Johann Nicolaus Pfitzer
Johann Nicolaus Pfitzer (* 1634 in Nürnberg; † 4. Januar 1674 ebenda) war ein deutscher Schriftsteller und Arzt. Im Jahr 1674 erschien posthum seine Bearbeitung des Fauststoffs, die für die Überlieferung der Sage von Bedeutung ist.
Leben
Johann Nicolaus Pfitzer wurde 1634 in Nürnberg geboren. Er studierte an der Universität Straßburg (universitatis argentoratensis) Medizin und wurde 1660 mit einer Dissertation Über Pocken und Masern zum Doktor der Medizin promoviert.[1] Im selben Jahr kehrte er nach Nürnberg zurück, wo er zum „ordentlichen Physikus“ bestellt wurde. 1665 wurde er Genannter des Grösseren Raths der Stadt. Sein 1668 erstmals erschienenes Buch Vernünfftiges Wunden-Urtheil[2] gilt als erstens rechtsmedizinisches Buch deutscher Sprache.[3] Pfitzer starb am 4. Januar 1674 in Nürnberg.[4]
Faustbuch
Das von Pfitzer verfasste Faustbuch Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß vielberüchtigten Ertz-Schwartzkünstlers Johannis Fausti gehört zur Volksbuch-Überlieferung der Faust-Sage. Es war eine Bearbeitung des Faustbuchs von Georg Rudolf Widmann von 1599, nutze aber auch dessen Vorgänger, die Historia von D Johann Fausten von Johann Spies (1587).[5] Es wurde bis ins 18. Jahrhundert sechs mal aufgelegt und diente wohl als Vorlage für das Faustbuch des Christlich Meynenden von 1725.[6]
Widmanns und Pfitzers Fassungen enthielten im Vergleich zur Historia sehr umfangreiche Kommentare (sie sind etwa doppelt so lang wie die Historia), ließen aber auch wesentliche Motive aus, insbesondere die „naturphilosophischen Disputationen, Fausts Expeditionen und Untersuchungen sowie Fausts naturphilosophische Antworten an Kollegen“[7] Pfitzer ändert nur wenig an Widmanns Fassung der Sage,[8] verändert und ergänzt jedoch viele der Kommentare.[9] Eine systematische Auflistung der Pfitzerschen Änderungen findet sich bei Dumcke, der dessen Haupttätigkeit in einer „Modernisierung des ganzen Werkes“ und einem Streben nach besserer Lesbarkeit sieht.[10]
Pfitzer betont im Vergleich zu seiner Vorlage das Motiv der Begierde in Fausts Pakt mit dem Teufel. Das zeigt sich u. a. in der Wiedereinführung der Helena-Episode. Er ist auch der erste, der der Handlung eine Episode hinzufügt, in der Faust ein armes, aber attraktives Mädchen begehrt und in einem Kommentar die Geschichte einer ungewollt schwangeren und verlassenen jungen Frau erzählt, die ihr Kind dann tötet und später hingerichtet wird.[5] Da diese Episoden auf Pfitzer zurückgehen, wird er als eine der Quellen der Gretchen-Tragödie in Goethes Faust angesehen.[11] Otto Pniower argumentiert mit Verweis darauf und auf zahlreiche weitere Details in den frühen Teilen von Goethes Faust, die Übereinstimmungen mit Pfitzers, aber nicht den andern Fassungen des Volksbuchs aufweisen, dass „Goethe Pfitzer schon für den Urfaust benutzt“ habe.[12] Es ist allerdings nur belegt, dass Goethe das Pfitzersche Buch 1801 in Weimar auslieh, also lange nach Entstehung des Urfaust.[13]
Schriften
- Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß vielberüchtigten Ertz-Schwartzkünstlers Johannis Fausti, Erstlich, vor vielen Jahren, fleissig beschrieben, von Georg Rudolph Widmann; Jetzo aufs neue übersehen [...] und vermehret Durch Ch. Nicolaum Pfitzerum. Nürnberg 1674 (Scan, Text – 635 Seiten; 6 weitere Auflagen bis 1726).
- Vernünfftiges Wunden-Urtheil. Wie man nemlich Von allen Wunden deß menschlichen Leibes gründlichen Bericht, ob solche gefährlich, tödtlich, oder nicht, vor Gericht, und anderswo, ertheilen möge: Allen, so wol Gerichten und Rechtsverständigen zur Nachricht [.] In zwey Bücher abgetheilet. Anietzo zum andern Mal aufgelegt, vermehret, und mit einem Anhang einer kurtzen Anweisung für die angenommenen Feldscherer; zusamt einem Feld-Kasten, versehen. J. A. u. W. Endter Erben, Nürnberg 1668 (mdz-nbn-resolving.de – 2. Auflage, mit einer Vorrede von Johann Georg Volckamer, ebenda 1674).
- Zwey sonderbare Bücher, von der Weiber Natur, wie auch Deren Gebrechen und Kranckheiten. Aus den bewährtesten, sowol alten, als neuern Natur- und Artzney-Kunst-Erfahrnen, mit Fleisse zusammen verfasset. Endter, Nürnberg 1673 (digitale-sammlungen.de).
