Joseph Croitoru

Joseph Croitoru (* 1960 in Haifa) ist ein deutscher Historiker, freier Journalist und Autor.

Leben

Croitoru studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Judaistik in Jerusalem und Freiburg im Breisgau.[1] Er wurde mit einer Studie über die Geschichte des Selbstmordattentats zum Dr. phil. promoviert. Als freier Journalist zunächst für die israelische Presse tätig, schreibt er seit 1992 für deutschsprachige Medien. Bis 2019 schrieb er hauptsächlich für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie für die Neue Zürcher Zeitung. Daneben auch Beiträge für Internationale Politik,[2] Literaturen, Süddeutsche Zeitung[3][4], APuZ,[5] Deutsche Welle[6], Qantara.de[7] sowie Rundfunkbeiträge u. a. für WDR3, WDR5 und Deutschlandfunk.[8] Seit 2020/21 schreibt er außer für die FAZ auch u. a. für Spiegel[9] und taz[10].

Schwerpunkte seiner journalistischen Arbeit sind Nahost und Osteuropa, jüdische Geschichte, Islam, religiöser Fundamentalismus und Terrorismus. Ebenfalls zum Themenspektrum gehören neben Afrika[11] und globalen Aspekten[12][13] Wissenschafts- und Medienpolitik[14] sowie Archäologie,[15] Kunst[16] und Literatur. Zu diesen Themenfeldern hält Croitoru auch regelmäßig Vorträge in unterschiedlichen Foren.[17][18][19][20][21]

2021 wurde ihm der Friedenspreis der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung für sein literarisches Wirken für den Frieden in Israel und der Welt zuerkannt.[22]

Er ist verheiratet und lebt in der Nähe von Freiburg im Breisgau.

Werk

2003 legte Croitoru die vielbeachtete Studie Der Märtyrer als Waffe. Die historischen Wurzeln des Selbstmordattentats[23][24][25] vor. Sie zeigt, wie die Waffe des Selbstmordattentats in den frühen 1970er Jahren von linksgerichteten palästinensischen Kampforganisationen erfunden wurde. Die Inspiration lieferten nicht nur die japanischen Kamikaze-Einsätze im Zweiten Weltkrieg und deren mediale Inszenierung, sondern auch die Kooperation palästinensischer Gruppierungen mit Terroristen der Japanischen Roten Armee.[26] In den 1980er Jahren wurde das Selbstmordattentat von islamistischen Terroristen im Libanon als Waffe entdeckt, bei deren Einsatz gegen die israelischen Besatzungstruppen die Islamisten mit säkularen libanesischen Milizen konkurrierten.[27] Auch wird die weitere Evolution des Selbstmordattentats in verschiedenen Ländern, in denen Selbstmordattentäter zum Einsatz gekommen sind, nachgezeichnet.

Im Frühjahr 2007 veröffentlichte Croitoru das Buch Hamas. Der islamische Kampf um Palästina,[28] das sowohl die Entstehungsgeschichte der palästinensischen Islamisten-Bewegung Hamas als auch ihren unerbittlichen politischen Konkurrenzkampf mit der säkularen Rivalin Fatah umfassend beleuchtet. Der lange Konflikt zwischen diesen beiden Palästinenserorganisationen mündete schließlich, wie in der 2010 erschienenen aktualisierten Taschenbuchausgabe Hamas. Auf dem Weg zum palästinensischen Gottesstaat dargelegt wird, in die gewaltsame Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen im Juni 2007.

Im Herbst 2018 erschien Die Deutschen und der Orient. Faszination, Verachtung und die Widersprüche der Aufklärung.[29] Es ist die erste umfassende Untersuchung zum Islam- und Araberbild der deutschen Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zum ersten Mal werden hier Presse, Publizistik, Literatur und Theater vor dem politischen Hintergrund der Zeit beleuchtet. Es wird gezeigt, wie stark der Islam die Deutschen damals beschäftigt und auch gespalten hat und wie zwiespältig ihr Verhältnis zum islamischen Orient war.

