Jakutische Sprache

Jakutisch
саха тыла

Gesprochen in

Russland Russland
Sprecherca. 450.000 (2010)[1]
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache inSacha Republik Republik Sacha (Jakutien)
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

sah

ISO 639-3

sah

Ein indigener jakutischer Sprecher

Die jakutische Sprache (jakutisch саха тыла ‚sacha tyla‘) ist eine Sprache aus der Gruppe der nordöstlichen Turksprachen (auch „sibirische Turksprachen“ genannt), die von etwa 450.000 Menschen als Muttersprache gesprochen wird. Sie nimmt innerhalb der Gruppe der Turksprachen eine Sonderstellung ein, da sie auf der einen Seite viele Merkmale des Alttürkischen und auf der anderen Seite Merkmale der benachbarten, aber nicht nahe verwandten mongolischen und tungusischen Sprachen aufweist.

Sprecherzahl, Verbreitung

Jakutisch ist die Muttersprache eines Großteils der etwa 444.000 Jakuten und wird von einigen tausend weiteren Menschen als Zweit- oder Fremdsprache gesprochen. Hauptverbreitungsgebiet ist die Republik Sacha (Jakutien), daneben existieren Sprechergemeinschaften in der Oblast Magadan, der Oblast Amur und der Region Krasnojarsk. Viele Ewenken, Ewenen und Jukagiren sprechen als Erstsprache Jakutisch.

Die Lexik, das Lautsystem und die Grammatik des Jakutischen sind vor allem vom Mongolischen und Tungusischen beeinflusst, während der Grundwortschatz noch überwiegend als türkisch anzusehen ist. Ein erstes Jakutisch-Russisch-Wörterbuch schuf Edward Piekarski.[2] Im Jakutischen gibt es nur wenige Fremdwörter aus dem Russischen. Diese sind meist Begriffe der Technik.

Dialekte

Der Artikel „Яку́тский язы́к“ (deutsch „Jakutische Sprache“) von Elisaweta I. Ubrjatowa im Лингвистический энциклопедический словарь (deutsch „linguistisches enzyklopädisches Wörterbuch“) gibt eine Klassifikation des Jakut-Dialektsystems, in der vier Gruppen von Dialekten unterschieden werden[3][4]:

P. P. Baraschkow wählte drei Gruppen von Dialekten in der Sprache der Jakuten aus: Namsk-Aldan, Wiljuisk-Kangalass und Megino-Tatta.

In der Klassifikation von M. S. Woronkin werden die Dialekte der jakutischen Sprache in zwei große Gruppen von Dialekten und den Dolgan-Dialekt unterteilt (Антонов, 1997, S. 514):

  • westliche (umgebende) Gruppe von Dialekten;
    • Wiljuisk-Dialekte
    • nordwestliche Dialekte
  • östliche (Akoja-) Dialektgruppe;
    • zentrale Dialekte
    • nordöstliche Dialekte
  • Dolganische Dialekt/Sprache.

Deutlich von anderen jakutischen Dialekten isoliert ist das Dolganische. Der Einfluss der ewenkischen Sprache sowie die lange isolierte Entwicklung des Dolganischen von anderen jakutischen Dialekten führten zu einer Zunahme der phonetischen, morphologischen und lexikalischen Unterschiede zur klassischen jakutischen Sprache. Einige Forscher (E. I. Ubrjatowa und andere) betrachten Dolgan als eigenständige türkische Sprache[5]; andere (M. S. Woronkin) halten den Dolgan-Dialekt für nur geringfügig anders als die jakutische Sprache (Антонов, 1997, S. 523).

Zwischen den Sprechern der Dialekte besteht ein weitgehendes gegenseitiges Verständnis. Dialektische Unterschiede manifestieren sich hauptsächlich im Bereich der Phonetik und des Wortschatzes (Антонов, 1997, S. 523).

Alphabete

Erst seit 1819 gilt das Jakutische als Schriftsprache im eigentlichen Sinn, als russische Missionare bei den Jakuten ein modifiziertes kyrillisches Alphabet zur Schreibung der Sprache einführten.

