Justaucorps

Ludwig XIV. mit Hofstaat

Justaucorps bezeichnet (französisch just[e] au corps ‚nah am/direkt auf dem Körper‘;) ein Herren-Kleidungsstück und die allgemeine Hauptoberbekleidung des Mannes des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Er ist eine Entwicklungsphase des Herrenrocks.

Entstehung

Links: Früher Justaucorps mit Rheingrafenhose

Mit Aufkommen der stehenden Heere wurde unter dem Kriegsminister Ludwigs XIV., François-Michel Le Tellier, marquis de Louvois, für die Soldaten ein Soldatenrock entworfen, der auch von den meist adeligen Offizieren getragen wurde. Ludwig XIV. beliebte, wenn er sich bei den Truppen befand, einen Oberrock[1][2][3][4] (nach unterschiedlichen Angaben eine eng anliegende taillierte Hongreline[5][6] oder ein weitärmeliger Kasack[7][8]) überzuziehen, der sich, abgesehen von der Ausstattung, von dem Soldatenrock („Souquenille“) darin unterschied, dass man ihn nicht zuknöpfte, sondern er vielmehr zu Langfalten geordnet vorn herab weit auseinander stand. Noch bis um die Mitte der fünfziger Jahre kam dies nur höchst selten vor. Während seines Aufenthaltes beim Heer in den Niederlanden (1654–1659) jedoch und auch danach, als er sich häufiger an die Spitze der Truppen stellte, gewöhnte er sich an diesen Rock. Er machte ihn dadurch, indem er ihn gleichfalls zum Knöpfrock gestaltete, etwa seit 1664 zu allgemeiner Modetracht.

Unter Beibehaltung der kurzen, etwa ellenbogenlangen Ärmel, trug man ihn über einer knappen Jacke, gleichfalls als Wams, „Pourpoint“ bezeichnet, ohne diese vorerst zu ändern. Die längeren Ärmel schlug man vorerst ebenfalls zu einem Aufschlag um[9]. Auch die Hemdärmel blieben gleich, höchstens stattete man sie noch reicher mit Bändern und Spitzenwerk aus. Allerdings verdrängte er, sofern er bis zu den Knien reichte und den Unterleib manchmal völlig bedeckte, das gefaltete Schurzröckchen bis gegen die siebziger Jahre fast gänzlich, sodass die weite Kniehose (vaste rhingrave), die man beibehielt, völlig zum Vorschein kam.

In der Folge bekam der Rock insgesamt einen körpernahen Schnitt (ohne Taille[10]), wodurch er zum „Justaucorps“ wurde. Er wurde oft mit gestickten Streifen besetzt, mit tiefliegenden, reich umrandeten, horizontal eingeschnittenen Taschen versehen und auf einer oder beiden Schultern mit einem Bündel von Bändern geschmückt. Anfänglich pflegte man ihn, wiederum ganz nach soldatischer Weise, um die Hüften mit einer breiten, langen Schärpe zu umgürten (um ihn auch zusammenzuhalten[11]), diese weitbauschig zu verschleifen, und ihre mit Kanten verzierten Enden ziemlich lang herabhängen zu lassen.

Bis gegen Ende der siebziger Jahre wurden noch mehrmals einige Details, wie Knopfwerk, Bortenbesatz und dergleichen verändert. Außerdem reichten die Ärmel jetzt, wie bei früheren Knopfröcken, bis zur Mitte des Unterarms und man schlug sie bis zur Armbeuge um. Der Schnitt des Rocks wurde jetzt noch enger dem Körper angepasst, sodass eine leichte Einbiegung in der Taille entstand.

1680–1700

Die nächste Wandlung erstreckte sich wesentlich auf das Ganze, es einheitlicher umprägend. Diese Wandlung, die sich etwa seit dem Beginn der achtziger Jahre durchgängiger vollzog, bestand einerseits in Verengung und Verlängerung der Ärmel zunächst bis tief unter die Armbeuge und dann bis knapp vor das Handgelenk, mit Beibehalt des schmalen, aber überweiten Umschlags. Andererseits, bei fast gänzlicher Versteifung, zog man die Taille zusammen und erweiterte den Schoß (spreizende Erweiterung). Hiermit verband sich ein Überladen mit Zierrat von Goldstickerei, Tressen, Borten u. s. w., zu welchem Zweck jetzt auch die Taschen immer breitere, mit Knopflöchern besetzte Überklappen erhielten, was denn die Versteifung noch vermehrte. Die Knöpfe aber brachte man nur zur Zierde an. Die Schulterschleifen verloren sich.

