J. P. Bemberg

Blick durch Tor 5 der ehemaligen J.P. Bemberg AG

Die J. P. Bemberg AG war ein traditionsreiches deutsches Textilunternehmen, das 1971 durch die Fusion mit der Glanzstoff AG in die Enka AG aufging. Sie war vor allem für ihre Produktion feiner Kupferseide für Damenstrümpfe bekannt.[1]

Geschichte

Aktie über 100 RM der J. P. Bemberg AG vom Juni 1933

1792 gründete der Kaufmann Johann Peter Bemberg in Elberfeld (heute ein Teil von Wuppertal) eine Weinhandlung, die sich über den Handel mit Farbstoffen, Baumwolle und Wolle zu einer Türkischrot-Färberei entwickelte.

Der Ehemann seiner Enkelin Therese, Friedrich A. Platzhoff, verlegte 1865 das Unternehmen nach der Öhde und expandierte durch Gründungen oder Übernahmen von Fabriken in Barmen (heute ebenfalls ein Teil von Wuppertal), Krefeld und Augsburg, unter anderen Mechanische Kunstseidenwebereien, die aus der 1896 erworbenen Weberei Max Triepke hervorgingen. 1903 erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft unter der Firma J. P. Bemberg AG.

Im Jahr 1900 begann der Chemiker Edmund Thiele mit Versuchen, das Streckspinnverfahren für Kupferseide (Deutsche Reichspatente Nrn. 154 507 und 157 157) zu entwickeln, was 1904 zum Beginn der Produktion von Kupferseide führte und ab 1906 auch nach dem nun produktionsreifen Streckspinnverfahren.[1] In den folgenden Jahren wurde unter dem Markenname „Bemberg-Seide“ ausschließlich Kupferseide produziert. Sie entsprach in ihrer Feinheit (1,2–1,7 den)[2] der Naturseide und wies eine größere Festigkeit als Viskose-Kunstseide auf. Im Jahr 1925 lag J. P. Bembergs Produktionsausstoß an Kupferkunstseide bei 1000 t und 1935 bei ca. 3500 t Kupferseide. Die Färberei hatte man bereits 1918 endgültig aufgegeben.

1925 wurde die Aktienmehrheit der Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG übernommen, die seit 1916 durch vertragliche Vereinbarungen mit Bemberg zusammenarbeiteten. Die Glanzstoff gab in der Folgezeit das Kupferverfahren ganz auf – bis auf die Herstellung von Kupfer-Sirius (einem monofilen Faden in starkem Titer, sogenanntem künstlichen Rosshaar), die noch einige Zeit beibehalten wurde. Das Werk in Öhde wurde daraufhin bis 1928 erheblich ausgebaut und war 1937 mit etwa 5.700 Arbeitskräften der größte Arbeitgeber der Stadt.[1]

In diesen Jahren wurde die Herstellungstechnologie an internationale Tochterunternehmen übertragen. Als erstes 1924 an Seta Bemberg SA im italienischen Gozzano, das sich ab 1927 vollständig auf die Kunstseidenproduktion konzentrierte. 1925 wurde das Tochterunternehmen American Bemberg Corporation mit einer Fabrik in Elizabethton (Tennessee) gegründet, die trotz anhaltender Arbeitskämpfe schnell erfolgreich war. 1948 wurde sie von dem New Yorker Unternehmen Beaunit Mills aufgekauft.[3][4] 1928 ging J. P. Bemberg mit Shitagau Noguchi, der 1922 bereits zusammen mit J. P. Bemberg und anderen Asahi Kenshoku (heute Asahi Kasei) mit Sitz in Nobeoka gegründet hatte[5], einen Lizenzvertrag für die Kupferseidentechnologie ein.[6] Asahi entwickelte das Verfahren weiter und begann 1931 mit der Produktion, zunächst in Hokuriku.[7] 1933 fusionierte Asahi mit der Nihon Bemberg Seidenfabrik mit Sitz in Osaka, es entstand die Asahi Bemberg Kenshi KK.[8][6]