Jakutisches Alphabet 1917–1929

Ab ca. 1917 wurde Jakutisch in einer eigens dafür entwickelten Lautschrift geschrieben, die aus einer Auswahl von Zeichen des Internationalen Phonetischen Alphabets (IPA) und vier zusätzlichen Zeichen für Diphthonge bestand.[6] Diese vier zusätzlichen Zeichen sind in Unicode seit der Version 8.0 (Juni 2015) enthalten.

1929 wurde diese Schrift durch das „Neue Alphabet für die Turksprachen“ (Jaꞑalif) abgelöst.

1939 führte Stalin für alle Nationalitäten der UdSSR einen obligatorischen Russisch-Unterricht und damit auch bei den Jakuten ein modifiziertes kyrillisches Alphabet ein.

Jakutisches Lateinalphabet (1929–1939)[7]:

A aB вC cÇ çD dE eG gƢ ƣ
H hI iJ jK kL lLj ljM mN n
Nj njO oƟ ɵP pQ qR rS s
T tU uY yЬ ь'

Jakutisches Kyrillalphabet (seit 1939):

А аБ бВ вГ гҔ ҕД дДь дьЕ е
Ё ёЖ жЗ зИ иЙ йК кЛ лМ м
Н нҤ ҥНь ньО оӨ өП пР рС с
Һ һТ тУ уҮ үФ фХ хЦ цЧ ч
Ш шЩ щЪ ъЫ ыЬ ьЭ эЮ юЯ я

Phonetik und Phonologie

Die jakutische Sprache hat eine streng phonematische Orthographie, so dass eine eindeutige Beziehung zwischen Lautfolge und Schriftbild (einschließlich langer Vokale, zweier Digraphen und vier Diphthonge) besteht.

Vokale

KurzLangDiphthonge
hochmittel und
tief
hochmittel und
tief
vornungerundetieie
gerundetyøøː
hintenungerundetɯaɯːɯa
gerundetuouo

Der Vokalismus der Jakutische Sprache wird durch acht kurze und acht entsprechende lange Vokale dargestellt. Kurzbuchstaben werden als а, ы, о, у, э, и, ө, ү, а bezeichnet; lang – аа, ыы, оо, уу, ээ, ии, өө, үү. In der Sprache sind die sogenannten primären Längengrade erhalten: fünf lange Vokale (аа, ыы, уу, ии, үү), die nur in der Wurzel vorkommen. Sekundäre Längengrade, die sich aus einer Kontraktion ergeben, sind in jeder möglichen Silbe eines Wortes zu finden. Darüber hinaus ist die Sprache durch vier Diphthonge gekennzeichnet, die durch zwei Buchstaben gekennzeichnet werden: ыа, уо, иэ und үө[8]:S. 11–13. Die Verwendung von Vokalen folgt der Vokalharmonie, bei der die Vokale in einem Wort in einer genau definierten Reihenfolge aufeinander folgen müssen. Wenn zum Beispiel die vorherige Silbe den Laut y enthält, kann es in der nächsten nur entweder ы oder а oder ыа geben: ылыым, ылаар, ылыа usw.[3][8]:S. 15–16.

VokaleMögliche nachfolgende VokaleBeispiele
э, эээ, ээ, и, ии, иээргэтээҕи, нэлиэр, биэриим
о, ооо, оо, у, уу, уодьолбун, болгуо
ө, өөө, өө, ү, үү, үөкөмүс, өрөөбүт, өйдүүр, көрүөххүн
ы, ыы, ыаы, ыы, а, аа, ыакылаан, кындыа, кыайаар
и, ии, иэи, ии, э, ээ, иэтириитинэн, иччикэйиэм
у, уу, уоу, уу, а, аа, уоуҥуоҕун, тускулаах, умуруорума, уонна
ү, үү, үөү, үү, э, ээ, үөүстүү, сүһүөхтээх

Konsonanten

LabialDentalAlveolarPalatalVelarGlottal
Nasalmnɲŋ
Plosivpbtdcɟkɡ
Frikativsxɣh
Approximantlj, ȷ̃
Vibrantɾ

In Wörtern, die aus der russischen Sprache entlehnt wurden, werden Konsonantenkombinationen durch zwischengesetzte Vokale getrennt. Zum Beispiel: «бригада» > биригээдэ (‚Brigade‘), «книга» > кинигэ (‚Buch‘) usw. In den angestammten Wörtern ist eine Kombination von mehr als zwei Konsonanten nicht zulässig. Am Anfang und am Ende eines Wortes sind Konsonanten (mit Ausnahme einiger Wörter) verboten, Kombinationen bestimmter Konsonanten sind verboten[9]. Zu Beginn eines Wortes werden häufig die Konsonanten б, м, к, с, т, х, ч verwendet. Selten benutzt: п, г, һ. Am Wort Anfang werden ҕ, й, ҥ, р nicht verwendet. Am Ende des Wortes werden һ, ҕ, г, б, д, ч nicht verwendet.

