Herkulesbahn

Herkulesbahn
Streckenlänge:11,24 km
Spurweite:1000 mm (Meterspur)
Stromsystem:Bis 1920: 550 Volt =
Ab 1920: 700 Volt =
Maximale Neigung:1:12,5 
Höchstgeschwindigkeit:20 km/h
Kirchweg
Friedensstraße
Güterbahnhof
zum Güterbahnhof
Main-Weser-Bahn
Hasselweg
Nordhäuser Pfad
Palmenbad
Dönche
Luisenhaus
Marienweg
Vollgraf
Henkes
Brasselsberg
Goßmann
Am Steinbruch
Basaltsteinbruch
Neue Drusel
Alte Drusel
Neu Holland
Zeche Herkules
Ziegenkopf
Hohes Gras
Zeche Roter Stollen
Krähhahnstraße
Herkules
Personentriebwagen an der Endstation am Brasselsberg, 1962

Die Herkulesbahn war eine meterspurige Kleinbahn im Stadtgebiet von Kassel, die zwischen 1902 und 1966[1] mittels Eisenbahntriebwagen dem Güter- und Personenverkehr den Hohen Habichtswald und die dortige Herkulesstatue erschloss.

Überblick

Die Personentriebwagen fuhren vom Kirchweg im Stadtteil Wehlheiden über die Kohlenstraße und die damals noch schmale, gepflasterte und steile Druseltalstraße hinauf bis in die Hochlagen des Habichtswalds. Darin fuhren sie insbesondere durch das waldreiche Tal der Drusel über den zum Stadtteil Wilhelmshöhe gehörenden Ortsbezirk Neu Holland und von dort entlang der Hüttenbergstraße hinauf bis nahe an den Herkules. Oberhalb dieser Straße ist der ehemalige Verlauf der Gleise noch anhand eines zumeist gerade verlaufenden Spazier- und Wanderwegs zu erkennen. Die Bergstation befand sich etwa 400 Meter südwestlich des Herkules auf etwa 490 m ü. NHN[2][3] () nahe dem untersten der drei heutigen Parkplätze; unmittelbar östlich vorbei floss der Drusel-Zufluss Sichelbach. Von dort konnten die Fahrgäste zum Bergpark Wilhelmshöhe und zu den dortigen Wasserspielen gelangen.

Auf einer Nebenstrecke fuhren die Personentriebwagen vom Luisenhaus an der Druseltalstraße entlang des Habichtswalds beziehungsweise der Bergstraße (heute Konrad-Adenauer-Straße) bis zur Endstation unterhalb des Brasselsbergs im gleichnamigen Stadtteil. Eine weitere Nebenstrecke führte von Neu Holland aus am Ziegenkopf vorbei zum Hohen Gras und eine dritte verlief zwischen der Haltestelle Dönche an der Druseltalstraße und dem Palmenbad, Kassels erstem Hallenbad.

Innerhalb des Habichtswalds bedienten Gütertriebwagen mehrere Gleisanschlüsse, die das Abbaumaterial von der Zeche Alte Drusel, der Zeche Herkules und der Zeche Roter Stollen in Richtung Kassel transportierten. Die größte Steigung betrug 1:12,5.

Geschichte

Allgemeines

Gebäude der Endstation am Herkules um 1910

Im Habichtswald wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch an verschiedenen Stellen Braunkohle abgebaut (Nordhessisches Braunkohlerevier). Der Transport der Kohle, aber auch von Steinen aus den Steinbrüchen, war nur unter großen Mühen mit Pferdefuhrwerken möglich. Nachdem 1898 die Zeche Alte Drusel stark erweitert wurde, sollte eine Standseilbahn die Kohle zum Bahnhof Wilhelmshöhe bringen. Der Kasseler Industrielle Gustav Henkel regte unter eigener Regie den Bau einer elektrischen Bahn an, die von seinem eigenen Elektrizitätswerk gespeist werden sollte. Mit diesem Plan erhoffte er sich eine bessere Auslastung seines Kraftwerks, mehr Besucher für sein Palmenbad und eine günstigere Verkehrsanbindung für die in Wilhelmshöhe befindliche Villenkolonie Mulang, in der er auch selber wohnte.

