Johann Theile

Johann Theile
Johannes Voorhout: Häusliche Musikszene, 1674; der Gambenspieler links wurde lange für Johann Theile gehalten
Oper am Gänsemarkt, Ausschnitt aus der Stadtansicht Paul Heineckens 1726

Johann Theile (* 29. Juli 1646 in Naumburg (Saale); † 22. Juni 1724 ebenda) war ein deutscher Komponist und Kapellmeister. Theiles kompositorische Werke umfassen Singspiele, Opern, Messen, Psalmen, Passionen, Arien und Canzonetten, Sonaten sowie Motetten. Darüber hinaus verfasste er musiktheoretische Schriften, vor allem zum Kontrapunkt.

Leben

Nach einem Jurastudium in Leipzig und Halle nahm er Unterricht in der Kompositionslehre in Weißenfels. Sein Lehrer hier war Heinrich Schütz; Theile gilt als einer seiner letzten Schüler. In Lübeck entstand 1673 seine Matthäuspassion. 2008 wurde in der Lübecker Stadtbibliothek ein Porträt von Theile entdeckt.

In Stettin und Lübeck war er beschäftigt als Organist. Außerdem hatte er einen herausragenden Ruf als Musikpädagoge und -lehrer. Laut Johann Matthesons Nekrolog auf Theile soll auch Dieterich Buxtehude sein Schüler gewesen sein,[1] doch wurde diese Annahme von der Forschung regelmäßig in Frage gestellt, zumal Buxtehude vermutlich neun Jahre älter war als Theile.[2] „Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Theile und Buxtehude in Lübeck und vielleicht auch in Hamburg dürften viele Gespräche über Fragen des Kontrapunkts ermöglicht haben, doch Buxtehudes Lehrer kann Theile nicht gewesen sein.“[3]

In den Jahren 1673 bis 1678 hatte er die Position des Hofkapellmeisters bei Herzog Christian Albrecht von Schleswig-Holstein-Gottorf inne. 1677 wurden Opern im Refektorium des Hamburger Doms aufgeführt. Mit seinem Singspiel Adam und Eva wurde ein Jahr später die Oper am Gänsemarkt in Hamburg – das erste bürgerliche Opernhaus in Deutschland – eröffnet.

Zwischen 1685 und 1689 bekleidete er die Stellung des Kapellmeisters in Wolfenbüttel; hier trat er die Nachfolge von Johann Rosenmüller an.[4] Weitere Stationen seines Wirkens waren an der Oper in Naumburg und bei Christian I. (Sachsen-Merseburg).[5] Nach Berlin – auch hier war er als Musiklehrer tätig – kehrte er 1694 als musikalischer Berater des Herzogs von Zeitz, Moritz Wilhelm (Sachsen-Zeitz), wieder in seine Heimatstadt zurück.

Werke

  • Matthäus-Passion – Lüneburg 1673 (rec. Harmonia Mundi 1984, London Baroque, dir. Charles Medlam)
  • Adam und Eva – Der erschaffene, gefallene und wieder aufgerichtete Mensch. Hamburg 1678 (geistliche Oper)
  • Orontes, der verlohrne und wieder gefundene Königliche Prinz aus Candia, in einem Sing-Spiel. Hamburg 1678
  • Davids und Jonathans treuer Liebe Bestätigung, 1685 (zugeschrieben)[4]
  • Die Geburth Christi (Weihnachtshistorie)
  • Christian Reuters Paßions-Gedancken über die Historie von dem bittern Leiden und Sterben unsers Herrn. Berlin 1708 (Passionsoratorium; nur der Text erhalten)
  • Beatus vir qui timet Dominum (Psalm-Motette)
  • Domine ne in furore tuo (Psalm)
  • Cum invocarem (Psalm)
  • Die Seele Christi heilige mich (Kantate für Sopran, Violine, 2 Violen da gamba und Basso continuo)
  • Musicalisches Kunstbuch, Sonaten.

Literatur

  • Willy Maxton: Johann Theile. Tübingen, Univ., Diss., 1926. Neudruck: Dr. Josef Floßdorf, Wolfenbüttel 2004.
  • Ulf Grapenthin: Theile, Johann. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 16 (Strata – Villoteau). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2006, ISBN 3-7618-1136-5 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
  • Stephen Rose: A Lübeck music auction, 1695. In: Schütz-Jahrbuch 30, 2008, S. 171–190.
  • Kerala J. Snyder: Dieterich Buxtehude: Organist in Lübeck. Schirmer Books, New York 1987, 1993, ISBN 0-02-873080-1 (S. 110 ff. zu Theile)
  • Robert Eitner: Theile, Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 37, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 670–672.

Weblinks

Commons: Johann Theile – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Johann Mattheson: Zeitungen von musicalischen Personen und Sachen. In: Critica Musica. 2. Band. Thomas von Wierings Erben, Hamburg 1725, S. 57 f.; Textarchiv – Internet Archive
  2. Kerala J. Snyder: Dietrich Buxtehude's Studies in Learned Counterpoint. In: Journal of the American Musicological Society. 33, 1980, Nr. 3, S. 544–564; JSTOR:831305-
  3. Kerala J. Snyder: Dieterich Buxtehude. Leben, Werk, Aufführungspraxis. Bärenreiter, Kassel 2007, ISBN 978-3-7618-1836-7, S. 143
  4. a b Hans-Hennig Grote: Schloss Wolfenbüttel. Residenz der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg. 2005, ISBN 3-937664-32-7, S. 181.
  5. http://heinrich-schuetz-haus.de/schueler/johann_theile.php

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Theile J.JPG
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Johann Theile, copper engraving in the collection of the Stadtbibliothek Lübeck, this version photographed in the Heinrich-Schütz Haus, Weißenfels
Musical Company by Johannes Voorhout (1674).jpg
Am Cembalo ist Johann Adam Reincken, zu der Zeit Organist an der Katharinenkirche im seidenen Hausrock und mit einem dunkelhäutiger Pagen in einer weltgewandten Attitüde dargestellt, die seinem sozialen Status eigentlich nicht entsprach. Vermutlich ist er Auftraggeber des Bildes. Die frühere Identifizierung der ihm gegenüber sitzenden Person mit dem Notenblatt als Johann Theile (1646-1724), Kapellmeister an verschiedenen norddeutschen Höfen war und Komponist der ersten in Hamburg aufgeführten Oper, wird in der Forschung mittlerweile abgelehnt. Denkbar ist aber, dass diese Person den Komponisten Johann Philipp Förtsch darstellt. Das Notenblatt hat einen Kanon über den Psalm 133,1: Siehe, wie fein und lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen, ein unbekanntes Werk, das Bezug nimmt auf die Freundschaft und Zusammenarbeit der Musiker als „gelehrte Musiker“, also nicht nur als technisch geschulte Instrumentisten, sondern als Kenner der geistigen Inhalte der Musik. Auch der Komponist Dieterich Buxtehude des Kanon ist wohl abgebildet, vermutlich ist er der Gambenspieler am linken Bildrand. Das Notenblatt auf dem Knie des Herrn neben der Lautenspielerin, weist auch eine Widmung an Reinken und seinen Freund Dietrich Buxtehude (1637 – 1707) auf.
Hamburgs Oper.jpg
Das Opernhaus am Gänsemarkt (Ausschnitt aus einer Stadtansicht von Paul Heinecken 1726