Croitoru lasse, konstatierte Lothar Müller in der Süddeutschen Zeitung, „lieb gewordene Illusionen über die Aufklärung des 18. Jahrhunderts platzen“ und setze sein Buch „als eine Warntafel“ gegen diejenigen, die in der aktuellen Islamdebatte „den Satz verteidigen, der Islam gehöre zu Deutschland“, sich „als Erben der Aufklärung des 18. Jahrhunderts“ sähen und „auf ihre Toleranzgebote und ihre Vorurteilskritik“ beriefen.[30] Croitorus Buch, so Wolfgang Schneider in Deutschlandfunk Kultur, lese man „unweigerlich im Hinblick auf heutige Debatten und Gereiztheiten. Und staunt darüber, wie tief deren Wurzeln sind. Dieses Werk erweitert unser Bild der Aufklärung auf unerwartete Weise“.[31] 2022 war das Buch für die 16. Ausgabe des Sheikh Zayed Book Award in der Kategorie "Arabische Kultur in anderen Sprachen" nominiert.[32][33]

Im Februar 2021 folgte Al-Aqsa oder Tempelberg. Der ewige Kampf um Jerusalems heilige Stätten.[34] Das Buch liefert den ersten umfassenden deutschsprachigen Überblick über die 3000 Jahre alte Geschichte des von Juden als Tempelberg und von Muslimen als Al-Aqsa geheiligten Ortes. Es zeichnet den jahrhundertealten Konflikt in Jerusalem um den heiligen Berg und die Klagemauer nach und führt bis in die unmittelbare Gegenwart.

Anne Françoise Weber bemerkte im Deutschlandfunk Kultur, Croitorus "nüchtern geschriebener Überblick über die 3000-jährige Geschichte des heiligen Ortes zeigt deutlich, wie oft politische mit religiöser Agitation einherging."[35]

Micha Brumlik bezeichnete das Buch in der Frankfurter Rundschau als "sorgfältig recherchierte, in jeder Hinsicht detaillierte, ungewöhnlich objektive Studie". Die "Lektüre dieses Buches" sei "allen, die das vermeintlich unlösbare Problem des Israel-Palästina-Konflikts schon alleine aus Gründen deutscher Verantwortung umtreibt, eindringlich ans Herz gelegt."[36]

Christian Meier schrieb in der FAZ, Croitoru gelinge es "exzellent, die Verwobenheit der jüdischen und der muslimisch-arabischen Geschichte herauszuarbeiten und so auch verkürzten Beschreibungen des Nahost-Konflikts mit einseitigen Schuldzuweisungen, wie sie leider allzu oft zu lesen sind, eine nuancierte, elegant geschriebene Darstellung entgegenzusetzen. Croitorus Buch hat viele augenöffnende Erkenntnisse zu bieten."[37]

Schriften (Auswahl)