Prosodie

Jakutisch ist (wie die meisten anderen türkischen Sprachen) durch eine okzitone (immer auf die letzte Silbe fallende) Betonung gekennzeichnet, die nicht mit Diphthongen und Vokallängen assoziiert ist[10].

Grammatik

Morphologie

Nomen

Die Sprache der Jakuten gehört zu den agglutinierenden Sprachen. Die Wortbildung beruht auf Anhängen: балык ‚Fisch‘ – балыксыт ‚Fischer‘ – балыктааһын ‚Fischerei‘.

Die Geschlechtskategorie wird nicht grammatikalisch ausgedrückt, es gibt keine Präpositionen oder Präfixe. Ähnliche semantische Konstruktionen entstehen auch durch Affixe.

Pronomen

Personalpronomen

Personalpronomen in der Sprache der Jakuten (мин min, эн en, кини kini, биһиги bihigi, эһиги ehigi, кинилэр kiniler) unterscheiden sich in Personen (erste, zweite, dritte) und Zahlen (Singular und Plural). In der Umgangssprache werden Pluralpronomen häufig abgekürzt, zum Beispiel: биһиги – биһи, эһиги – эһи.

Die Deklination von Personalpronomen[8]:S. 51–52:

Kasus

(түһүк)

SingularPlural
1. Person2. Person3. Person1. Person2. Person3. Person
ichduer /siewirihrsie
Nominativ (төрүөт)минэнкинибиһигиэһигикинилэр
Partitiv (араарыы)миигинээйиигинэкинитэбиһигинээһигинэкинилэрэ
Dativ (сыһыарыы)миэхээйиэхэкиниэхэбиһиэхээһиэхэкинилэргэ
Akkusativ (туохтуу)миигинэйигинкининибиһигиниэһигиникинилэри
Ablativ (таһаарыы)миигиттэнэйигиттэнкиниттэнбиһигиттэнэһигиттэнкинилэртэн
Instrumentalis (туттуу)миигинэнэйигинэнкининэнбиһигинэнэһигинэнкинилэринэн
Komitativ (холбуу)миигинниинэйигинниинкинилиинбиһигинниинэһигинниинкинилэрдиин
Vergleichsfall (тэҥнии)миигиннээҕэрэйигиннээҕэркинитээҕэрбиһигинээҕэрэһигиннээҕэркинилэрдээҕэр
Demonstrativpronomen

In der jakutischen Sprache gibt es 3 Demonstrativpronomen, die sich im Grad der Entfernung des von ihnen bezeichneten Objekts vom Sprecher und Hörer unterscheiden: бу, ити, ол. Das Pronomen бу wird verwendet, wenn sich das Objekt neben dem Sprecher befindet, ити neben dem Hörer und ол von beiden entfernt ist. Demonstrativpronomen werden je nach Fall dekliniert.

Ziffern

012345678910
нуулбиириккиүстүөртбиэсалтасэттэаҕыстоҕусуон
1120304050607080901001000100001000000
уон биирсүүрбэотуттүөрт уонбиэс уоналта уонсэттэ уонаҕыс уонтоҕус уонсүүстыһыынча (муҥ)уон тыһыынча (үтүмэн)мөлүйүөн

Plural

Der Plural in der Sprache Jakutisch wird durch Hinzufügen eines Zusatzes in Abhängigkeit vom endgültigen Klang des Wortstamms gebildet:

Letzte SoundgrundlagenOptionen anbringenBeispiele
Vokale, л-лар, -лэр, -лор, -лөрКыыллар, эһэлэр, оҕолор, бөрөлөр
к, п, с, т, х-тар, -тэр, -тор, -төрАттар, күлүктэр, оттор, бөлөхтөр
й, р-дар, -дэр, -дор, -дөрБаайдар, эдэрдэр, хотойдор, көтөрдөр
м, н, ҥ-нар, -нэр, -нор, -нөрКыымнар, илимнэр, ороннор, бөдөҥнөр

Ausnahmen: кыыс (‚Mädchen‘) – кыргыттар (‚Frauen‘), уол (‚Junge‘) – уолаттар (‚Jungen‘).

