Ion Iliescu

Ion Iliescu (2004)

Ion Iliescu (Aussprache; * 3. März 1930 in Oltenița) ist ein rumänischer Politiker. Er war von Dezember 1989 bis 1996 sowie von 2000 bis 2004 Präsident Rumäniens.

Der Ingenieur Iliescu gehörte ab 1965 dem Zentralkomitee der Rumänischen Kommunistischen Partei an, von 1967 bis 1971 war er Jugendminister der Sozialistischen Republik Rumänien. Im Zuge der Revolution im Dezember 1989 stellte er sich an die Spitze des Rates der Front zur Nationalen Rettung, der nach dem Sturz des langjährigen Herrschers Nicolae Ceaușescu die Regierungsgewalt übernahm.

Im Mai 1990 wurde er vom Volk zum Staatspräsidenten gewählt und im Oktober 1992 für vier Jahre im Amt bestätigt. Iliescu gründete 1992 die Partei Frontul Democrat al Salvării Naționale (FDSR), aus der die Partidul Democrației Sociale din România (PDSR) und schließlich die Partidul Social Democrat (PSD) hervorging. Von 1997 bis zu seiner erneuten Wahl zum Staatspräsidenten 2000 war er Parteivorsitzender der PDSR. Nach seiner Präsidentschaft gehörte er bis 2008 dem rumänischen Senat an.

Leben

Iliescu auf einem Plakat der „Front der Volksdemokratie“ zur Scheinwahl 1965

Iliescus Vater war ein Eisenbahnarbeiter und wurde Kommunist, der 1931 an einem Parteikongress in der Sowjetunion teilnahm, dort vier weitere Jahre verbrachte und bei seiner Rückkehr verhaftet wurde. Ion Iliescu wuchs bei seinen Großeltern auf und verbrachte die Schulzeit in Oltenița und Bukarest. Er studierte Elektrotechnik an der Polytechnischen Universität Bukarest und in Moskau, wobei sich die spätere Außenministerin Ana Pauker für ihn einsetzte. 1948 war er Mitbegründer der rumänischen Studentenunion. Später besuchte er weitere Bildungseinrichtungen in Rumänien und ist unter anderem Ehrendoktor der Polytechnischen Universität Timișoara.

Seit 1951 ist er mit seiner Frau Nina verheiratet.

Beruflich war Iliescu zunächst im Bereich Hydroenergie und Wasserwirtschaft tätig, später als Forschungsingenieur in der Metallurgie. Ab 1979 leitete er das Amt für Wasserressourcen, sprach sich aber gegen die Großprojekte des Diktators Nicolae Ceaușescu aus und musste 1984 sein Amt aufgeben.

Politische Tätigkeit

Iliescu trat 1953 der Kommunistischen Partei Rumäniens (PCR) bei, ab 1965 (in der Ceaușescu-Ära) gehörte er dem Zentralkomitee der Partei an, von 1967 bis 1971 Minister für Jugend.[1] 1971 wurde er Sekretär des Zentralkomitees für Propaganda. Während der rumänischen Kulturrevolution der „intellektuellen Abweichung“ beschuldigt, verlor er sein Parteiamt noch im selben Jahr wieder. Anschließend war er von 1971 bis 1974 stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises Timiș, von 1974 bis 1979 Vorsitzender des Rates des Kreises Iași.[1] Von 1984 bis zum Dezember 1989 war er Direktor des Verlags für technische Literatur in Bukarest. In einem Artikel in der Zeitschrift România literară sprach sich Iliescu 1987 für Reformen aus, seine Vorschläge blieben jedoch recht unklar.[2]

Anführer der Nationalen Rettungsfront: Iliescu (Mitte) mit Dumitru Mazilu (links) und Petre Roman (rechts), 23. Dezember 1989

Während der Rumänischen Revolution setzte sich Iliescu am 22. Dezember 1989 an die Spitze des ad hoc gebildeten „Rates der Front zur Nationalen Rettung“ (Consiliul Frontului Salvării Naționale, CFSN).[3] Mit Unterstützung des – kurz zuvor noch von Ceaușescu zum Verteidigungsminister ernannten – Generals Victor Stănculescu übernahm dieser Rat die faktische Regierungsgewalt. Am 24. Dezember setzte der CFSN ein außerordentliches Militärgericht ein, das Nicolae und Elena Ceaușescu am folgenden Tag im Eilverfahren zum Tode verurteilte und sofort erschießen ließ.[4] Am 26. Dezember 1989 bestimmte der Rat der Front zur Nationalen Rettung Iliescu zum Präsidenten des Exekutivbüros und damit zum vorläufigen Staatsoberhaupt.

In den ersten freien Wahlen am 20. Mai 1990 wurde Iliescu mit 85 % der Stimmen im Präsidentenamt bestätigt. Die Wahl wurde tagelang von Protesten auf dem Bukarester Universitätsplatz begleitet, von Iliescu herbeigerufene Bergarbeiter aus dem Jiu-Tal lösten diese aber dann gewaltsam auf („Mineriaden“). Dabei starben 6 Zivilisten, die von aufgebrachten Bergarbeitern zu Tode geprügelt wurden. Viele Menschen wurden dabei verletzt. Nach einem Zerwürfnis zwischen Iliescu und seinem vormaligen Mitstreiter Petre Roman, der im Oktober 1991 als Ministerpräsident zurückgetreten war, spaltete sich die Nationale Rettungsfront. Iliescus Anhänger bildeten im Frühjahr 1992 die Frontul Democrat al Salvării Naționale (FDSR; „Demokratische Front für die Nationale Rettung“).

Iliescus Stimmenanteil im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl 1992. Seine Hochburgen lagen in den historischen Regionen Walachei und Moldau, während er in Siebenbürgen eher schwach abschnitt.

