Judith Kuckart

Judith Kuckart 2012

Judith Kuckart (* 17. Juni 1959 in Schwelm) ist eine deutsche Tänzerin, Choreografin, Regisseurin und Schriftstellerin.

Leben und Wirken

Judith Kuckart (1959) wuchs in Schwelm am Rand des Ruhrgebiets auf. Sie lebt in Berlin. Ihr Studium der Literatur- und Theaterwissenschaften schloss sie an der Freien Universität Berlin mit einer Magisterarbeit über Else Lasker-Schüler ab. An der Folkwang-Schule Essen absolvierte sie eine Tanzausbildung. 1984 gründete sie das Tanztheater Skoronel, eine freie professionelle Gruppe, mit der sie bis 1998 siebzehn Produktionen realisierte. Seit 1999 arbeitet sie als freie Regisseurin. 2021 realisierte sie nach über zwei Jahrzehnten ein Reload mit dem alten Skoronel-Ensemble. Titel: DIE ERDE IST GEWALTIG SCHÖN, DOCH SICHER IST SIE NICHT. Die Premiere fand im Rahmen der Wiesbadener Literaturtage und in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Staatsballett statt. Judith Kuckarts erster Roman „Wahl der Waffen“ erschien 1990. Es folgten unter anderem „Der Bibliothekar“, „Lenas Liebe“, „Kaiserstraße“ und „Wünsche“. sowie „Kein Sturm, nur Wetter“ 2019 bei DuMont. Im Frühjahr 2022 erscheint ihr neuer Roman „Café der Unsichtbaren“, ebenfalls bei DuMont.

Sie ist Mitglied des PEN Zentrum Deutschland und Mitgründerin des PEN Berlin.[1]

Theater

Zum Schreiben kam Judith Kuckart nicht in erster Linie über das Literaturstudium, sondern über Tanz und Theater. Nach dem Unterricht in klassischem Ballett und modernem Tanz in Düsseldorf und Essen und nach prägenden Theaterbesuchen bei Pina Bausch entwickelte sie 1984 zusammen mit vier Ensemblemitgliedern in Berlin ein erstes eigenes Tanzstück, „Kassandra“, nach Christa Wolfs Roman. Die junge Compagnie gab sich den Namen Skoronel – nach der Ausdruckstänzerin Vera Skoronel, die 1932 im Alter von 26 Jahren starb. 1985 besuchte Judith Kuckart auf Zuraten von Hans Züllig die Folkwangschule Essen, bis Johann Kresnik sie als Assistentin für das Tanzstück „Pier Paolo Pasolini“ an sein Choreographisches Theater in Heidelberg engagierte. 1986, mit der zweiten Produktion „Ophelia, kann sein“, begann sich das Tanztheater Skoronel bei Publikum und Kritik zu etablieren. Zusammen mit Jörg Aufenanger, Mitautor der Skoronel-Dokumentation „Eine Tanzwut“ (1989), leitete Judith Kuckart das Ensemble bis 1998. Oft in Koproduktion mit großen Theatern entstanden insgesamt siebzehn Produktionen, für die Judith Kuckart Stoffe und Choreografien entwickelte und später auch Libretti und Stücke schrieb, die sie selbst inszenierte. Von Anfang an ging es Judith Kuckart in der Arbeit mit Skoronel darum, Körpersprache und poetische Sprache als Einheit erfahrbar zu machen. Grundlage waren zunächst Texte anderer Autoren, seit dem Stück „Charlotte Corday“ (1989) aber fast immer eigene Texte, die zunehmend narrativen Charakter entwickelten und wie in „Last Minute, Fräulein Dagny“ (1995) und „Melancholie 1 oder die zwei Schwestern“ (1997) komplexe Geschichten erzählten.

Seit der Auflösung von Skoronel arbeitet Judith Kuckart als freie Regisseurin. Sie inszenierte u. a. Kleists „Penthesilea“ (1999) am Stadttheater Baden-Baden und ihr eigenes Stück „Blaubart wartet“ (2002) im Rahmen der Berliner Festspiele. Für die Bremer Shakespeare Company inszenierte sie 2009 „Lothar I.“ und für die Kammerspiele Paderborn 2008 „Die Vormieterin“ – beide Male mit Texten, die auf den Proben in Zusammenarbeit mit dem Ensemble entstanden. Es folgten u. a. 2010 bei den Bad Hersfelder Festspielen „Carmen – Ein deutsches Musical“ und 2015 mit der Bremer Shakespeare Company das Zirkusstück „Und wann kommen die Elefanten“, das mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema Gehirn jongliert. Nach einer Bearbeitung der „Judenbuche“ von Annette von Droste-Hülshoff unter dem Titel „Mutter, lügen die Förster“ auf Burg Hülshoff im Jahr 2016 hat sie mit „Heimaten“ 2017 ein Erzähltheater im Dorf ihrer Großmutter in Ostwestfalen mit Schauspielern und Heimatexperten aus Syrien, Sibirien, Angola und Willebadessen inszeniert.

