Johanna Dohnal

Johanna Dohnal (sitzend) und Elisabeth Orth (2008)

Johanna Aloisia Dohnal (* 14. Februar 1939 in Wien als Johanna Dietz; † 20. Februar 2010 in Grabern im Weinviertel) war eine österreichische Feministin und Politikerin der SPÖ. Als diese war sie ab 1991 die erste Frauenministerin Österreichs[1].

Dohnal galt als Österreichs bekannteste Frauenpolitikerin und als Ikone der österreichischen Frauenbewegung.[2]

Kindheit und Jugend

Johanna Dietz wuchs als uneheliches Kind im 14. Wiener Gemeindebezirk bei ihrer Großmutter auf, da ihre Mutter an Tuberkulose litt. Ihre Kindheit war geprägt vom Überlebenskampf der Großmutter, dem Chaos des Krieges, der nationalsozialistischen Herrschaft und der rasch erlahmten Aufbruchsstimmung sowie der restaurativen Wende in Österreich nach 1945. Nach dem Besuch der Volks- und Hauptschule begann sie eine Ausbildung zur Industriekauffrau in einer Kunststofffabrik. Eine höhere Schulbildung blieb ihr aus finanziellen Gründen versagt.

1956 wurde Johanna Dietz Mitglied der SPÖ; 1957 heiratete sie den Chauffeur Franz Dohnal,[3] nach 19 Jahren Ehe folgte die Scheidung.[4] 1959 wurde sie zum ersten Mal Mutter. Ab 1960 wohnte Dohnal mit Mann und ab 1961 mit zwei Kindern in einer Gemeindewohnung der Stadt Wien auf 48 m² Wohnfläche. Weil das Geld dringend gebraucht wurde, begann Dohnal wenige Wochen nach der ersten Geburt wieder zu arbeiten; nach der zweiten Geburt wurde ihr gekündigt. Weil keine kostengünstigen Betreuungseinrichtungen zur Verfügung standen, nahm Dohnal verschiedene Heimarbeiten an. Erst 1969 gelang es ihr, wieder eine ordentliche Anstellung zu finden, diesmal als Sekretärin in einer Schlosserei.

Politische Karriere

Gründungsdokumente des von Dohnal mitgegründeten Vereins Soziale Hilfen für gefährdete Frauen und Kinder (1978)

1969 wurde Dohnal sozialistische Bezirksrätin im 14. Bezirk; 1971 wurde sie zur Vorsitzenden der SPÖ-Frauen des Bezirks gewählt. 1972 wechselte sie in die Parteizentrale der SPÖ, wo sie bis 1979 als Landesfrauensekretärin der SPÖ Wien arbeitete. 1973 bis 1979 war sie in der Ära von Bürgermeister Leopold Gratz Abgeordnete im Wiener Gemeinderat und Landtag. 1978 war Dohnal Mitgründerin des Vereins Soziale Hilfen für gefährdete Frauen und Kinder, der das erste Wiener Frauenhaus schuf.[5]

Nach unermüdlicher politischer Aktivität auf dem Feld der Gleichberechtigungspolitik holte Bruno Kreisky Dohnal 1979 als Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen in die Bundesregierung Kreisky IV. Sie arbeitete verstärkt in der österreichischen Frauenpolitik, setzte zahlreiche gesetzliche Verbesserungen vor allem für die berufstätigen Frauen durch. Außerdem engagierte sie sich in der Friedens-, der Bildungs- und der Entwicklungspolitik. Dohnal blieb in allen Regierungen bis 1990 Frauenstaatssekretärin.

Im Jänner 1991 wurde Dohnal unter Bundeskanzler Franz Vranitzky Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und damit die erste österreichische Frauenministerin. Den Ministerposten behielt sie bis 1995.

1987 wurde Dohnal Vorsitzende der SPÖ-Frauen und stellvertretende Bundesvorsitzende der SPÖ, was sie bis 1995 blieb. Anfang der neunziger Jahre wurden in Österreich elementare Frauenrechte wie die Beseitigung der Amtsvormundschaft bei ledigen Müttern, das Recht zur Betretungsverweigerung bei Gewalt in der Ehe und das gesetzliche Verbot der sexuellen Belästigung auf Initiative Dohnals gesetzlich festgeschrieben.