Anfang der 1930er Jahre begann J. P. Bemberg mit der Herstellung des Bemberg-Zellglases „Cuprophan“. 1940 meldete J. P. Bemberg das „Dureta“-Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung von Kunstseide nach dem Kupferverfahren zum Patent an (DRP Nr. 763735). Im Zweiten Weltkrieg überwog die Herstellung von Fallschirmseide (bis zu 40 Tonnen Seide am Tag mit 4.400 Beschäftigten). Am 13. März 1945 wurden bei einem Luftangriff 70 % der Produktionsanlagen zerstört. Mit dem Kriegsende gingen die ausländischen Niederlassungen verloren. 1946 erfolgte eine Neugründung mit ca. 300 Angestellten. Die Produktion florierte mit Perlon, ab 1962, Verkauf aber von Glanzstoff und Chemiekupferseide Bemberg®, Cuprophan, Bemberg-Lavabel und Geweben der Mechanischen Kunstseidenwebereien in Augsburg unter eigenem Namen. Im Jahre 1963 erreichte man mit 3.083 Beschäftigten einen Umsatz von 100.976.000 DM. Das Kapital betrug zu dieser Zeit 45 Millionen DM. Davon besaßen die VGF 80,8 %, die AKU 8,7 % und freie Aktionäre 10,5 %. Um 1969 waren wieder etwa 3.800 Angestellte beschäftigt. 1971 fusionierte Bemberg mit der Glanzstoff AG, das neue Unternehmen firmierte unter Enka Glanzstoff AG. Seit 2015 gehört das Werk zu 3M und stellt Membranen für den medizinischen und industriellen Bedarf her.[9]

Umweltschäden

Aus der Kunstseide-Fertigung im norditalienischen Gozzano gelangten seit 1927 Kupfer und Ammoniumsulfat in den Ortasee. Nach zwei Jahren war der See fischlos und galt jahrzehntelang als biologisch tot. Der erste Einsatz von Kupferfiltern begann 1956, dreißig Jahre später endeten die Abwassereinleitungen. Zusammen mit flankierenden Umweltmaßnahmen regeneriert sich das biologische Leben im See seit den 1990er Jahren.[10]

Literatur

  • Robert Bauer: Chemiefaser-Lexikon. Schriftenreihe der Textil-Wirtschaft. 5. Auflage. Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main 1965.

Weblinks

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Einzelnachweise

  1. a b c Reiner Rhefus: Türkischfärberei und Kunstseidenspinnerei J. P. Bemberg in Wuppertal-Öhde. In: Rheinische Industriekultur. Abgerufen am 30. November 2020.
  2. Calvin Woodings (Hrsg.): Regenerated cellulose fibres. Woodhead Publishing Ltd., Cambridge 2001, ISBN 1-85573-459-1, S. 101.
  3. Marie Tedesco: North American Rayon Corporation and American Bemberg Corporation. In: Tennessee Encyclopedia. 1. März 2018, abgerufen am 3. Dezember 2020 (amerikanisches Englisch).
  4. American Bemberg Corporation. Archives of Appalachia, abgerufen am 3. Dezember 2020 (amerikanisches Englisch).
  5. Kenshoku bedeutet „Seidenstoff“, Kasei bedeutet „chemische Industrie“.
  6. a b Akira Kudo: Japanese-German Business Relations: Co-operation and Rivalry in the Interwar Period. Routledge, London / New York 1998, ISBN 0-203-01851-6 (englisch).
  7. History | What is Bemberg. Asahi Kasei Corporation Fibers & Textiles, abgerufen am 3. Dezember 2020.
  8. Barbara Molony: Technology and Investment: The Prewar Japanese Chemical Industry. 1990, ISBN 0-674-52160-9, S. 153 (GBooks).
  9. Membranen für Medizin und Technik: 3M in Wuppertal. 3M Deutschland, 25. Juni 2020, abgerufen am 3. Dezember 2020.
  10. Carla Bonacina: Lake Orta: the undermining of an ecosystem. In: J. Limnol. 60(1): 53–59, 2001, S. 53.

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Aktie über 100 RM der J. P. Bemberg AG vom Juni 1933

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J.P. Bemberg AG in Wuppertal