22. Juli 2009, abgerufen am 4. November 2020 (österreichisches Deutsch).
  13. news networld Internetservice GmbH: - Lukrative Beratergeschäfte: Ernst Strasser kassierte 100.000 Euro. 11. Februar 2011, abgerufen am 4. November 2020.
  14. Karl Blecha: Klarstellung von Karl Blecha zu der Affäre „Hochegger“. In: www.pvooe.at. Abgerufen am 4. November 2020.
  15. a b Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952. Antwort des Bundeskanzlers auf eine Parlamentarische Anfrage, 23. April 2012, Parlamentsdrucksache 10542/AB XXIV. GP (PDF; 6,9 MB)

Weblinks

Commons: Karl Blecha – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.
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Autor/Urheber: SPÖ Presse und Kommunikation Foto: Thomas Lehmann, Lizenz: CC BY-SA 2.0
Karl Blecha am SPÖ-Bundesparteitag 2012. 13.10.2012 - VAZ St.Pölten