Die Ausführung für den Bau der Herkulesbahn oblag der Hannoverschen Bahnindustrie.[4]

Seit dem 7. November 1902[1], als die polizeiliche Abnahme für den Güterbetrieb stattfand, transportierte die Herkulesbahn mit eigens konstruierten Gütertriebwagen Braunkohle aus dem Druseltal zum Güterbahnhof Wilhelmshöhe in der Kohlenstraße und über einen Gleisanschluss zum Henkelschen E-Werk sowie zum Palmenbad. Ab 1905[1] wurde auch Basalt transportiert. Der Personenverkehr konnte am 27. April 1903[1] vom Palmenbad zum Herkules aufgenommen werden. Anfangs standen drei Personentriebwagen zur Verfügung. Am Palmenbad gab es einen Anschluss zur städtischen Straßenbahn. Kurz nach der Eröffnung, im Dezember 1905, wurde die Herkulesbahn in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. In den Jahren 1912 bis 1915 beförderte die Bahn etwa 550.000 Personen[5], die höchste Beförderungsleistung an einem Tag war am 3. August 1913 mit 10.621 Fahrgästen.[5] Zwischen 1920 und 1924 verkehrten die Kohlenzüge rund um die Uhr.[1]

Zum 1. Januar 1927[1] übernahm die Große Kasseler Straßenbahn die Aktienmehrheit der Herkulesbahn, womit die Konkurrenzsituation zwischen diesen beiden Unternehmen endete. 1960[1] wurden beide Betriebe vereinigt und die Herkulesbahn AG aufgelöst. Nachdem der Bergbau im Habichtswald nach dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) stark zurückgegangen war, wurde der Güterverkehr unrentabel und im Juli 1961[1] eingestellt; bis dahin wurden täglich bis zu 500[1] Tonnen Ladung transportiert. Anschließend konnte die Strecke in eine Straßenbahn gemäß Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) umgewidmet werden, der Betrieb nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung für Schmalspurbahnen (ESBO) war ohne den Güterverkehr nicht mehr notwendig. Außerdem bekam die Herkulesbahn damals Liniennummern im Anschluss an das Straßenbahnnetz zugeteilt. Fortan fuhr die Linie 12 nach Brasselsberg und die Linie 13 zum Herkules.

1962 beschloss der Aufsichtsrat der Kasseler Verkehrs-Gesellschaft (KVG), dem Nachfolgeunternehmen der Großen Kasseler Straßenbahn, die Herkulesbahn auf Normalspur umzuspuren und sie an der Straßenbahnendstelle Druseltal mit dem ebenfalls normalspurigen Straßenbahnnetz zu verbinden. Im oberen Teil der Strecke zum Herkules wurden hierzu bereits entsprechende Schwellen eingebaut. 1963 wurden Überlegungen der Bundeswehr bekannt, den Standortübungsplatz von der Dönche nach Ehlen zu verlegen und die Druseltalstraße als für Panzer geeignete Straße auszubauen. Nach Berechnungen der KVG war in diesem Fall der Omnibusbetrieb günstiger als die Umspurung und es wurde dem Magistrat der Stadt Kassel empfohlen, den Betrieb der Herkulesbahn mit dem Beginn des Ausbaus der Druseltalstraße einzustellen.

Schon bald nach der Stilllegung begann der Abbau der Strecke und der Gebäude und die Verschrottung der Fahrzeuge, von denen keines überlebt hat, sodass heute nur noch wenig an die Herkulesbahn erinnert. Der ehemalige Streckenverlauf zum Brasselsberg ist teilweise als Fußweg erhalten, auch der ehemalige Streckenverlauf zwischen Neu-Holland und der Endhaltestelle Herkules ist noch zu erkennen.