  • Der Märtyrer als Waffe. Die historischen Wurzeln des Selbstmordattentats. Carl Hanser Verlag, München 2003, ISBN 3-446-20371-0.
  • Hamas. Der islamische Kampf um Palästina. C.H. Beck Verlag, München 2007, ISBN 978-3-406-55735-4.
    • aktualisierte Ausgabe: Hamas. Auf dem Weg zum palästinensischen Gottesstaat. dtv, München 2010, ISBN 978-3-423-34600-9.
  • Die Deutschen und der Orient. Faszination, Verachtung und die Widersprüche der Aufklärung. Carl Hanser Verlag, München 2018, ISBN 978-3-446-26037-5.
  • Al-Aqsa oder Tempelberg. Der ewige Kampf um Jerusalems heilige Stätten. C.H. Beck Verlag, München 2021, ISBN 978-3406765858.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Joseph Croitoru - 3 Bücher - Perlentaucher. Abgerufen am 16. November 2018.
  2. IP-Die Zeitschrift: Joseph Croitoru (Memento desOriginals vom 2. Mai 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/zeitschrift-ip.dgap.org
  3. Joseph Croitoru: Die Halbwahrheiten des Hamed Abdel-Samad. In: sueddeutsche.de. 29. April 2014, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 16. November 2018]).
  4. Joseph Croitoru: Was ist Antisemitismus. Süddeutsche Zeitung, 20. Juli 2020, abgerufen am 6. März 2021.
  5. Bundeszentrale für politische Bildung: Ausgrabungen als Politikum. Biblische Archäologie und das Davidsstadt-Projekt | bpb. Abgerufen am 16. November 2018.
  6. Deutsche Welle (www.dw.com): Suche. Abgerufen am 16. November 2018.
  7. Joseph Croitoru. In: Qantara.de - Dialog mit der islamischen Welt. (qantara.de [abgerufen am 16. November 2018]).
  8. Deutschlandfunk - Suchergebnisse. Abgerufen am 16. November 2018 (deutsch).
  9. Joseph Croitoru: Impressum. Abgerufen am 6. März 2021.
  10. Joseph Croitoru: Israel und die Palästinenser. Die vergessene Apartheid. taz, 5. August 2020, abgerufen am 6. März 2021.
  11. Joseph Croitoru: Afrikanische Flüchtlinge: Kaum einer kehrt zurück. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 16. November 2018]).
  12. Joseph Croitoru: Donald Trump als Buchautor: So wird Amerika wieder groß. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 16. November 2018]).
  13. Joseph Croitoru: Der lange Arm des Kremls | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. 24. November 2017, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 16. November 2018]).
  14. Joseph Croitoru: Türkei gefährdet fragile Medienvielfalt | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. 23. März 2018, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 16. November 2018]).
  15. Joseph Croitoru: Kulturerbe in Mossul: Die Schätze unter Jonas zerstörtem Grab. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 16. November 2018]).
  16. Joseph Croitoru: „Making Africa“-Ausstellung: Dinge aus einer Welt, die wir nicht kennen. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 16. November 2018]).
  17. Der Märtyrer als Waffe. Abgerufen am 16. November 2018.
  18. Valentin Dieckmann: FFGI: Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam / Archiv / FFGI-Vortragsreihe. Abgerufen am 16. November 2018.
  19. Eigenstaatlichkeit in weiter Ferne – Evangelische Stadtakademie München. In: Evangelische Stadtakademie München. (evstadtakademie.de [abgerufen am 16. November 2018]).
  20. Die Deutschen und der Orient. In: Evangelisches Forum Bonn. 18. August 2018 (evforum-bonn.de [abgerufen am 16. November 2018]).
  21. Anspruch auf heiligen Boden: Der israelisch-palästinensische Konflikt um den Tempelberg | Gesellschaft CJZ Düsseldorf. Abgerufen am 16. November 2018.
  22. Zeit online Literatur vom 3. September 2021: Friedenspreis der Korn und Gerstenmann-Stiftung an Croitoru, abgerufen am 4. September 2021
  23. Der Märtyrer als Waffe - Bücher - Hanser Literaturverlage. Abgerufen am 17. November 2018.
  24. Joseph Croitoru - Autoren - Hanser Literaturverlage. Abgerufen am 17. November 2018.
  25. Bücher - Litrix.de. Abgerufen am 17. November 2018.
  26. Croitoru: Der Märtyrer als Waffe. S. 73–94.
  27. Croitoru: Der Märtyrer als Waffe. S. 121–164.
  28. Joseph Croitoru: Hamas. Der islamische Kampf um Palästina. (perlentaucher.de [abgerufen am 17. November 2018]).
  29. Die Deutschen und der Orient - Bücher - Hanser Literaturverlage. Abgerufen am 17. November 2018.
  30. Lothar Müller: Hilli und Halla. In: sueddeutsche.de. 2018, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 17. November 2018]).
  31. Joseph Croitoru: Die Deutschen und der Orient - Wo die Wurzeln der heutigen Islamdebatte liegen. In: Deutschlandfunk Kultur. (deutschlandfunkkultur.de [abgerufen am 17. November 2018]).
  32. Sheikh Zayed Book Award: Sheikh Zayed Book Award veröffentlicht die Shortlist für die 16. Ausgabe des Preises – in einem Rekordjahr bei Einreichungen. 29. März 2022, abgerufen am 16. Mai 2022.
  33. BuchMarkt Das Ideenmagazin für den Buchhandel: Sheikh Zayed Book Award: Das ist die Shortlist. 31. März 2022, abgerufen am 16. Mai 2022.
  34. Joseph Croitoru: Al-Aqsa oder Tempelberg. C.H. Beck, 22. Februar 2021, abgerufen am 6. März 2021.
  35. Anne Françoise Weber: Joseph Croitoru: „Al-Aqsa oder Tempelberg“. Heiliger Ort der Eiferer und Zündler. 22. Februar 2021, abgerufen am 6. März 2021.
  36. Micha Brumlik: Joseph Croitoru „Al-Aqsa oder Tempelberg“: Auf ewig umkämpft. 3. März 2021, abgerufen am 6. März 2021.
  37. Christian Meier: Symbol des ewigen Daseins Joseph Croitoru beschreibt das Ringen von Juden und Muslimen um das Tempelberg-Areal in Jerusalem. 19. Mai 2021, abgerufen am 20. Juli 2021.