Rückzug aus der Politik

1993 wurden Gleichbehandlungsgesetze für den öffentlichen Dienst verabschiedet; eine Frauenquote an Universitäten und in Ministerien wurde eingeführt. Mitte der 1990er Jahre begann allerdings in Österreich nach den ersten großen Erfolgen Jörg Haiders eine konservative Wende; Dohnals Initiativen und ihre Person wurden in scharfen Kontroversen in Frage gestellt. Dohnal wehrte sich, konnte aber dem Stimmungsumschwung im Land nichts Entscheidendes mehr entgegensetzen; 1995 wurde sie von Vranitzky gegen ihren Widerstand als Frauenministerin aus der Regierung entlassen.[6] Sie zog sich aus der Berufspolitik zurück und kandidierte für kein politisches Amt mehr.

Ab 1995 engagierte sich Dohnal in den schon seit Jahrzehnten von ihr mit Leidenschaft mitbestimmten politischen Teilbereichen; sie arbeitete mit Universitäten, NGOs, Frauenorganisationen und Gewerkschaften zusammen und betrieb auch im Web weiterhin ihren Kampf für die Gleichstellung der Frau in Staat und Gesellschaft und ihre sozialistischen Ideale.

Im Jahr 2008 veröffentlichte sie im Studienverlag das Buch Innensichten österreichischer Frauenpolitiken, in dem sie über die Entwicklung der Frauenpolitik in Österreich schreibt, über Reformen der 1970er Jahre bis zur Zusammenarbeit mit der autonomen Frauenbewegung, aber auch über Auseinandersetzungen innerhalb der SPÖ (etwa den Konflikt mit Rotraud A. Perner).

Privat

Wiener Zentralfriedhof – Ehrengrab von Johanna Dohnal

Ab 1981[7] lebte sie in Lebensgemeinschaft mit der SPÖ-Gemeinderätin Annemarie Aufreiter, mit der sie Anfang 2010 nur kurze Zeit nach Inkrafttreten des Eingetragene Partnerschaft-Gesetzes am 1. Jänner 2010 eine Eingetragene Partnerschaft einging.[8][9] Dohnal besaß ein Landhaus in Mittergrabern im Weinviertel.[10]

Dohnals Sohn Robert verstarb im Jänner 2008; ihre Tochter Ingrid ist für den Verein Wiener Frauenhäuser, dessen Ehrenvorsitzende Johanna Dohnal war, als Assistentin tätig.[11][12]

Johanna Dohnal verstarb im Alter von 71 Jahren in der Folge bereits länger andauernder Herzprobleme[13] in ihrem Landhaus in Mittergrabern. In offiziellen Stellungnahmen wurde in diesem Zusammenhang die herausragende Stellung von Johanna Dohnal für die Gleichberechtigung und Frauenrechte in Österreich hervorgehoben.[13]

Sie wurde nach der Einäscherung am 9. März 2010 in einem Ehrengrab der Stadt Wien auf dem Zentralfriedhof in der Nähe der Gräber von Hertha Firnberg und Rosa Jochmann (Gruppe 32C, Nr. 1A) bestattet.[14]

Ihre eingetragene Lebenspartnerin Annemarie Aufreiter begehrte die Zuerkennung einer Witwenpension. Der Antrag wurde jedoch abgewiesen, weil die beiden Frauen nur wenige Wochen verpartnert gewesen waren.[15]

Auszeichnungen

Johanna-Dohnal-Platz in Wien-Mariahilf
  • 16. Juli 2009: Berufstitel Professor, durch den Bundespräsidenten verliehen
  • Am 27. September 2011 wurde der 1932 fertiggestellte Gemeindebau Jenullgasse 18–26 in Wien-Penzing Johanna-Dohnal-Hof benannt[17].
  • Am 5. Juni 2012 wurde einem Beschluss vom 7. November 2011 folgend in Wien-Mariahilf (6. Bezirk) der Johanna-Dohnal-Platz nach ihr benannt[18].

Zitate

„Es gibt Menschen, die im Volk die absolute Mehrheit stellen und im Parlament die wenigsten Sitze haben. Fragen Sie die Männer, warum.“

Aufkleber zur 50:50-Forderung

„Ich denke, es ist Zeit, daran zu erinnern: Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.“[19]

„Nur eine Frauenorganisation, die lästig ist, hat eine Existenzberechtigung.“[20]

Literatur

  • Erika Thurner, Alexandra Weiss (Hrsg.): Johanna Dohnal – Innensichten österreichischer Frauenpolitiken. Innsbrucker Vorlesungen. StudienVerlag, Innsbruck-Wien-Bozen 2008, ISBN 978-3-7065-4636-2.
  • Alexandra Weiss, Erika Thurner (Hrsg.): Johanna Dohnal und die Frauenpolitik der Zweiten Republik. Dokumente zu einer Pionierin des österreichischen Feminismus. Promedia Verlag 2019
  • Maria Rösslhumer, Birgit Appelt: Hauptsache Frauen. Politikerinnen in der Zweiten Republik. Verlag Styria, Graz, Wien, Köln 2001, ISBN 3-222-12850-2, S. 90–96.
  • Susanne Feigl: Was gehen mich seine Knöpfe an? Johanna Dohnal. Eine Biografie. Ueberreuter, Wien 2002, ISBN 3-8000-3878-1.
  • Maria Mesner, Heidi Niederkofler (Hrsg.): Johanna Dohnal: Ein politisches Lesebuch. Mandelbaum Verlag 2013

