Karel Niestrath

Mahnmal Bittermark, Gesamtansicht
Mahnmal Bittermark, Detail
Mahnmal Bittermark, Detail
Skulptur „Mutter mit Kind“ von Karel Niestrath im Hagener Volmepark
Ehrengrabstätte der Eheleute Niestrath auf dem Friedhof Delstern

Karel Niestrath (* 1896 in Salzuflen; † 1971 in Hagen) war ein Hagener Bildhauer, der durch seine Skulpturen am Dortmunder Mahnmal Bittermark bleibende Bekanntheit erlangte.

Leben und Wirken

Karel Niestrath besuchte bis 1910 die Volksschule in Salzuflen und begann danach eine Lehre als Holzschnitzer. Schwer verwundet 1917 aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, studierte er bis 1919 an der Werkkunstschule Bielefeld unter Prof. Franz Guntermann. Danach setzte er sein Studium bis 1924 an der Dresdner Kunstakademie unter Prof. Selmar Werner fort. Zwischenzeitlich reiste er nach Brasilien und Paris. Im Jahr 1924 Übersiedlung nach Hagen mit Auftragsarbeiten durch Oberbürgermeister Willi Cuno und Stadtbaurat Ewald Figge. Im gleichen Jahr war er Gründungsmitglied der 1924 ins Leben gerufenen Künstlervereinigung Hagenring.

Niestraths Werk war geprägt von der Erfahrung des Ersten Weltkriegs, die er in Plastiken und Aquarellen darstellte. Darüber hinaus schuf er Werke zu den Themen Schwangerschaft und Geburt sowie verschiedene Porträtbüsten, wie die von Willi Cuno (1927), Reichspräsident Friedrich Ebert und dem Maler Christian Rohlfs (beide 1930). Thematisch und formal weisen seine frühen Arbeiten Bezüge zu Käthe Kollwitz, der er freundschaftlich verbunden war, auf. In den zwanziger und frühen dreißiger Jahren entstehen seine besten und ausdrucksstärksten Arbeiten. In den Jahren von 1926 bis 1929 erschuf er im Hagener Raum zahlreiche dreieckige oder rechteckige Hauszeichen, die jeweils oberhalb der Haustüren als Halbplastik oder Relief gestaltet waren.[1][2]

1933 wurde sein Werk Kriegskrüppel in der NS-Propagandaausstellung Entartete Kunst als Foto gezeigt, seine Werke wurden in der Folgezeit aus Museen und der Öffentlichkeit verbannt. 1937 wurde in der Nazi-Aktion „Entartete Kunst“ dreizehn seiner Werke aus dem Städtischen Museum Hagen, dem Landesmuseum Münster und dem Märkischen Museum Witten beschlagnahmt.[3][4]

Das Westfälische Landesmuseum in Münster zeigte 2008 unter 44 Exponaten, welche während der NS-Diktatur als „entartete Kunst“ entfernt worden waren, Niestraths Skulptur Die Hungrige.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Niestrath zunächst Lehrer an der von Hans Tombrock 1947 in Dortmund gegründeten Malerschule, später Dozent an der Werkkunstschule Dortmund. Einer seiner Schüler war der Dortmunder Bildhauer Anselm Treese. Ein Relief an der Trauerhalle des Friedhofs in Hagen-Haspe war eine seiner ersten Arbeiten nach dem Krieg. 1960 gestaltete er großflächige Skulpturen und Reliefs für das Mahnmal im Dortmunder Stadtwald Bittermark zum Gedenken an die ermordeten Zwangsarbeiter und Widerstandskämpfer, die an den Tagen vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Dortmund ermordet wurden. Niestrath verwendet verschiedene Stile und Formen, um das Leid der brutal ermordeten Zwangsarbeiter und Widerstandskämpfer darzustellen. Fast kubistische, eckige Formen charakterisieren die NS-Mörder, vielfältige Skulpturen und Reliefs zeigen die Foltern der fast 300 ermordeten Opfer. Christliche Motive, der gekreuzigte Christus, stehen den heidnisch als Sonnenverehrer gezeichneten NS-Tätern gegenüber.

„Dabei bediente er sich gewagter, nicht einmal alltäglicher künstlerischer Mittel: die ausgemergelten, geschundenen Gestalten, die Opfer, sind mit realistischen Zügen versehen, in ausdrucksvolle organische Formen gemeißelt – die Mörder erscheinen im wahrsten Sinne des Wortes gesichts- und herzlos, als wesenlose Roboter in geometrisch-abstrahiertem Gewand.“ (Günther Ott: Der Bildhauer Karel Niestrath. S. 15)

Privates

Karel Niestrath war seit 1951 in zweiter Ehe mit der Bildhauerin Eva Niestrath-Berger (* 1914 in Wallerfangen; † 1993 in Hagen) verheiratet, mit der er die Bildhauerklasse der Werkkunstschule Dortmund gemeinsam geleitet hat. Das Ehepaar wohnte und arbeitete hinter dem Hagener Stadttheater in der Bergstraße 98 a.[5] Im Jahr 1961 zog Eva Niestrath-Berger in räumlicher Trennung von ihrem Ehemann in ihr eigenes Atelier nach Haus Busch. Die Grabstätte des Künstlerpaares befindet sich auf dem Hagener Friedhof Delstern im Bereich der Ehrengrabstätten.[6]