Seit seiner Gründung am 3. Mai 2002[1] setzt sich der Förderverein Neue Herkulesbahn Kassel e. V.[6] für eine Verlängerung der bestehenden Straßenbahnlinie – heute Linie 4, bis zum 25. März 2018 Linie 3 – zum Herkules ein. Die Trassierung soll weitestgehend der der ehemaligen Herkulesbahn entsprechen. Man verspricht sich dadurch vor allem eine bessere und zugleich schonendere touristische Erschließung des Bergparks Wilhelmshöhe. Ende Oktober 2018 haben die Stadtverordneten von Kassel beschlossen, dass für einen Neubau bzw. Reaktivierung der Herkulesbahn ein Verkehrskonzept entwickelt werden soll.[7]

Streckennetz

Streckennetz der Herkulesbahn

Zu Beginn war das Netz der Herkulesbahn 6,5 Kilometer lang, davon wurden 4,6 Kilometer im Güterverkehr und 4,42 Kilometer im Personenverkehr betrieben.[8] Bereits 1909 wurde eine 1,4 Kilometer[8] lange Erweiterung bis zum Kirchweg an der Wilhelmshöher Allee eröffnet. Da aber die Stadt Kassel hierfür die Genehmigung erteilen musste und eine Konkurrenz für den städtischen Straßenbahnbetrieb befürchtete, verzögerte sich die Eröffnung bis 1909.[1] Fortan konnten die Fahrgäste vom Kirchweg aus in weniger als einer halben Stunde den Herkules erreichen.

1911[1] konnte das Angebot für den Personenverkehr durch die Eröffnung der 1,5 Kilometer langen Strecke zur Gartenstadt Brasselsberg abermals erweitert werden. Es war geplant und schon von allen Instanzen genehmigt, die Strecke von der Kohlenstraße bis an die Karlsaue zu führen, doch aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs (1914–1918) wurden die Pläne nicht weiter ausgeführt. Durch den erhöhten Rohstoffbedarf im Krieg wurden weitere Zechen an das Netz der Herkulesbahn angeschlossen. Ein kleiner Abzweig zur bei Neu Holland gelegenen Zeche Herkules wurde 1916 fertiggestellt.

1917/18[1] ließen die Betreiber der Zeche Roter Stollen eine Strecke von der Zeche Herkules vorbei am Ziegenkopf mit der Zeche Roter Stollen zum Hohen Gras bauen. Diese Verlängerung war 2,25 Kilometer lang und wurde hauptsächlich von Kriegsgefangenen errichtet. Zwischen 1922 und ihrer Stilllegung am 31. Dezember 1940 wurden auf ihr auch Personen befördert. Nach Eröffnung dieser Teilstrecke erreichte das Netz 1920 mit 11,24 Kilometern seine größte Ausdehnung.

Mehrere Faktoren führten 1923[1] zur Einstellung des Personenverkehrs zum Palmenbad. Zum einen wurden das Bad bereits 1918[1] und das in diesem Jahr von der Stadt übernommene Elektrizitätswerk stillgelegt, zum anderen expandierte die Große Kasseler Straßenbahn und ein neuer Anknüpfungspunkt der Netze im Druseltal war vorhanden. Die Strecke wurde auf Normalspur umgebaut und diente seither als Verbindung vom Depot der Herkulesbahn zur Hauptwerkstatt im Betriebshof Wilhelmshöhe der Großen Kasseler Straßenbahn.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Zechen Herkules (31. Dezember 1940) und Roter Stollen (1941)[1] und somit der Streckenabschnitt zum Hohen Gras stillgelegt. In den frühen 1950er Jahren war geplant die Strecke vom Brasselsberg bis in die Nachbargemeinde Elgershausen (heute Ortsteil der Gemeinde Schauenburg) zu verlängern, was jedoch scheiterte.

Nachdem bereits am 1. Dezember 1965[1] die Verbindung vom Luisenhaus zum Brasselsberg auf Omnibusbetrieb umgestellt wurde, fuhr am 11. April 1966 um kurz nach 23:00 Uhr[1] letztmals ein Triebwagen vom Herkules talwärts. Seit dem Folgetag, dem 12. April, wurde auch der Herkules mit dem Kirchweg durch Busse verbunden.

