Indirekte Nutzenfunktion

Eine indirekte Nutzenfunktion ist eine in der Mikroökonomik verwendete Funktion, die das maximale Nutzenniveau angibt, das ein Konsument bei gegebenen Güterpreisen und mit gegebenem Budget erreichen kann. Damit unterscheidet sie sich von der (direkten) Nutzenfunktion eines Konsumenten, die allgemein für bestimmte Gütermengen definiert ist.

Definition und Bedeutung

Der Ausgangspunkt für die Herleitung der indirekten Nutzenfunktion ist derselbe wie der zur Herleitung der marshallschen Nachfrage. Er besteht im Nutzenmaximierungsproblem

unter der Nebenbedingung

(Details hierzu finden sich im Artikel Marshallsche Nachfragefunktion.) Eine Lösung dieses mittels der Kuhn-Tucker-Methode lösbaren Optimierungsproblems bezeichnet man als marshallsche Nachfrage , wobei der Vektor der nachgefragten Gütermengen (), der dazugehörige Preisvektor und das verfügbare Konsumbudget ist. In Worten handelt es sich bei dieser Nachfrage also um diejenige Gütermenge – abhängig von den Güterpreisen –, die erforderlich ist, um mit einem gegebenen Budget ein möglichst hohes Nutzenniveau zu erreichen. Setzt man die marshallsche Nachfrage nun wieder in die maximierte Funktion ein, so bezeichnet man die resultierende Funktion als indirekte Nutzenfunktion . Es ist also

.

Während die marshallsche Nachfragefunktion die Gütermengen liefert, die im Nutzenmaximum nachgefragt werden, liefert die indirekte Nutzenfunktion das Nutzenniveau, das im Maximum erreicht wird; mit anderen Worten ist das Argument des Maximums, während das tatsächliche Maximum liefert.

Eigenschaften

Es lässt sich zeigen, dass unter den üblichen Voraussetzungen – stetig und streng monoton steigend – unter anderem folgende Eigenschaften aufweist[1]:

  • stetig in und ;
  • homogen vom Grade null in , d. h. für alle und ;
  • streng monoton steigend in und monoton fallend in (für positives );
  • quasi-konvex in .

Zudem gilt unter der genannten Voraussetzung bezüglich u (und auch bereits, wenn u nur der schwächeren Annahme der lokalen Nichtsättigung genügt)[2]:

(Jackson 1986[3]): Für alle Güterbündel gilt: Betrachte ein Nutzenniveau und ein , die so beschaffen sind, dass für alle möglichen Preisvektoren mit strikt positiven Komponenten. Dann existiert ein , mit dem für alle .

Für die Differenzierbarkeit lässt sich (unter den genannten Voraussetzungen bezüglich u) auf folgende Bedingung verweisen[4]:

Sei darüber hinaus stetig differenzierbar. Wenn das Nutzenmaximierungsproblem (siehe oben) in einer offenen Umgebung um () eine eindeutige Lösung hat, dann ist die indirekte Nutzenfunktion in dieser Umgebung differenzierbar in .

Einordnung

Zusammenhang zur Ausgabenfunktion

Analog zur Beziehung zwischen marshallscher und Hicks’scher Nachfragen besteht auch zwischen der – konzeptionell mit ersterer verbundenen – indirekten Nutzenfunktion sowie der – mit letzterer zusammenhängenden – Ausgabenfunktion eine enge Beziehung. Es gilt nämlich:

Beziehung zwischen Ausgaben- und indirekter Nutzenfunktion[5]: Sei die Präferenzordnung der Konsumenten durch eine reellwertige und auf stetige und streng monoton steigende Nutzenfunktion repräsentierbar und repräsentiert. Dann gilt:

Roys Identität

Trotz der in vielerlei Hinsicht bestehenden Analogie zwischen dem Konzept der indirekten Nutzenfunktion und demjeniger der Ausgabenfunktion gibt es auf den ersten Blick keine unmittelbare Analogie zu Shephards Lemma, nach dem die Ableitung der Ausgabenfunktion nach dem Preis der korrespondierenden Hicks’schen Nachfragefunktion entspricht. Eine geringfügige Modifikation liefert allerdings dennoch eine gewisse Vergleichbarkeit. Die Beziehung wird als Roys Identität bezeichnet.

Roys Identität[6]: Sei stetig und streng monoton steigend. Sei weiter in einer Stelle differenzierbar und . Dann gilt für alle ():

Zum Beweis wird auf den Artikel Roys Identität verwiesen.

Beispiel

Für ein Beispiel zur Konstruktion einer indirekten Nutzenfunktion wird auf den Artikel Marshallsche Nachfragefunktion verwiesen.

Literatur

  • Geoffrey A. Jehle und Philip J. Reny: Advanced Microeconomic Theory. 3. Aufl. Financial Times/Prentice Hall, Harlow 2011, ISBN 978-0-273-73191-7.
  • Andreu Mas-Colell, Michael Whinston und Jerry Green: Microeconomic Theory. Oxford University Press, Oxford 1995, ISBN 0-195-07340-1.
  • David M. Kreps: Microeconomic Foundations I. Choice and Competitive Markets Princeton University Press, Princeton 2012, ISBN 978-0-691-15583-8.

Anmerkungen

  1. Vgl. hierfür weitgehend Jehle/Reny 2011, S. 29 ff. Einige der Eigenschaften folgen auch schon unter der schwächeren Annahme der lokalen Nichtsättigung der zugrunde liegenden Präferenz-Indifferenz-Relation . Hierzu Mas-Colell/Whinston/Green 1995, S. 59. (Man bezeichnet eine Präferenzordnung als lokal nicht gesättigt, wenn für beliebiges und für jede -Umgebung um ein existiert, mit dem . Vgl. der Artikel Präferenzordnung.)
  2. Vgl. Kreps 2012, S. 274.
  3. Matthew O. Jackson: Continuous utility functions in consumer theory. A set of duality theorems. In: Journal of Mathematical Economics. 15, Nr. 1, 1986, S. 63–77, doi:10.1016/0304-4068(86)90024-8.
  4. Vgl. Kreps 2012, S. 262.
  5. Vgl. Jehle/Reny 2011, S. 27 ff.
  6. Vgl. Jehle/Reny 2011, S. 29; mit leicht schwächeren Annahmen Mas-Colell/Whinston/Green 1995, S. 73 f.