Hermann Buhl

Hermann Buhl (1953)

Hermann Buhl (* 21. September 1924 in Innsbruck; † 27. Juni 1957 an der Chogolisa, Pakistan) war ein österreichischer Alpinist. Als erster Mensch bestieg er 1953 den Nanga Parbat und gehörte vier Jahre später zu den Erstbesteigern des Broad Peak. Er zählt zu den Pionieren des Alpinstils.

Leben

Hermann war das jüngste von vier Kindern. Nach dem Tod der Mutter kam er mit vier Jahren in ein Waisenhaus, bevor ihn zwei Jahre später eine Tante aufnahm. In den 1930er Jahren unternahm der als schwächlich und sensibel geltende Junge die ersten Touren in den Tuxer Alpen, im Wilden Kaiser und im Karwendel. 1939 trat er der Jungmannschaft der Sektion Innsbruck bei, die von 1938 bis 1945 zum DAV gehörte.

Beruf und Familiengründung

Nach Abschluss der Hauptschule begann Hermann Buhl eine Lehre zum Speditionskaufmann. 1943 durchlief er eine Ausbildung zum Sanitätssoldaten in St. Johann in Tirol und erlebte den Krieg als Gebirgsjäger in Italien, unter anderem am Montecassino.

Im März 1951 heiratete Hermann Buhl Eugenie („Generl“) Högerle aus Ramsau bei Berchtesgaden und wurde im gleichen Jahr Vater der späteren Schriftstellerin Kriemhild Buhl. Es folgten später noch zwei weitere Töchter und der Wechsel seines ersten Wohnsitzes an den Heimatort seiner Frau.

Seine Tätigkeit als Bergführer brachte nicht viel ein. Aus finanziellen Engpässen befreite ihn 1952 eine Anstellung als Bergsportartikel-Verkäufer und Ausrüstungsberater beim Sporthaus Schuster in München.

Alpinismus

Buhl eröffnete und wiederholte eine Vielzahl von schweren Routen in den Alpen. Vor seinem Wirken im Karakorum ist Buhl durch herausragende Leistungen im Alpenraum in Erscheinung getreten, so 1952 mit der ersten Alleinbegehung der Nordostwand des Piz Badile und 1953 mit der Alleinbegehung der Ostwand des Watzmann nachts und im Winter, damals als Vorbereitung auf die anstehende Nanga-Parbat-Expedition.

Erstbesteigung des Nanga Parbat

Hermann Buhl (links) und Walter Frauenberger nach der Nanga-Parbat-Expedition bei einem Vortrag im Wiener Konzerthaus (1953)

Der bekannteste Gipfelsieg Buhls ist die Erstbesteigung des Nanga Parbat (8125 m) am 3. Juli 1953. Sie fand im Rahmen der Willy-Merkl-Gedächtnis-Expedition statt, die durch den Münchener Arzt Karl Herrligkoffer organisiert und in Verbindung mit Peter Aschenbrenner als bergsteigerischem Leiter geführt wurde. Buhl hatte, begünstigt durch einen Wetterumschwung nach einem ersten Monsuneinbruch, zusammen mit Walter Frauenberger,[1] Hans Ertl und Otto Kempter am 2. Juli das Lager V in 6900 m Höhe erreicht, wo er und Kempter die Nacht verbrachten, während die beiden anderen mit den Trägern ins Lager IV abstiegen.

Buhl brach im Alleingang und ohne zusätzlichen Sauerstoff, aber nach Einnahme von Pervitin, in der Nacht gegen 02:30 Uhr zum Gipfel auf und erreichte ihn schließlich mit letzter Kraft gegen 19 Uhr. Als Beleg seiner Besteigung ließ Hermann Buhl seinen Eispickel und die pakistanische Flagge am Gipfel zurück (der Tiroler Wimpel war nur für ein Foto befestigt). Kempter, der eine Stunde später nachgefolgt war, hatte in etwa 7400 m Höhe auf dem Plateau am Silbersattel wegen eines Schwächeanfalls aufgeben müssen und war ins Lager V zurückgekehrt. Dort wartete er mit Frauenberger und Ertl, die wieder heraufgekommen waren, auf Buhls Rückkehr.