Übersicht der Stilllegungen

Personen- (hinten) und Gütertriebwagen (vorne) in der Druseltalstraße, um 1910
StilllegungStreckenabschnitt
31. Dezember 1925Kassel Palmenbad–Kassel Dönche
31. Dezember 1940Zeche HerkulesHohes Gras
31. Dezember 1940Neu Holland–Zeche Herkules
30. November 1965KirchwegBrasselsberg
11. April 1966[1]LuisenhausHerkules

Wagenpark

Gütertriebwagen

Die auf der Strecke eingesetzten Gütertriebwagen gingen auf Entwürfe von Gustav Henkel zurück. Auf ihrer Plattform trugen sie kurze Querschienen, auf denen Loren aufgesetzt werden konnten. Dieses Prinzip machte das Verladen in den Zechen und Steinbrüchen besonders flexibel. Der Führerstand war erhöht in der Mitte aufgebaut, was dem Fahrer eine bessere Sicht ermöglichte. Anfangs standen drei vierachsige Gütertriebwagen zur Verfügung. Der Bestand wurde bis 1923 auf sieben Wagen ähnlicher Bauart aufgestockt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden mehrere entsprechende Beiwagen angeschafft.

Ab 1923[5] wurden in die Gütertriebwagen Widerstandsbremsen mit Stromrückgewinnung eingebaut, wodurch sich der Stromverbrauch dieser Fahrzeuge um etwa ein Viertel reduzierte. Eingebaut wurden Anlagen von der AEG nach dem System Welsch. Diese Technik wurde in Straßenbahnen erst Jahrzehnte später verwendet, die Herkulesbahn war bei dieser Technik Vorreiter.

Personentriebwagen

In den ersten Jahren der Personenbeförderung zielte die Herkulesbahn eher auf Ausflügler ab. Anfangs standen nur drei zweiachsige Triebwagen zur Verfügung, wovon zwei als offene Sommerwagen ausgeführt waren. Der Wagenpark wurde schrittweise erweitert. Später wurden nur noch gebrauchte Trieb- und Beiwagen angeschafft, zuletzt (1960) gebrauchte Nachkriegsfahrzeuge von den Stadtwerken Solingen.

Literatur

  • Wolfgang Kimpel: Die Herkulesbahn in Kassel. Kassel 1997
  • Dietrich Meier / André Marks: Kleinod mit großer Steigung – Die Herkulesbahn in Kassel. Erschienen in: Strassenbahn-Magazin – 5/2015, S. 50 ff
  • Gustav Adam Stör: Die Herkulesbahn in Kassel. Kassel 1982, ISBN 3-7982-0435-7
  • Gustav Adam Stör: 50 Jahre Herkulesbahn. Kassel 1953
  • Gerd Wolff: Deutsche Klein- und Privatbahnen, Band 8: Hessen. Freiburg im Breisgau 2004, ISBN 3-88255-667-6

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s Die Herkulesbahn, auf kassel-wilhelmshoehe.de
  2. Karten und Daten des Bundesamtes für Naturschutz (Hinweise)
  3. „Endstation Herkulesbahn, Stadt Kassel“. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  4. Schreiben der Hannoverschen Bahnindustrie (La/Ro.) an die Colberger Sprudel GmbH, Coburg, Raststraße 8, vom 19. Dezember 1908, auf commons.wikimedia.org
  5. a b c Herkulesbahn, aus kassellexikon, S. 248, auf neue-herkulesbahn.de (PDF; 106,2 kB)
  6. Förderverein Neue Herkulesbahn Kassel e.V., auf neue-herkulesbahn.de
  7. Kassel: Herkules Kassel: Für Tram wird Verkehrskonzept entwickelt – Bad Wilhelmshöhe. In: hna.de. 1. November 2018, abgerufen am 2. November 2018.
  8. a b „Eröffnung der Herkules-Gebirgsbahn in Kassel, 27. April 1903“. Zeitgeschichte in Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).

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Herkulesbahn, Kassel, 1962, Brasselsberg; Aufnahme aus Privatbesitz; gemeinfrei
Herkulesbahnkassel.jpg
  • Beschreibung: Endstation der Herkulesbahn in Kassel
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Streckenplan der ehemaligen Herkulesbahn, selbst erstellt