Hitzeschutzkachel

Hitzeschutzkachel. Science Museum London.
Hitzeschutzkacheln an der Unterseite des Space Shuttles
Inspektion der Hitzeschutzkacheln an der Space-Shuttle-Unterseite
Aufbau eines Typs von Hitzeschutzkacheln des Space Shuttles: Eine Deckschicht aus Borsilikat widersteht Temperaturen von 1200 bis 1600 °C, darunter befindet sich ein Material aus gesinterten Kieselglasfasern mit einem Porenanteil von 90 %

Hitzeschutzkacheln sind Verkleidungselemente, die eine wärmedämmende Funktion übernehmen. Sie finden vor allem im Ofenbau zur Sicherheit und Energieeinsparung Anwendung – ihre bekannteste Verwendung findet sich aber am Space Shuttle und anderen Raumfahrzeugen, die für einen Atmosphäreneintritt gebaut sind. Im nachfolgenden Artikel wird ausschließlich auf zweitere Verwendung eingegangen.

Die Kacheln bilden den größten Teil des Hitzeschilds, der beim Eintritt in die Planetenatmosphäre verhindern soll, dass das Raumschiff durch die enorme Verdichtungshitze verglüht. Kachelverkleidungen werden vor allem eingesetzt bei Raumfahrzeugen, die mehrfach wiederverwendbar sind; eine Spaceshuttle-Kachel kann bis zu rund 100 Wiedereintritte überstehen, ohne durch Ablation zerstört zu werden. Hitzeschutzschilde zum Einmaleinsatz werden nur selten in Form einer Kachelverkleidung umgesetzt.

Die Wärme entsteht durch die erzwungene Konvektion des Atmosphäregases, hervorgerufen durch die sehr hohe Geschwindigkeit. Ein Spaceshuttle hat anfangs etwa das 27fache der Schallgeschwindigkeit, also ca. 33.300 km/h. Das dabei bis zum Plasma erhitzte Gas gibt (nach seinem Erhitzen) einen Teil der Wärme durch direkten Kontakt sowie durch Strahlung an das Hitzeschutzsystem des Raumschiffes ab.

Anforderungen und Aufbau

Hitzeschutzkacheln für die Raumfahrt müssen viele Anforderungen erfüllen, insbesondere extremen Temperaturen standhalten und zugleich eine gute Wärmeisolation aufweisen; ferner sollen sie leicht sein. Sie werden aus keramischen Verbundwerkstoffen sehr geringer Dichte gefertigt. Der Werkstoff muss sowohl den Bedingungen im Weltraum (je nach Sonnenbestrahlung wenige Kelvin über dem Absoluten Nullpunkt bis über 150 °C) als auch dem tausende Grad Celsius heißen Plasma beim Atmosphäreneintritt standhalten. Die Kacheln isolieren das Raumschiff sowohl im Weltraum als auch beim Eintritt ausreichend lange gegen die Hitze.

Der kachelartige Belag der Raumschiffstruktur ist nötig, um die thermische Ausdehnung und mechanische Verformungen auszugleichen, ohne dass die mechanisch empfindlichen Kacheln zerstört werden. Die Kacheln sind aus diesem Grund, von Dehnungsfugen unterbrochen, separat auf den Rumpf geklebt. Des Weiteren führen kleine Kacheln zu viel weniger Ausschuss bei der Produktion: Wäre der Hitzeschild (eines Spaceshuttles) ein einziges großes Bauteil, so würde ein einziger Produktionsfehler den gesamten Schild zu Ausschuss machen; bei einer defekten Kachel muss nur diese erneuert werden, alle anderen müssen nicht nochmal produziert werden. Weitere Gründe für Kacheln können beispielsweise in der Fertigung liegen – es sind zum Beispiel nur kleine Maschinen notwendig.

Eine typische (Spaceshuttle-)Kachel besteht aus einer dünnen spröden Deckschicht aus Borsilikat, gefolgt von einer durch Sinterung verfestigten Quarzglasfaserschicht (Dicke 2,5–12,5 cm), die einen Porenanteil um 90 % aufweist, um das nötige Maß an Wärmeisolation zu liefern. Die Kacheln sind daher äußerst leicht und empfindlich – sie können mit der bloßen Hand zerstört werden.

Während die Kacheln beim Eintritt in die Atmosphäre hell aufglühen, kann man sie kurze Zeit später schon ohne Gefahr berühren. Durch die überaus geringe Wärmeleitfähigkeit tritt gar erst Minuten nach der Landung im Shuttle die größte Hitze auf.