Film

Weblinks

Commons: Johanna Dohnal – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Johanna Dohnal, Biografie | Parlament Österreich. Abgerufen am 11. Februar 2022.
  2. derstandard.at: Johanna Dohnal verstorben: Ehemalige Frauenministerin und Ikone der Frauenbewegung wurde 71 Jahre alt. 20. Februar 2010. Abgerufen am 11. Februar 2012.
  3. Markus Gremel: Leadership in der Frauenpolitik dargestellt an Leben und Wirken von Adelheid Popp und Johanna Dohnal (Diplomarbeit), PDF, S. 66, abgerufen am 25. Februar 2010.
  4. Brigitte Perchar: Ein Leben für die Rechte der Frauen in: Wiener Zeitung vom 23. Februar 2010, abgerufen am 7. November 2013.
  5. Lisa Nimmervoll: Nachruf - Johanna Dohnal 1939–2010
  6. Ö1-Hörbilder (Samstag,12. März 2011, 09:05): Johanna Dohnal. Ein Porträt. Von Elisabeth Putz (Memento desOriginals vom 8. Dezember 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/oe1.orf.at
  7. Johanna Dohnal. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Niederösterreichische Nachrichten. Ehemals im Original; abgerufen am 21. Februar 2010.@1@2Vorlage:Toter Link/www.noen.at (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven.)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  8. Thomas Jorda: Grundsätze bleiben Grundsätze. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Niederösterreichische Nachrichten. Ehemals im Original; abgerufen am 21. Februar 2010.@1@2Vorlage:Toter Link/www.noen.at (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven.)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  9. Ulrike Lunacek: Trauer um Johanna Dohnal: Ihr zu früher Tod hinterläßt eine große Lücke. (Nicht mehr online verfügbar.) In: dielunacek.at. 20. Februar 2010, archiviert vom Original am 8. Dezember 2013; abgerufen am 21. Februar 2010.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dielunacek.at
  10. Maria Kern, Daniela Kittner: Abschied von einer Emanze. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Kurier. 20. Februar 2010, archiviert vom Original am 23. Februar 2010; abgerufen am 14. Oktober 2013.
  11. Frauenhäuser Wien: Tätigkeitsbericht 2006, Seite 6 (Memento vom 17. Januar 2009 im Internet Archive)
  12. dieStandard.at: Feminismus ist nach wie vor negativ besetzt, 11. Mai 2009
  13. a b APA: Frühere Ministerin Dohnal 71-jährig verstorben. In: Relevant.at. 20. Februar 2010, abgerufen am 23. Februar 2010.
  14. Abschied von Johanna Dohnal auf ORF-Wien am 6. März 2010, abgerufen am 6. März 2010.
  15. Saskia Jungnikl: Gedenktafel, aber keine Pension. In: derstandard.at, 15. Dezember 2010, abgerufen am 24. September 2020.
  16. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB)
  17. Gemeindebau nach Johanna Dohnal benannt, wien.orf.at, 27. September 2011
  18. Platz in Mariahilf nach Johanna Dohnal benannt (Memento desOriginals vom 10. Juni 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wien.gv.at, wien.at
  19. „ABC der Frauenpolitik“ der SPÖ-Frauen S. 16, PDF, 540kB (Memento vom 24. August 2009 im Internet Archive)
  20. Im Gespräch (Ö1) (Memento vom 24. März 2010 im Internet Archive) mit Renata Schmidtkunz und Birgit Sauer, 25. Februar 2010.

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Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.
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Die Schauspielerin Elisabeth Orth (stehend) und die frühere Politikerin Johanna Dohnal aus Österreich.
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Straßentafel "Johanna-Dohnal-Platz" nach der Enthüllung
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Gründungsdokumente des Vereins Soziale Hilfen für gefährdete Frauen und Kinder (1978), der das erste Wiener Frauenhaus schuf, in der Ausstellung „Am Anfang war ich sehr verliebt …“ 40 Jahre Wiener Frauenhäuser im Österreichischen Museum für Volkskunde im Palais Schönborn, Wien, Österreich.