Quellen
- Georg Andreas Will: Pfitzer, Johann Nicolaus. In: Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon. Band 3. L. Schüpfel, 1757, S. 159 (archive.org).
- Giuseppe Zamboni: PFITZER, Johann Nikolaus. In: Enciclopedia Italiana. 1935 (italienisch, treccani.it).
- Pfitzer, Johann Nicolaus, Indexeintrag: Deutsche Biographie.
Einzelnachweise
- ↑ Disputatio Inauguralis Medica, De Variolis Et Morbillis. Argentorati 1660 (Latein, deutsche-digitale-bibliothek.de – Doktorarbeit).
- ↑ Johann Nicolaus Pfizer: Vernünfftiges Wunden-Urtheil. Wie man nemlich Von allen Wunden deß menschlichen Leibes gründlichen Bericht, ob solche gefährlich, tödtlich, oder nicht, vor Gericht, und anderswo, ertheilen möge: Allen, so wol Gerichten und Rechtsverständigen zur Nachricht [.] In zwey Bücher abgetheilet. Anietzo zum andern Mal aufgelegt, vermehret, und mit einem Anhang einer kurtzen Anweisung für die angenommenen Feldscherer; zusamt einem Feld-Kasten, versehen. J. A. u. W. Endter Erben, Nürnberg 1668 (mdz-nbn-resolving.de – 2. Auflage, mit einer Vorrede von Johann Georg Volckamer, ebenda 1674).
- ↑ Wolfgang Schwerd: Zur Geschichte der Rechtsmedizin. In: Wolfgang Schwerd (Hrsg.): Kurzgefaßtes Lehrbuch der Rechtsmedizin für Mediziner und Juristen. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln-Lövenich 1979, ISBN 3-7691-0050-6, S. 351f (3., überarbeitete und ergänzte Auflage).
- ↑ Georg Andreas Will: Pfitzer, Johann Nicolaus. In: Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon. Band 3. L. Schüpfel, 1757, S. 159 (archive.org).
- ↑ a b John R. Williams: Goethe's Faust. Routledge, 2020, ISBN 978-0-367-43839-5, S. 24 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Günther Mahal: Faust. Bastei Lübbe, 1980, ISBN 3-404-61074-1, S. 13.
- ↑ Dustin Lovett: The Devil Only Knows: The Origins of Faust at the Crossroads of Magic, Medicine, and Science. 2023, S. 200 (escholarship.org [PDF] Dissertation, University of California, Santa Barbara): „This means cutting the natural philosophical disputations, Faust’s expeditions and investigations, and Faust’s natural philosophical replies to colleagues based on his investigations.“
- ↑ Was, wie Lovett anmerkt, auch im Untertitel des Buchs reflektiert ist: Erstlich vor vielen Jahren fleißig beschrieben von Georg Rudolph Widmann; Ietzo, aufs neue übersehen, und so wol mit neuen Erinnerungen, als nachdenklichen Fragen und Geschichten, der heutigen bösen Welt, zur Warnung, vermehret, Durch Ch. Nikolaus Pfitzer Med. Doct
- ↑ Dustin Lovett: The Devil Only Knows: The Origins of Faust at the Crossroads of Magic, Medicine, and Science. 2023, S. 207f (escholarship.org [PDF] Dissertation, University of California, Santa Barbara).
- ↑ Julius Dumcke: Die Deutschen Faustbücher. Hrsg.: Universität Leipzig. 1891, S. 64-81 (archive.org – Dissertation).
- ↑ Albrecht Schöne: Goethe Faust. Kommentare. DKV, 1994, S. 195.
- ↑ Otto Pniower: Pfitzers Faustbuch als Quelle Goethes. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Band 57, 1920, S. 248–266, 259f, JSTOR:20657079: „Damit ist wol zur evidenz gebracht, dass Goethe Pfitzer schon für den Urfaust benutzt hat.“
- ↑ Kirsten Peters: Der Kindsmord als schöne Kunst betrachtet. Königshausen & Neumann, 2001, S. 103 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Personendaten | |
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NAME | Pfitzer, Johann Nicolaus |
ALTERNATIVNAMEN | Pfitzer, Johannes Nicolaus; Fitzer, Johann Nicolaus; Pfitzerus, Johannes Nicolaus; Pfitzerus, Johann Nicolaus; Pfitzer, Johann Nikolaus; Pfitzer, Johannes Nikolaus; Fitzer, Johann Nikolaus; Fitzer, Johannes Nicolaus; Fitzer, Johannes Nikolaus; Pfitzerus, Joh. Nicolaus; Pfizer, Johann Nicolaus; Pfizerus, Johannes Nicolaus; Pfitzer, Chr. Nicolaus; P., J. N.; J. N. P. M. D.; Pfizerus, Joannes Nicolaus; Pfitzerus, Ch. Nicolaus; Pfitzer, Ch. Nicolaus |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Arzt und Autor |
GEBURTSDATUM | 1634 |
GEBURTSORT | Nürnberg |
STERBEDATUM | 4. Januar 1674 |
STERBEORT | Nürnberg |