Wenn eine bestimmte Menge eines Objekts (oder Ereignisses) oder eine ungefähre Menge (beim Hinzufügen von Adverbien) ausgedrückt wird, werden Affixe nicht verwendet. Beispiele: үс оҕо (‚drei Kinder‘), сүүс үлэһит (‚einhundert Mitarbeiter‘), аҕыйах кус (‚wenige Enten‘), элбэх үөрэнээччи (‚viele Studenten‘). Dies ist eines der Merkmale vieler türkischer Sprachen.

Bibliographie

  • Michel Morvan: Erensuge. In: La Linguistique. 23, 1987/1, 131–136, JSTOR:30248559.
  • John R. Krueger: Yakut Manual (= Research and studies in Uralic and Altaic languages. Band 63; Indiana university publications: Uralic and Altaic series. Band 21). Bloomington, 1962, OCLC 185725854; Curzon Press, London 1997, ISBN 0-7007-0821-9 (Reprint).
  • Stanislav Kaluzynski: Mongolische Elemente in der jakutischen Sprache. Mouton u. a., Warschau 1962, OCLC 754963360.
  • Ingeborg Hauenschild: Lexikon jakutischer Tierbezeichnungen. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-447-05747-9.

Siehe auch

  • Nationalbibliothek der Republik Sacha (Jakutien)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jakutisch bei Ethnologue
  2. Smaljawitschy: Жизнь Эдуарда Пекарского (abgerufen am 12. Dezember 2022).
  3. a b Елизавета Ивановна Убрятова: Якутский язык. In: Лингвистический энциклопедический словарь (ЛЭС) (tapemark.narod.ru [abgerufen am 2. September 2019]).
  4. Письменные языки мира. Российская Федерация. Band 1. Academia, Moskau 2000, ISBN 5-87444-103-4, S. 583.
  5. Елизавета Ивановна Убрятова: Долганский язык. In: Лингвистический энциклопедический словарь (ЛЭС) (tapemark.narod.ru [abgerufen am 2. September 2019]).
  6. Ilya Yevlampiev, Nurlan Jumagueldinov, Karl Pentzlin: Second revised proposal to encode four historic Latin letters for Sakha (Yakut). (PDF; 4,2 MB) ISO/IEC JTC1/SC2/WG2, Document N4213R, 26. April 2012, abgerufen am 24. Februar 2014 (englisch).
  7. Суорун Омоллоон: Saqa tьla: Manajgь oskuolaƣa yөrener kinige: Grammaatьka uonna Orpograapьja. Bastakь caaha (Саха тыла: Маҥнайгы оскуолаҕа үөрэнэр кинигэ: Граммаатыка уонна Орпограапыйа. Бастакы чааһа)/Учебник якутского языка: Для 1 и 2 класса начальной школы. Грамматика и орфография. Hrsg.: M. K. Siipsep. Teil 1. Sudaarьstьba Saqa Sirineeƣi Beceettiir Suuta (SSSBS), Çokuuskaj 1935, S. 56 (nlrs.ru).
  8. a b c Н. Д. Дьячковский, П. А. Слепцов, К. Ф. Фёдоров, М. А. Черосов: Поговорим по-якутски: Самоучитель языка саха. Бичик, Якутск (Jakutsk) 2002, ISBN 5-7696-1650-4 (Red.: П. А. Слепцова).
  9. Н. Д. Дьячковский, П. А. Слепцов, К. Ф. Фёдоров, М. А. Черосов, С. К. Колодезников: Поговорим по-якутски: Самоучитель языка саха. 5-е Auflage. Бичик, Якутск (Jakutsk) 2018, S. 5 (Red.: П. А. Слепцова).
  10. George L. Campbell, Gareth King: Compendium of the World’s Languages. Routledge, 2013, ISBN 978-1-136-25846-6, S. 1794.

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