Nach Inkrafttreten der demokratischen Verfassung von 1991 wurde Iliescu bei der Wahl im September/Oktober 1992 erneut im Amt bestätigt. Er erhielt im ersten Wahlgang 47,3 Prozent der Stimmen und setzte sich in der Stichwahl mit 61,4 % gegen den Christdemokraten Emil Constantinescu durch. Da die FDSN bei der gleichzeitigen Parlamentswahl zwar stärkste Partei wurde, aber nicht über die absolute Mehrheit verfügte, war die von Iliescu ernannte Regierung anschließend von der Tolerierung der rechtsextremen Partidul România Mare (PRM; Großrumänien-Partei) abhängig, 1995 gehörte diese sogar direkt der Regierung an.

Bei der Präsidentschaftswahl 1996 bewarb sich Iliescu um eine weitere Amtszeit, unterlag aber mit 45,6 % im zweiten Wahlgang gegen Emil Constantinescu. Er wurde Senator für die aus der FDSN hervorgegangene Partidul Democrației Sociale din România (PDSR; Partei der Sozialen Demokratie Rumäniens) und 1997 deren Parteivorsitzender. Bei der Präsidentschaftswahl 2000 erhielt Iliescu im ersten Wahlgang 36,35 % der Stimmen. In der Stichwahl stand er dem Ultra-Nationalisten Corneliu Vadim Tudor (PRM) gegenüber, gegen den er sich mit 66,8 Prozent der Stimmen durchsetzte. Seine dritte Amtszeit dauerte bis Dezember 2004 – sein Nachfolger wurde nach den Wahlen vom 12. Dezember 2004 der ehemalige Bukarester Bürgermeister Traian Băsescu (PD).

Als eine seiner letzten Amtshandlungen am Tag vor der Übergabe des Präsidentenamtes an seinen Nachfolger begnadigte Ion Iliescu den Anführer der Bergarbeiteraufstände (rumänisch Mineriadă), Miron Cozma. Diese Begnadigung zog Iliescu noch am gleichen Tag wegen starker politischer und öffentlicher Proteste zurück. Miron Cozma wurde deswegen kurz nach seiner Freilassung erneut verhaftet.

Iliescu (rechts) im Nationalen Exekutivkomitee der PSD mit Liviu Dragnea und Victor Ponta, 2014

Ion Iliescu wird im Bericht des Ermittlers des Europarats zu illegalen Aktivitäten des US-Geheimdienstes CIA in Europa, Dick Marty, namentlich genannt als eine der Personen, die geheime Foltergefängnisse auf dem Militärstützpunkt Mihail Kogălniceanu autorisierten oder zumindest davon wussten und zu verantworten haben.[5] Am 27. April 2015 gab Iliescu in seinem eigenen Blog zu, der CIA im Jahr 2002 sogenannte „black sites“ für das geheime Verhör von Terrorverdächtigen überlassen zu haben. Von der Folter der Gefangenen will er dagegen nichts gewusst haben. Auch bestritt er, dass die „sites“ eine Gegenleistung für den NATO-Beitritt Rumäniens 2004 gewesen seien.[6]

Im Dezember 2018 erhob die rumänische Militärstaatsanwaltschaft Anklage gegen Iliescu, dem sie wegen seiner Rolle in der Revolution von 1989 Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwarf.[7] Im sogenannten „Prozess der Revolution“, der am 29. November 2019 begann, stehen derzeit Iliescu und Dan Voiculescu vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, während der Revolution von 1989 mit „einer umfangreichen Kampagne der Desinformation“ über vermeintlich Ceaușescu-treue Kräfte eine Art „Terroristenpsychose“ geschaffen und in der Folge bürgerkriegsähnliche Zustände provoziert zu haben, um sich „in den Augen der Bevölkerung Legitimität zu verschaffen“. Zu diesem Zeitpunkt war das Diktatorenehepaar Ceaușescu bereits entmachtet; drei Viertel der Opfer des Aufstandes starben danach in Schießereien und Straßenkämpfen, ermordet von vermeintlichen Terroristen.[8] Der Prozess wurde wegen Verfahrensfehlern auf den 20. Februar 2020 vertagt.[9][veraltet]

Iliescu veröffentlichte einige Essays und Bücher, u. a. „Revolution and Reform“ (1993), „Moments of History“ (1996) und „Whereto, Romanian Society?“ (1999, zu einer sozialdemokratischen Zukunft).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Ion Iliescu împlineşte azi 88 de ani, Adevărul 3. März 2018
  2. Peter Siani-Davies: The Romanian Revolution of December 1989. Cornell University Press, Ithaca (NY)/London 2005, S. 107.
  3. Peter Siani-Davies: The Romanian Revolution of December 1989. Cornell University Press, Ithaca (NY)/London 2005, S. 106–108.
  4. Peter Siani-Davies: The Romanian Revolution of December 1989. Cornell University Press, Ithaca (NY)/London 2005, S. 136.
  5. Dick Marty: Secret detentions and illegal transfers of detainees involving Council of Europe member states: second report. In: assembly.coe.int vom 7. Juni 2007 (PDF; 813 kB).
  6. Former Romania president admits allowing CIA site. In: Aljazeera vom 28. April 2015.
  7. Ex-Präsident Ion Iliescu in Rumänien angeklagt. dw.com vom 21. Dezember 2018.
  8. Keno Verseck: Prozess um den Sturz der Ceausescu-Diktatur. Rumäniens Revolution kommt vor Gericht. In: spon.de vom 24. Dezember 2019.
  9. Erster Verhandlungstag am Obersten Gericht im Prozess der 1989er Revolution. Ion Iliescu für Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. In: Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien vom 3. Dezember 2019.

Weblinks

Commons: Ion Iliescu – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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