Ius cogens

Unter ius cogens (lateinisch für zwingendes Recht, auch jus cogens geschrieben) versteht man den Teil der Rechtsordnung, der nicht abbedungen (durch andere Vereinbarungen oder Erklärungen geändert) werden darf. Neben dem Privatrecht wird der Begriff vor allem im Völkerrecht verwendet. Gegenbegriff ist das ius dispositivum.

Bedeutung im Völkerrecht

Als ius cogens bezeichnet man im Völkerrecht diejenigen Rechtssätze, die im Gegensatz zum ius dispositivum zwingendes Völkerrecht darstellen und in der Normenhierarchie über völkerrechtlichen Verträgen und über dem Völkergewohnheitsrecht stehen. Sie entfalten absolute Wirkung, inter omnes. Theoretische Grundlage dieser Normkategorie ist zum einen das Naturrecht, zum anderen die Überzeugung aller Staaten, dass diese Rechtssätze ein unabdingbares Fundament auch einer Koordinationsordnung darstellen.

Die Existenz des ius cogens wird von einigen Autoren bestritten. Eine der wichtigsten Kodifikationen des Völkerrechts, das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, setzt jedoch in den Art. 53 und Art. 64 diese Existenz voraus und ordnet die Nichtigkeit von Vertragsbestimmungen an, die im Widerspruch zum ius cogens stehen.[1] Welche Normen zum ius cogens gehören, ist in einzelnen Punkten umstritten. Unstreitig gehören dazu das Allgemeine Gewaltverbot, das Verbot des Völkermordes, des Sklavenhandels, der Rassendiskriminierung und der Folter sowie das Verbot der systematischen und willkürlichen Verfolgung und Verletzung von Leib und Leben.[2] Es gibt abweichende Auffassungen, ob das ius cogens den Entscheidungen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen über- oder untergeordnet ist.[3]

In seinem Aufsatz Das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) führt der Rechtswissenschaftler Rainer Hofmann aus, dass das Recht auf ein faires Verfahren, einen fair trial, zu den fundamentalen Rechten eines Menschen gehört, dem überwiegend sogar der Rang von ius cogens mit der Begründung zuerkannt wird, dass nur die strikte Beachtung dieses Rechts sichert, dass er nicht zum bloßen Objekt staatlicher Rechtsausübung degradiert wird.[4]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Wiktionary: ius cogens – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Jost Delbrück, Georg Dahm, Rüdiger Wolfrum: Völkerrecht. Band I. 2. Auflage. de Gruyter, 2002, S. 707 ff.
  2. Andreas von Arnauld: Völkerrecht. 4. Auflage. C.F. Müller, Heidelberg 2019, S. 124 Rn. 289.
  3. Nico Krisch: Selbstverteidigung und kollektive Sicherheit. Springer, 2001, S. 304 ff.
  4. Rainer Hofmann: § 16. Das Recht auf ein faires Verfahren. (PDF) Abgerufen am 14. Mai 2019.