In solcher, von der anfänglichen Form durchaus verschiedenen Gestaltung, blieb der Rock bis um die Mitte der neunziger Jahre im Allgemeinen, von da an er bis 1700 (unter Fortdauer seines Grundschnitts) mehrenteils in Stoff und Ausstattung, sowie auch dadurch, dass man ihn fortan gemeinhin nur vor der Taille schloss, wieder einiges an Leichtigkeit gewann.

1700–1750

Mann im Justaucorps (rechts im Bild), 1720

Die Bekleidung wurde zum Ende der Regierung Ludwigs XIV. wieder faltenärmer. Während der Régence üblicherweise sehr weit offen getragen wurde, wurde der Rock dem Schnitt nach nun als habit à la française weniger weit geöffnet und bisweilen von der Taille aufwärts zum Teil oder ganz geknöpft.

Einerseits gerade abfallend mit geringer Einziehung der Taille, ließen ihn andererseits Stutzer und solche, die als vornehm (modisch) gelten wollten, in Nachahmung der weiblichen Kleidung die Schöße des Rocks und der Weste mit eingenähtem Fischbein, Wachstuch, Crin (Rosshaar) oder Papier oder sonstigem derben Stoff weit auseinander, glockenförmig aussteifen, sodass die Schöße von den Hüften weg seitlich ebenso abstanden wie der Reifrock von der Taille der Damen, welche Form sich bis zum Ausgang der vierziger Jahre, mit nur geringer Verminderung der Weite, forterhielt. Im Übrigen blieb der Justaucorps wie zuvor ohne Kragen.

Am Ende der Entwicklung steht der Frack mit vollends nach hinten gewanderten, rudimentären Schößen.

Im 20. Jahrhundert bezeichnet Habit allgemein die Amtstracht und das klerikale Gewand.

Galerie Justaucorps

Galerie Habit

Literatur

  • Ingrid Loschek: Reclams Mode- und Kostümlexikon. 5., aktualisierte und erweiterte Auflage. Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart 2005, ISBN 3-15-010577-3.
  • Eva Nienholdt: Kostümkunde. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber (= Bibliothek für Kunst- und Antiquitätenfreunde. Bd. 15, ZDB-ID 518703-5). Klinkhardt & Biermann, Braunschweig 1961.
  • Hermann Weiss: Kostümkunde. Handbuch der Geschichte der Tracht, des Baues und des Geräthes der Völker des Alterthums. Band 4, Abtheilung 2: Das Kostüm vom 14ten bis zum 16ten Jahrhundert. Ebner & Seubert, Stuttgart 1872.

Einzelnachweise

  1. Weiss: Kostümkunde. 1872, S. 1004.
  2. Nienholdt: Kostümkunde. 1961, S. 74.
  3. Annemarie Bönsch: Formengeschichte europäischer Kleidung (= Konservierungswissenschaft, Restaurierung, Technologie. Bd. 1). Böhlau, Wien u. a. 2001, ISBN 3-205-99341-1, S. 137.
  4. Gisela Krause, Gertrud Lenning: Kleine Kostümkunde. 12. Auflage. Schiele & Schön, Berlin 1998, ISBN 3-7949-0629-2, S. 74.
  5. Loschek: Reclams Mode- und Kostümlexikon. 2005, S. 283.
  6. François Boucher: A history of costume in the west. New enlarged edition, with an additional chapter by Yvonne Deslandres. Thames and Hudson, London 1987, ISBN 0-500-01416-7, S. 258.
  7. Nach Carl Köhler bearbeitete von Emma von Sichart: Praktische Kostümkunde in 600 Bildern und Schnitten. Band 2: Von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Jahre 1870. Bruckmann, München 1926, S. 330.
  8. Norah Waugh: The Cut of Men's Clothes. Faber & Faber, 1964, London S. 16.
  9. Nancy Bradfield: Historical costumes of England. From the eleventh to the twentieth century. 3rd edition, entirely revised, reprinted. Eric Dobby, Orpington 1997, ISBN 1-85882-039-1, S. 101.
  10. Weiss: Kostümkunde. 1872, S. 1005.
  11. Nienholdt: Kostümkunde. 1961, S. 75.

Weblinks

Commons: Justaucorps – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Portrait of Joseph II (1741-1790), Holy Roman Emperor
Louis XIV of France and his family attributed to Nicolas de Largillière.jpg
Dargestellte Personen: sitzend Louis XIV., dessen ältester Sohn Louis „le Grand Dauphin“, dessen ältester Sohn Louis Herzog von Burgund und wiederum dessen ältester Sohn Louis XV mit seiner Gouvernante der Herzogin von Ventadour. Also Louis XIV. mit seinem Sohn, Enkel und Urenkel. Anm.: keiner von diesen erbte die Krone; erst der jüngste Sohn des Herzogs von Burgund bestieg als Louis XV. den Thron.