Importierte Inflation

Die importierte Inflation ist in der Volkswirtschaftslehre im weiteren Sinne jede Inflation, deren Ursachen in den Außenbeziehungen einer Volkswirtschaft liegen. Im engeren Sinne sind importierte Inflationen begründet in einem hohen Preisniveauwachstum im Ausland, die durch Importe in das Inland übertragen werden.

Allgemeines

Otmar Emminger, Bundesbankpräsident von 1977 bis 1979, schrieb in seinen Memoiren,[1] dass er den Begriff im Juni 1956 erstmals öffentlich verwendete und dass diese „Formel sehr bald in den allgemeinen Sprachgebrauch“ überging. Ältere Literatur schreibe irrtümlich den Begriff meist Wilhelm Röpke, und zwar ab Ende 1956, zu.

Auslöser importierter Inflation

Importierte Inflation aufgrund von Inflation im Ausland

Ausgangspunkt der Überlegungen ist eine im Ausland auftretende Inflation. Die inländischen Unternehmen planen nun, ihre Waren und Dienstleistungen vermehrt im Ausland abzusetzen, da sie dort höhere Preise erzielen können. Dadurch steigen die Exporte des Inlands in das Ausland, die Importe aus dem Ausland nehmen ab.

Die Inflation wird auf drei Wegen ins Inland importiert. Alle drei Transmissionskanäle gehen von festen Wechselkursen zwischen In- und Ausland aus:

Erstens erhalten die inländischen Unternehmen für die Exporte Auslandswährung. Ist der Wechselkurs zwischen beiden Ländern fixiert, so muss die Zentralbank die aufgelaufenen Devisen zum bestehenden Kurs in Inlandswährung tauschen, wodurch die Geldmenge im Inland steigt. Da dieser erhöhten Geldmenge aber kein höheres Realgüterangebot gegenübersteht, steigen nach der Quantitätsgleichung nun auch im Inland die Preise. Die Inflation wird so aus dem Ausland importiert.

Ein zweiter Transmissionskanal der ausländischen Inflation auf das Inland kommt durch die Importe selbst: Importiert das Inland aus dem von der Inflation betroffenen Ausland Güter mit einer geringen Preiselastizität der Nachfrage (d. h. Güter, die für die Volkswirtschaft von elementarer Bedeutung sind und nicht substituiert werden können – z. B. Erdöl), so ist ein Durchschlagen der höheren Importpreise auf das inländische Preisniveau wahrscheinlich. Wenn beispielsweise wegen höherer Erdölpreise Lohnsteigerungen durchgesetzt werden, kann es über eine Lohn-Preis-Spirale auch zu einer höheren inländischen Inflation kommen.

Drittens bewirkt der erhöhte Export von Waren meist kurzfristig eine Verknappung dieser Waren im Inland, wodurch deren inländischer Preis ebenfalls ansteigt. Besonders stark und längerfristig tritt dieser Effekt auf, wenn nur eine bestimmte Menge produziert werden kann oder deren Grenzkosten bei zusätzlicher Produktion über dem inländischen Preis liegen würden.

Importierte Inflation aufgrund von Währungsabwertungen

Ausgangspunkt einer importierten Inflation kann auch eine kontinuierliche Abwertung der inländischen Währung sein, zum Beispiel durch einen Glaubwürdigkeitsverlust des Inlands auf ausländischen Finanzmärkten.

Die kontinuierliche Abwertung führt zu steigenden Importpreisen (und somit zu einem Rückgang der Terms of Trade), die sich über die oben geschilderten Kanäle auf das inländische Preisniveau auswirken. Allerdings liegt hier keine importierte Inflation im ursprünglichen Sinne vor, da im Ausland nicht zwingend Inflation herrschen muss.

Maßnahmen gegen importierte Inflation

Es gibt kein Mittel, das die Gefahr eines Inflationsimports grundsätzlich verhindert. Eine vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern praktizierte Maßnahme gegen aus dem Ausland importierte Inflation ist die geldpolitische Strategie der Wechselkurssteuerung. Hierbei wird den Importgütern im Rahmen der inländischen Preisbildung von der Zentralbank ein derart großes Gewicht beigemessen, dass sie ihre gesamte Geldpolitik an diesem Mechanismus ausrichtet. Zurückzuführen ist die Popularität fester Wechselkurse in Entwicklungsländern auf das Phänomen des Fear of Floating.

Feste Wechselkurse beispielsweise sind zwar eine wirkungsvolle Maßnahme gegen die durch Währungsabwertungen hervorgerufene importierte Inflation, allerdings sind es gerade feste Wechselkursregime, die eine importierte Inflation im engeren Sinne erst möglich machen. Bei flexiblen Wechselkursen möchten die Exporteure die Auslandswährung ebenfalls in Inlandswährung umtauschen. Dabei kommt es jedoch auf dem Devisenmarkt zu einem Überangebot der Auslandswährung, so dass der Kurs der Auslandwährung gegen die Inlandswährung fällt. Dabei kompensiert die Abwertung der Auslandswährung die Preisniveausteigerung im Ausland. Die Inflation im Ausland wird in diesem Fall also nicht importiert.

Durch die Einführung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) entfiel die Möglichkeit der Absicherung gegen importierte Inflation aus Mitgliedsländern. Als Ausgleich dafür sind die Maastricht-Kriterien eingeführt worden, nach denen ein Land nur dann den Euro einführen darf, wenn seine Inflationsrate die durchschnittliche Inflationsrate der drei preisstabilsten Mitgliedsländer nicht um mehr als 1,5 Prozent überschreitet. Für die bereits im Euro-System befindlichen Mitgliedsländer bestehen allerdings keine verpflichtenden Konvergenzkriterien, sodass in der Praxis deutlich größere Abweichungen bei den Inflationsraten entstehen können.[2]

Anlässlich der Eurokrise und der griechischen Staatsschuldenkrise begannen öffentliche Diskussionen, wie Euro-Staaten ihre Nettoneuverschuldung reduzieren könnten. Hilfen aus dem ESM oder dem EFSF sollen an Bedingungen geknüpft werden (siehe auch Schuldenbremse).

Einzelnachweise

  1. Otmar Emminger: DM, Dollar, Währungskrisen. 1986, S. 79.
  2. Inflationsrate in der Europäischen Union (Verbraucherpreise). In: Vorsorge Knowhow. 8. Mai 2021, abgerufen am 21. Mai 2021 (deutsch).