Kaltstart (Rakete)

Start einer 9K38 Igla
Das Starttriebwerk hinter der Rakete befördert sie mehrere Meter vom Schützen weg …
… und erst danach zündet das eigentliche Raketentriebwerk in sicherer Entfernung

Als Kaltstart (englisch cold launching; auch soft launching) wird der Start einer Rakete ohne Betrieb des Raketentriebwerks bezeichnet. Die Rakete wird dabei zunächst aus der Startvorrichtung befördert und zündet erst danach zeitverzögert ihr Triebwerk.

Das Kaltstart-Verfahren kommt in erster Linie im militärischen Bereich zur Anwendung. Typische Anwendungsbeispiele sind der Start von Raketen und Marschflugkörpern von U-Booten, Interkontinentalraketen aus Raketensilos und schultergestützten Flugabwehrraketen oder tragbare Lenkwaffen zur Panzerabwehr.[1]

Hintergrund und Zweck

Ein Kaltstart gilt prinzipiell als sicherer für die nähere Umgebung. Bei tragbaren Systemen besteht damit deutlich weniger Gefahr für den Bediener des Systems und die Umgebung durch den Antriebsstrahl oder eine Fehlfunktion der Rakete. Vorteile bietet ein Kaltstart auch bei komplexen Startumgebungen wie z. B. U-Boot-gestützten Systemen, die so unter Wasser gestartet werden können. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass der initiale Bewegungsvektor durch eine Änderung der Lage der Rakete vor dem Zünden des Hauptantriebs leicht korrigiert werden kann. Das erlaubt bei mobilen Systemen im Prinzip einen senkrechten Start, unabhängig von der späteren Flugrichtung. Die Nachteile des Kaltstartverfahrens ergeben sich aus der deutlich gesteigerten Komplexität im Startvorgang und den notwendigen zusätzlichen technischen Vorrichtungen.

Die Systeme unterscheiden sich darin, wie die kinetische Energie für die Anfangsphase des Kaltstarts aufgebracht wird. Bei kleineren, schultergestützten Systemen wird die Rakete zunächst mit einer kleinen Sprengladung oder einem Hilfsmotor annähernd horizontal aus dem Startrohr befördert, gegebenenfalls in ihrer Lage korrigiert und erst danach durch ihren Hauptantrieb vorangetrieben. Bei Kurz- und Mittelstreckenraketen oder Marschflugkörpern erfolgt der Start dagegen in der Regel annähernd vertikal. Silogestützte Systeme werden häufig über ein expandierendes Gas – z. B. Druckluft oder Wasserdampf – vertikal aus der Startgrube gehoben, erst danach wird der Raketenantrieb gestartet. Eine initiale Lagekorrektur durch Steuertriebwerke findet hierbei meist nicht statt, da Langstrecken- oder Interkontinentalraketen wegen des geringeren Luftwiderstands möglichst senkrecht gestartet und erst später nach dem Verlassen der dichteren unteren Atmosphäre in ihrem Kurs korrigiert werden.

Beispiele

Abfeuern eines Javelin-Lenkflugkörpers
FGM-148 Javelin, schultergestützte Panzerabwehrwaffe
Hilfsmotor befördert Rakete horizontal aus dem Startrohr, anschließende Zündung des Raketenmotors
LGM-118A Peacekeeper, silogestützte Interkontinentalrakete
expandierender Wasserdampf befördert Raketencontainer senkrecht aus dem Silo; Zündung des Raketenmotors etwa 45 bis 60 Meter über dem Boden[2][3]
UGM-96 Trident I und UGM-133 Trident II, U-Boot-gestützte Interkontinentalrakete (Unterwasserstart)
Abgasstrahl eines kleinen Feststoff-Gasgenerators wird durch Kühlwasser geleitet und verdampft dieses, Dampfdruck befördert Rakete aus dem Startrohr; nach dem Durchdringen der Wasseroberfläche wird der Hauptantrieb gezündet[4]
Kaltstart einer K-300 Bastion
9K330 Tor, mobiles Flugabwehrraketen-System
senkrechtes Ausstoßen der Rakete über ein expandierendes Gas; grobe Lage- und Richtungskorrektur mittels Steuertriebwerken; Start des Raketenmotors
K-300 Bastion, Raketensystem zur Küstenverteidigung
senkrechtes Ausstoßen durch eine Sprengladung / expandierende Verbrennungsgase; gleichzeitiger Start des Raketenmotors sowie Lage- und Richtungskorrektur mit Steuertriebwerken und Abstoßen des Raketencontainers/Ausklappen der Leitwerke
FIM-92 Stinger, schultergestützte Flugabwehrrakete
2-teiliger Feststoff-Raketenmotor; Startmotor befördert die Rakete ca. 9 Meter horizontal aus dem Startrohr, anschließende Zündung des Flugmotors[5]
Sonstige Beispiele