In Judith Kuckarts Romanen und Erzählungen bleiben Tanz und Theater präsent. Die „Ästhetik des Tanzes im Text“ (Monika Maron über „Wahl der Waffen“, Der Spiegel, 1990) und „die Genauigkeit in der Beobachtung von Körpersprache“ (Rainer-K. Langner über „Die schöne Frau“, NDL, 1994) wurden schon in den ersten Büchern bemerkt. Daneben sind es vor allem die Biografien der Protagonisten, in denen sich die Theatererfahrung der Autorin spiegelt. Die Schauspielerin Lena und die Tänzerin Jule in „Lenas Liebe“ und „Kaiserstraße“ ebenso wie Vera aus „Wünsche“ verbindet das Wagnis der Bühne.

Tanztheater Skoronel

„Ophelia kann sein“, „Esperanza Hotel“ „Vincent fressen ihn die Raben“, „Homme Fatal“ hießen die Produktionen – insgesamt mehr als zwölf – mit denen das Tanztheater Skoronel in den achtziger und neunziger Jahren im In- und Ausland auf Tour war. Auch bei den Wiesbadener Literaturtagen war die Kompanie damals zu Gast. Die Stücke erzählten von ikonischen Biografien, oft brüchigen. Von der Liebe, der zerstörerischen. Von Revolutionen, immer gescheiterten. Tanz und Sprache gingen in dem jungen Ensemble als körperlicher Ausdruck und poetisches Fragment eine glückliche, wilde Verbindung ein.

Jetzt, heute, ein Leben später, holt Judith Kuckart Skoronel für ein ungewöhnliches Reload wieder zusammen, um mit dem Ensemble auf der Theaterbühne von den eigenen Biografien zu erzählen, vom prekären Tanz durch die Jahre. Jetzt unterrichten sie, schreiben Romane, sind Kulturmanagerin, Friedhofsgärtnerin, Requisiteur oder stehen nach wie vor auf der Bühne. Tänzer sind sie geblieben: Es sind die Haltungen, die den Halt geben. Sich zu erinnern, ist ein körperlicher Vorgang und Wiederbegegnung sind Bewegungen im Raum. Im Spannungsfeld zwischen Live-Performance und Text, historischem Material und einem aktuellen filmischen Probentagebuch entstehen Geschichten von Menschen, die sich sicher sind: Ab jetzt haben wir noch zwanzig grandiose Sommer vor uns.

Film

In 2020 realisierte sie im Rahmen ihrer Stadtbeschreiberinnenstelle mit Heimatexperten vor Ort und Schauspielern des Dortmunder Theaters den low budget Film „HÖRDE MON AMOUR“.

Werke

Bücher

  • Tonia im Theater. Kinderbuch. Illustration Julia Hoße. Voland & Quist. Berlin 2022.
  • Café der Unsichtbaren. Roman. Dumont. Köln 2022.
  • Kein Sturm, nur Wetter. Roman. Dumont. Köln 2019.
  • Dass man durch Belgien muss auf dem Weg zum Glück. Roman. DuMont, Köln 2015.
  • Wünsche. Roman. DuMont, Köln 2013.
  • Hauptsache Nylonkittel. Erzählung. Museumschreiber 10, Verlag XIM Virgines, Düsseldorf 2011.
  • Die Verdächtige. Roman. DuMont, Köln 2008.
  • Wer dreimal die gleiche Bar betritt hat ein Zuhause im Stehen. Kunstverlag Ringier, Zürich 2006.
  • Kaiserstraße. Roman. DuMont, Köln 2006.
  • Dorfschönheit. Novelle. DuMont, Köln 2003.
  • Die Autorenwitwe. Erzählungen. DuMont, Köln 2003.
  • Lenas Liebe. Roman. DuMont, Köln 2002.
  • Sätze mit Datum. Villa Massimo, Rom 1998.
  • Der Bibliothekar. Roman. Eichborn Verlag, 1998.
  • Die schöne Frau. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1994.
  • Wahl der Waffen. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1990.
  • Eine Tanzwut. Das TanzTheater Skoronel. Dokumentation. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1989.
  • „Im Spiegel der Bäche finde ich mein Bild nicht mehr“. Gratwanderung einer anderen Ästhetik der Dichterin Else Lasker-Schüler. Essays. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1985.