Am Space Shuttle wurden insgesamt etwa 30.000 Kacheln und je nach thermischer und mechanischer Belastung verschiedene Kacheltypen eingesetzt. An kritischen Stellen (zum Beispiel Flügelkanten) wurden Kohlenstofffaserwerkstoffe eingesetzt.[1]

Grenzen des Hitzeschutzes

Beschädigte Hitzeschutzkacheln der Raumfähre Endeavour nach der Mission STS-118

Wenn beim Start oder im Weltraum der Hitzeschild schon vor dem kritischen Wiedereintritt geschädigt wird, kann dies katastrophale Folgen haben – so geschehen beim Verlust des Space Shuttles Columbia bei Flug STS-107, das beim Start durch ein vom Haupttank abgebrochenes Stück Isolierschaum eine größere Beschädigung im Hitzeschild davongetragen hatte. Die Beschädigung befand sich an einer Flügelkante, die mit keramischen Kohlenstofffaser-Verbundwerkstoffen geschützt war. Wegen der kritischen Position des Schadens konnte der Schild die Fähre beim Wiedereintritt nur unzureichend schützen, was letztlich zum Versagen der Schiffstruktur und damit zum Zerbrechen und dem anschließenden Verglühen in der Atmosphäre führte.

Dagegen sind Schäden am Kachelbelag nach der kritischen Phase des Eintritts (Moment der höchsten Temperatur und der Unterbrechung des Funkkontakts) relativ unkritisch. Mehrmals sind bereits Schäden, etwa gelockerte oder gelöste Hitzeschutzkacheln, festgestellt worden, die aber nicht zur Katastrophe geführt haben. Die Fähren wurden nach der Landung inspiziert, defekte oder fehlende Kacheln nachgefertigt und ersetzt. Jede Kachel trägt hierzu eine Kennung, über die ihre Position, die Dicke, die Form und der Aufbau ermittelbar ist. Auch ein Verfahren zur Reparatur im Orbit wurde entwickelt.

Siehe auch

  • Hitzeschutzschild (Vergleich und Beispiele wiederverwendbarer und nicht wiederverwendbarer Hitzeschutzsysteme)

Weblinks

Commons: Space Shuttle thermal protection system – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Hitzeschutzkachel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Hitzeschutz der Raumfähre Buran (engl.), u. a. mit Angaben zur Materialdichte und Struktur der gesinterten Quarzglasfaser-Schicht sowie der Notwendigkeit der Dehnungsfugen zwischen den Kacheln und deren Einfluss auf die Isoliereigenschaften

Anmerkungen

  1. (vgl. Hitzeschutzsystem des Space Shuttles (engl.))

Auf dieser Seite verwendete Medien

Shuttle heat shield.jpg
JSC2003-E-61578 (30 October 2003) --- Astronaut Andrew S. W. Thomas, STS-114 mission specialist, takes a close look at tiles underneath the Space Shuttle Atlantis in the Orbiter Processing Facility at Kennedy Space Center (KSC).
Space Shuttle (HRSI tile).png
Diagram of a High-Temperature Reusable Insulation (HRSI) tile
Silica Space Shuttle thermal protection (TPS) tile, c 1980. (9663807484).jpg
Autor/Urheber: Science Museum London / Science and Society Picture Library, Lizenz: CC BY-SA 2.0
Quilite Advanced Flexible Reusable Surface Insulation (AFRSI). These tiles are used to insulate the Space Shuttle from the high temperatures generated by the orbiter’s friction with the Earth’s atmosphere on re-entry. The black tiles on the lower portion of the Shuttle have to be able to withstand temperatures of more than 2300 degrees Fahrenheit (F), but these particular tiles are used to protect areas where the temperatures experienced are less than 1200 degrees F. Silica is used because of its durability and resistance to extremely high temperatures. The Space Shuttle, the world's first partially reusable launch vehicle, first flew on 12th April 1981 and has been used for all America's manned space missions ever since. Made by Rockwell.
STS-118 damaged tile.jpg
KENNEDY SPACE CENTER, FLA. -- This is a view of the underside of Endeavour taken after its landing on runway 15 at NASA's Kennedy Space Center. The damage to the tiles occurred from a piece of foam on the external tank during launch of Space Shuttle Endeavour on mission STS-118 on Aug. 8. After extensive engineering analysis of such images and testing on the ground, the Mission Management Team decided the tile did not pose a risk to the crew during re-entry. Endeavour landed safely at 12:32 p.m. EDT at NASA's Kennedy Space Center after a 13-day mission to the International Space Station. The STS-118 mission installed a new gyroscope, an external spare parts platform and another truss segment to the expanding station.
Shuttle docked at ISS STS114.jpeg
The blackness of space and Earth’s horizon form the backdrop for this image featuring the nose of the Space Shuttle Discovery while docked to the International Space Station. A portion of a Station truss is visible at bottom left. The image was photographed by astronaut Stephen K. Robinson, STS-114 mission specialist, during the mission’s third session of extravehicular activities (EVA).