Das Biwak in fast 8000 m Höhe ohne Biwakausrüstung konnte Buhl nur wegen der ungewöhnlich günstigen Witterungsbedingungen überleben. Allerdings erlitt er Erfrierungen an zwei Zehen. Den größten Teil des Abstiegs hatte er noch vor sich. Zeitweise war er in einem gefährlichen Zustand der Apathie und wurde von Wahrnehmungstäuschungen heimgesucht. Nach 41 Stunden traf er im Zustand äußerster Erschöpfung und extrem dehydriert wieder im Lager V ein, wo die Hoffnung auf seine Rückkehr schon zu sinken begonnen hatte. Buhl bewältigte in den folgenden Tagen auch noch aus eigener Kraft den Abstieg bis ins Hauptlager, wo man am 7. Juli eintraf. Hier stellte sich heraus, dass seine erfrorenen Zehen nicht zu retten waren, sondern amputiert werden mussten. Auf dem restlichen Rückmarsch musste er daher getragen werden. Hans Ertl drehte über diese Expedition den Dokumentarfilm Nanga Parbat.

Im Anschluss an die Expedition kam es zu einem Zerwürfnis mit Herrligkoffer wegen dessen autoritären Führungsstils, dem sich Buhl als das mit Abstand leistungsstärkste Mitglied der Mannschaft nicht widerspruchslos unterordnete, was ihn in entscheidenden Situationen auch zu eigenmächtigen Entscheidungen veranlasste. Es folgten gerichtliche Auseinandersetzungen um die Verwertungsrechte, die sich der Expeditionsleiter vorab gesichert hatte. Buhl wollte seinen Gipfelsieg dagegen in eigenen Publikationen verwerten. Er betrachtete ihn als persönlichen Erfolg, den er gegen die von der Expeditionsleitung am 29. Juni wegen Monsuneinbruchs erteilte Anweisung zum Rückzug ins Hauptlager errungen hatte.

1999 wurde Buhls am Gipfel zurückgelassener Pickel von einer japanischen Expedition gefunden und seiner Witwe zurückgegeben.

Sportler des Jahres 1953

Die österreichischen Sportjournalisten wählten ihn am 21. Januar 1954 zum „Sportler des Jahres 1953“.[2]

Erstbesteigung des Broad Peak

Wegen der beim Abstieg am Nanga Parbat erlittenen Erfrierungen waren Buhls Fähigkeiten im Felsklettern etwas eingeschränkt. Er wandte sich nun verstärkt dem Höhenbergsteigen zu.

Am 9. Juni 1957 bestieg Buhl zusammen mit Fritz Wintersteller, Kurt Diemberger und Marcus Schmuck als Erster den Broad Peak (8051 m) im Karakorum und setzte damit zugleich einen Markstein in der Entwicklung des Alpinstils an einem Achttausender.[3] Hermann Buhl ist damit neben Kurt Diemberger und dem Sherpa Gyalzen Norbu (Makalu 8463 m, 1955 und Manaslu 8163 m, 1956) einer von weltweit drei Bergsteigern, der zwei Achttausender erstbestieg.

Verschollen an der Chogolisa

Am 27. Juni 1957 stürzte Hermann Buhl bei einem Besteigungsversuch der nahe dem Broad Peak befindlichen Chogolisa (7654 m) mit einer Wechte in die Nordwand ab und ist seitdem verschollen. Kurt Diemberger, der Glück im Unglück hatte und Buhl nur wenige Meter vorausging, vor seinem Absturz aber versehentlich nicht mit ihm in einer gemeinsamen Seilschaft verbunden war, wurde nicht von Buhl mitgerissen.[4] Anhand eines von Diemberger gemachten Fotos der Absturzstelle ist an der Gehspur im Schnee zu erkennen, dass Buhl im Schneegestöber wohl kurzzeitig die Orientierung verloren hatte und zu nah an den Wechtenrand gelangt sein dürfte, woraufhin die Wechte unter seinem Gewicht nachgab.

Bedeutung und Würdigung

Gedenktafel Hermann Buhl auf dem Alten Friedhof in Ramsau bei Berchtesgaden

Hermann Buhl war der Erste, der einen Achttausender auf dem Schlussstück allein und ohne zusätzlichen Sauerstoff bestieg. 1953 wurde er zum österreichischen Sportler des Jahres gewählt. Buhl war Mitglied des Österreichischen Alpenklubs.

In Fachkreisen gilt er aufgrund seiner aufsehenerregenden Erstbegehungen in den Alpen und im Karakorum bis heute als einer der bedeutendsten Felskletterer und Höhenbergsteiger aller Zeiten. Seine Art, Extremalpinismus zu betreiben, brach mit den nationalen Bergsteigeridealen früherer Jahrzehnte. Buhl orientierte sich an persönlichen Motiven wie der Lust am Grenzgang. Statt schwerfälliger Materialschlachten am Berg zog er leichtes Gepäck, schnelle Aufstiege und einen Alpinismus ohne zusätzlichen Sauerstoff vor. Deshalb wird Buhl auch als Wegbereiter Reinhold Messners gesehen.