Theaterstücke

  • Kommt ein Clown in ein Hotel. Erstaufführung 2022.
  • Was man von hier aus hören kann. Installation von Judith Kuckart und Lili Anschütz. Erstaufführung 2019.
  • Da wo ich herkomme sind die Menschen freundlich. Erzähltheater für alle, die Heimatexperten sind oder es noch werden wollen. Erstaufführung 2019.
  • Jagd auf Tilla Fuchs. Erstaufführung 2019.
  • Heimaten. Erzähltheater von Judith Kuckart und zwölf Heimatexperten aus Syrien, Sibirien, Angola und Willebadessen Premiere am 6. August 2017.
  • Rot ist wie ein Holzkästchen sich anfühlt. Theaterprojekt im Rahmen der Literaturtage München, Uraufführung am 12. November 2016.
  • Mutter, lügen die Förster? nach Die Judenbuche von Annette von Droste-Hülshoff, Premiere am 11. August 2016.
  • Und wann kommen die Elefanten? Von Judith Kuckart, Mathias Greffrath und dem Ensemble der Shakespeare Company. Uraufführung: 11. November 2015.
  • Dorfschönheit. Theaterstück nach der gleichnamigen Erzählung von Judith Kuckart. Uraufführung 26. November 2011, Theater Paderborn.
  • Paradiesvögel. Werkstattaufführung im Rahmen der Autorentage. Regie: Alize Zandwijk. Deutsches Theater Berlin, 25. Juni 2011.
  • Eurydike trennt sich. Nach der Erzählung „Die Kinder bleiben hier“ von Alice Munro. Uraufführung 9. November 2010, Staatstheater Karlsruhe.
  • Carmen – Ein deutsches Musical. Buch und Songtexte: Judith Kuckart. Musik: Wolfgang Schmidtke. Regie: Nico Rabenald. Uraufführung 16. Juni 2010, Stiftsruine Bad Hersfeld.
  • Lothar I. Uraufführung 2. April 2009, Bremer Shakespeare Company.
  • Die Vormieterin. Uraufführung 11. September 2008, Kammerspiele Paderborn. S.Fischer Verlag Theater & Medien.
  • Blaubart wartet. Ein Stück für sechs Zimmer fünf Frauen und einen Opernsänger. Uraufführung 2002 im Rahmen der Berliner Festspiele im Hotel Bogota. S. Fischer Verlag Theater und Medien.
  • Melancholie I oder Die zwei Schwestern. Uraufführung Berliner Ensemble 1996. S. Fischer Verlag Theater und Medien.
  • Last Minute, Fräulein Dagny. Uraufführung Freie Kammerspiele Magdeburg/LTT Tübingen 1995. S. Fischer Verlag Theater und Medien.

Hörspiele / Features

  • Jagd auf Tilla Fuchs. Hörspiel SWR 2020.
  • Da drüben ist nur noch der Garten von Johannes R. Becher, um den sich keiner mehr kümmert. Radiofeature SWR 2 2019.
  • Das gesprungene Wort – Von der Probebühne zum Schreibtisch. Radiofeature SWR 2 2018
  • Mutter, lügen die Förster? Nach „Die Judenbuche“ von Annette v.Droste-Hülshoff. Radiofeature SWR 2 2017.
  • Dorfschönheit. Hörspiel WDR 2015.
  • Ich schwitze nie. Über Sportcenter. Radiofeature. SWR 2 2014.
  • Ist das Meer gewaltiger, wenn man es hört oder wenn man es sieht? Radiofeature. SWR 2 2013.
  • Stimmen Unterwegs, oder, Wer dreimal die gleiche Bar betritt hat ein Zuhause im Stehen. Hörspiel SWR 2008.
  • Postkarten aus der Zukunft. Thomas Mann empfängt und antwortet aus Pacific Palisades. Radiofeature, SWR, 2007.
  • Die Tür geht auf – ost-westliche Liebespaare. Radiofeature von J. Kuckart und Uwe Kolbe. SWR 2 2006.
  • Das vierzigste Jahr. Radiofeature von J. Kuckart und Susanne Feldmann. SWR 2 2005.
  • Aber auch sein Bart war blau. Der Blaubart-Stoff von Ch. Perraut bis Max Frisch und darüber hinaus. Radiofeature von J. Kuckart und Susanne Feldmann. SWR 2 2004.
  • Krimisommer mit Kommissar Maigret. Funkeinrichtung und Regie für neun Kriminalromane von Georges Simenon. SFB-ORB/MDR/steinbach sprechende bücher, 2003.
  • Boule et Cie. Simenons Dienstmädchen. Radiofeature SWR 2 2002.
  • VEB Sehnsucht. Inge Müller (Schriftstellerin in der DDR). Radiofeature SWR 2 2002.
  • Sätze mit Datum. Hörspiel SWR, 2000.
  • Melancholie I oder Die zwei Schwestern. Hörspiel SFB/ORB, 1998.
  • Her mit dem schönen Leben. Über Wladimir Majakowski. Radiofeature RIAS Berlin 1995.

Auszeichnungen und Ehrungen

Literatur

  • Johanna Canaris/Stefan Elit (Hrsg.): Arbeitsbuch Judith Kuckart : Erzählen – Theater – Tanz, Berlin ; Bern ; Bruxelles ; New York ; Oxford ; Warszawa ; Wien : Peter Lang, 2022, ISBN 978-3-631-84307-9

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Mitgründer. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 18. Juli 2022; abgerufen am 9. Juli 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.penberlin.de
  2. Pressemitteilung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe vom 6. Juli 2012

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Autor/Urheber: Laima Chenkeli, www.chenkeli.com, Lizenz: CC BY 3.0 de
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