1937 als „entartet“ beschlagnahmte Werke

Skulpturen

  • Die Hungrige (Bronze, Höhe 140 cm, 1925; 1937 auf der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München präsentiert, nach 1945 sichergestellt. Stand 2019 im Museum Kunstpalast Düsseldorf)
  • Die Hungrige (Bronze, Höhe 133 cm; Nachguss heute im Hagener Hohenhof)
  • Blumenträger (Holz, Höhe 120 cm; zerstört)
  • Stillende Mutter (zerstört)
  • Uschi (zerstört)
  • Kniende Schwangere (Kunststein, Höhe 39,5 cm, 1921; zerstört)
  • Stehende Schwangere (Kunststein, Höhe 33,2 cm, 1921; zerstört)
  • Die Einfältigen (Kunststein, Höhe 76,5 cm, 1924; 1938 auf der Ausstellung „Entartete Kunst“ in Hamburg präsentiert. 2010 mit dem Berliner Skulpturenfund aufgefunden und an das Neue Museum Berlin übergeben)
  • Frommer Mann (Kunststein, Höhe 62,5 cm, 1924; 1938 auf der Ausstellung „Entartete Kunst“ in Hamburg präsentiert. 2010 mit dem Berliner Skulpturenfund aufgefunden und an das Neue Museum Berlin übergeben)
  • Empfängnis (Kunststein, 39 cm lang, 1925; zerstört)
  • Großer Frauenkopf (Sandstein, 1927; zerstört)
  • Leuchter (Keramik; zerstört)

Zeichenkunst

  • Kopf mit rotem Haar (Aquarell; zerstört)

Ausstellungen

Ehrungen

  • 1. Preis im Wettbewerb „Der neue Mensch“ (um 1920)
  • 1. Preis Wettbewerb Ehrenmal in Detmold (1922)
  • 2. Preis Ehrenmal in Gevelsberg (1932)

Literatur

  • Günther Ott: Der Bildhauer Karel Niestrath. In: Aufwärts. Jugendzeitschrift des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Nr. 10, Jahrgang 13, 15. Oktober 1960, S. 15–17.
  • Hans Friesen (Hrsg.); Hans Gerber (Autor), Jürgen Thormählen (Autor), Michael Eckhoff (Autor), Claus U Derichs (Autor), Petra Holtmann (Autor), Jens Bergmann (Autor), Holtmann (Hrsg.); Jörg Ludwig (Fotograf): HagenKunst, Kunst im öffentlichen Raum. ardenkuverlag, 2006, ISBN 3-932070-08-9.
Commons: Karel Niestrath – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hans Friesen und Petra Holtmann (Hrsg.): HagenKunst – Kunst im öffentlichen Raum, ardenkuverlag Hagen, Dezember 2006, S. 202–214.
  2. Tayfun Belgin, Michael Eckhoff und Elisabeth May (Hrsg.): Zwischen Tradition und Moderne Jugendstil und mehr in Hagen, ardenkuverlag Hagen, Oktober 2011, S. 206.
  3. Datenbank zum Beschlagnahmeinventar der Aktion "Entartete Kunst", Forschungsstelle "Entartete Kunst", FU Berlin
  4. Jubiläumskatalog 100 Jahre HAGENRING 1924–2024; Hrsg. Hagenring e.V, S. 15.
  5. Adressbuch der Stadt Hagen von 1968, S. 177.
  6. Yvonne Hinz: Karel Niestrath und seine Kunst im öffentlichen Raum Westfalenpost Hagen am 24. April 2021

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Skulptur „Mutter mit Kind“ auf einem Sockel in der Grünfläche am Rande des Volmeparks in Hagen. Erschaffen 1950 von dem Hagener Bildhauer Karel Niestrath (1896–1971). Abstrahierte Form, Muschelkalk, 135 cm hoch.
Grabstätte der Eheleute Niestrath.jpg
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Friedhof Delstern in Hagen, Am Berghang 30. Wiese mit der Ehrengrabstätte des Bildhauers Karel Niestrath (1896–1971) und seiner Ehefrau der Bildhauerin Eva Niestrath-Berger (1914–1993). Die Vier-Steine-Skulptur soll laut Testament ungepflegt der Natur überlassen bleiben.
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Dortmund, de:Mahnmal Bittermark
  • Das Mahnmal Bittermark liegt im Dortmunder Stadtbezirk Hombruch und wurde 1960 von dem Hagener Künstler Karel Niestrath und dem Dortmunder Architekten Will Schwarz im Auftrage der Stadt Dortmund geschaffen. Es erinnert an die einen Tag vor dem Einmarsch der Amerikaner ermordeten Zwangsarbeiter und Widerstandskämpfer
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Dortmund, de:Mahnmal Bittermark
  • Das Mahnmal Bittermark liegt im Dortmunder Stadtbezirk Hombruch und wurde 1960 von dem Hagener Künstler Karel Niestrath und dem Dortmunder Architekten Will Schwarz im Auftrage der Stadt Dortmund geschaffen. Es erinnert an die einen Tag vor dem Einmarsch der Amerikaner ermordeten Zwangsarbeiter und Widerstandskämpfer