Am Nanga Parbat war Buhl 41 Stunden allein unterwegs. Er nahm während seiner Gipfelbesteigung die aufputschende Droge Pervitin zu sich, ohne die er möglicherweise die Strapazen, insbesondere das ungeschützte Biwak auf 8000 m Höhe, nicht überlebt hätte.[5]

49 Jahre nach Buhls Tod an der Chogolisa unternahm der österreichische Bergsteiger und Alpinhistoriker Markus Kronthaler die Expedition Auf den Spuren von Hermann Buhl am Broad Peak, bei der er am 8. Juli 2006 selbst ums Leben kam.

Namensgeber für Platz

Bergstation der Hungerburgbahn am Hermann Buhl-Platz

Nach Hermann Buhl wurde am 24. September 2012 in Innsbruck der bisher unbenannte Platz vor der Hungerburgbahn-Bergstation als Hermann-Buhl-Platz benannt.[6][7] Die feierliche Einweihung fand am Vorabend des 3. Juli 2013 (60-jähriges Jubiläum der Erstbesteigung des Nanga Parbat durch Hermann Buhl) in Anwesenheit von Hermann Buhls Ehefrau Eugenie und zweien seiner drei Töchter Kriemhild und Silvia statt.[8]

Werke

  • Achttausend drüber und drunter. Nymphenburger Verlag, München 1954 (und zahlreiche spätere Auflagen)

Literatur

  • Richard Sale: Broad Peak. Carreg, Ross-on-Wye 2007, ISBN 978-0-9538631-5-0.
  • Marcus Schmuck: Broad Peak 8047 m. Meine Bergfahrten mit Hermann Buhl. Das Bergland-Buch, Stuttgart 1958.
  • Hermann Buhl: Allein am Nanga Parbat und große Fahrten. Geleitwort von Reinhold Messner, Lebensbild von Lia Hörmann. Steiger-Verlag, Innsbruck, 1984, ISBN 3-85423-036-2.
  • Lionel Terray: Große Bergfahrten. Mit einer Einleitung von Luis Trenker. Schlussteil und Redaktion von Kurt Diemberger. Nymphenburger Verlag, München 1984, ISBN 3-485-01757-4.
  • Karl M. Herrligkoffer: Nanga Parbat 1953. Verlag Neues Leben, Berlin 1954.
  • Horst Höfler, Reinhold Messner (Hrsg.): Am Rande des Möglichen. AS Verlag, Zürich 2003, ISBN 3-905111-88-8.
  • Kurt Diemberger: Seiltanz. Die Geschichten meines Lebens. Malik, München 2007, ISBN 978-3-89029-328-8. (auch: Piper, München 2009, ISBN 978-3-492-25306-2).
  • Kriemhild Buhl: Mein Vater Hermann Buhl. Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen. Herbig, München 2007, ISBN 978-3-7766-2506-6.
  • Jochen Hemmleb: Broad Peak „Traum und Alptraum“ Auf den Spuren von Hermann Buhls letzter Expedition. Verlag Tyrolia, Innsbruck 2008, ISBN 978-3-7022-2811-8.

Weblinks

Commons: Hermann Buhl (mountaineer) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Walter Frauenberger. In: salzburgwiki
  2. „1. Hermann Buhl und Trude Klecker“. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 22. Jänner 1954, S. 8.
  3. Näheres zu dieser Besteigung steht im Abschnitt Entwicklung im Artikel über den Alpinstil.
  4. © Sektion KlagenfurtVölkermarkterstraße 9, 9020 Klagenfurt0463/513056E-MailImpressum | Datenschutzmitteilung: Interview: Kurt Diemberger. Abgerufen am 27. Februar 2022.
  5. Karl M. Herrligkoffer: Nanga Parbat. Sieben Jahrzehnte Gipfelkampf in Sonnenglut und Eis. Ullstein Verlag, Berlin 1967, S. 100 ff.
  6. Hermann-Buhl-Platz – Hungerburg, Innsbruck (Austria), auf helmut-schmidt-online.de
  7. Hermann-Buhl-Platz auf der Hungerburg, auf hungerburg.at vom 24. September 2012.
  8. „Namen und Geist von Hermann Buhl wach halten“, auf dervinschger.it, abgerufen am 12. Juli 2023.

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Hermann Buhl bei einem Vortrag im Wiener Konzerthaus nach der Nanga-Parbat–Expedition.
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Hermann Buhl (links) und Walter Frauenberger (rechts) bei einem Vortrag im Wiener Konzerthaus nach der Nanga-Parbat–Expedition.
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