Beispiele für Raketen, die grundsätzlich oder optional per Kaltstart gestartet werden:

Weblinks

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Encyclopædia Britannica: cold launch. Abgerufen am 19. Mai 2011.
  2. https://nuke.fas.org/guide/usa/icbm/lgm-118.htm
  3. Association of Air Force Missileers (AAFM): LGM-118A Peacekeeper (a.k.a. MX) ICBM Weapon System Overview auf YouTube, 12. September 2021, abgerufen am 25. Februar 2024 (Laufzeit: 16:32 min).
  4. https://www.ssp.navy.mil/fb101/functionalelements.html
  5. Stinger Weapon System

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Peacekeeper cold launch.jpg

Cold Launch of a Peacekeeper missile dummy model. Notice that the rocket dummy has no engine. This was a demonstration of the cold launch technique which allows the rocket to clear the silo before starting its engines. The black things falling off of it allow it to more easily flow through the silo.

ID: DFST8611232 Service Depicted: Air Force

An LGM-118A Peacekeeper intercontinental ballistic missile is ejected from a launch canister during a test launch. (Fourth view in a series of four)

Location: MERCURY, NEVADA (NV) UNITED STATES OF AMERICA (USA)

LGM-118A Peacekeeper Test Launch.jpg
LGM-118A Peacekeeper Test Launch at Vandenburg AFB, California
Stinger Propulsion System.png
Stinger Propulsion System
Operação Formosa 2014 (15482377748).jpg
Autor/Urheber: Ministério da Defesa, Lizenz: CC BY 2.0

29/10/2014, Formosa - GO

Fotos: Tereza Sobreira
Operação Formosa 2014 (15482565667).jpg
Autor/Urheber: Ministério da Defesa, Lizenz: CC BY 2.0

29/10/2014, Formosa - GO

Fotos: Tereza Sobreira
Javelins Fly at Saber Strike 16 in Estonia.ogv
Soldiers with 2nd Cavalry Regiment fire FGM-148 Javelin anti-tank missiles during the combined arms live fire training exercise for Saber Strike 16 at the Estonian Defense Forces central training area near Tapa, Estonia on June 19, 2016.

The exercise serves as an effective proving ground for NATO Allies to improve their ability to assemble rapid-reaction forces and deploy them on short notice where needed. Saber Strike 16 features allied and partner-nation ground forces conducting live-fire, command post and cyber/electronic warfare training, plus the integration of U.S. close-air support with multinational ground forces.

Participating nations this year include Estonia, Latvia and Lithuania, as well as Denmark, Finland, France, Germany, Luxembourg, Norway, Poland, Slovenia, Croatia, the United Kingdom and the United States.

  1. SaberStrike
Применение БРК «Бастион» на учении сил Северного флота в Арктике.webm
(c) Mil.ru, CC BY 4.0
Впервые в ходе тактического учения тактической группы Северного флота, несущей боевое дежурство на острове Котельный, был применен береговой ракетный комплекс «Бастион» Расчёт БРК успешно выполнил стрельбу сверхзвуковой противокорабельной крылатой ракетой «Оникс» по морской мишени, находившейся на расстоянии свыше 60 километров в море Лаптевых, чем подтвердил свою готовность эффективно нести боевое дежурство в Арктике и выполнять задачи по охране островной зоны и морского побережья России. Ранее в качестве основного берегового ракетного комплекса тактической группы Северного флота использовался БРК «Рубеж». В конце августа он успешно поразил двумя ракетами «Термит» мишени, установленные в море Лаптевых на удалении более 50 километров от берега.
FIM-92 Stinger round.png
Annotated look at a FIM-92 Stinger round