Henschel Typ Bismarck

Henschel-Typ Bismarck
Lok 1 der EFW, Henschel 6676 (1904)
Lok 1 der EFW, Henschel 6676 (1904)
Anzahl:ca. 90
Hersteller:Henschel & Sohn, Kassel
Baujahr(e):1904–1948
Achsformel:C
Bauart:C n2t
Gattung:Gt 33.10
Spurweite:1435 mm (Normalspur)
Länge über Puffer:8300 mm – 9200 mm
Höhe:3.700 mm
Fester Radstand:2.700 mm
Leermasse:35 t
Dienstmasse:42 t
Radsatzfahrmasse:14 t
Höchstgeschwindigkeit:40 km/h – 45 km/h
Indizierte Leistung:400–450 PS
Treibraddurchmesser:1100 mm
Steuerungsart:Heusinger-Steuerung
Zylinderanzahl:2
Zylinderdurchmesser:430 mm
Kolbenhub:550 mm
Kesselüberdruck:13 bar
Anzahl der Heizrohre:199
Rostfläche:1,36 – 1,6 m²
Strahlungsheizfläche:6,692 m²
Verdampfungsheizfläche:55,67 – 83,058 m²
Wasservorrat:4–6 m³
Brennstoffvorrat:1,3–1,6 t
Lokbremse:Handklotzbremse und Druckluftbremse
Zugbremse:Druckluft

Henschel-Typ Bismarck lautet der Name von dreiachsigen Dampflokomotiven, die Henschel & Sohn für Privat- und Werksbahnen entwickelt hatte.

Die Konstruktion basiert auf den Lokomotiven der preußischen Gattung T 3. Die Lokomotiven vom Henschel-Typ Bismarck sind jedoch stärker ausgeführt und technisch weiterentwickelt.

Konstruktion

Es handelt sich um dreiachsige Nassdampf-Tenderlokomotiven der Achsfolge C. Die Lokomotiven besitzen zwei Zylinder, die vor der ersten Achse liegen und auf die mittlere Kuppelachse wirken. Als Steuerung findet eine außenliegende Heusinger-Steuerung mit Flachschieber Anwendung. Zur Speisewasserversorgung sind zwei Dampfstrahlspeisepumpen der Bauart Willigens vorhanden. Der Wasservorrat ist in einem Rahmenwasserkasten unter dem Kessel untergebracht; die Kohlenkästen befinden sich links und rechts der Feuerbüchse vor dem Führerhaus. Davor befinden sich jeweils ein Einfüllstutzen für den Wassertank.

Die Federn der beiden vorderen Radsätze sind mit Ausgleichshebeln oberhalb des Umlaufs verbunden.

Da es sich dabei um eine Grundbauart handelte, deren Aufbau in einem gewissen Maß individuelle Kundenwünsche zuließ, und die Firma Henschel & Sohn diesen Loktyp über mehrere Jahrzehnte anbot, unterschieden sich die einzelnen Lokomotiven in verschiedenen Details und wurden dementsprechend immer an den technischen Standard angeglichen.

Entsprachen sie anfangs noch relativ eng dem Baumuster einer preuß. T3 (wobei bereits von Anfang an die Heusinger-Steuerung Verwendung fand), wurde im Laufe der Zeit immer weiter davon abgewichen. Hierbei wurden zusätzliche Wasserkästen an den Kohlekästen angebracht, um den Wasservorrat von ursprünglich 4 auf 6 Kubikmeter vergrößern zu können. Die verwendeten Kesselbauformen und ihre Maße variierten je nach Baujahr. Technische Innovationen, die sich als Standard beim Lokomotivbau herauskristallisierten, flossen bei der Konstruktion ein. So wurde von dem noch bei den ersten beiden Loks (Fabr.-Nr. 6676 u. 6677) verwendeten zweischienig geführten Kreuzkopf mit zwei Gleitbahnen zu einem einschienig geführten Kreuzkopf (siehe Fabr.-Nr. 19248) übergegangen.[1][2] Die Druckluftbremse (später zumeist Westinghouse oder Knorr) war anfangs nicht Standard (verwendet wurde die Wurfhebelbremse im Führerstand oder es war eine Heberleinbremse eingebaut[2]), wodurch erst spätere Maschinen mit einer Luftpumpe und dem nötigen Bremssystem ausgerüstet wurden. Gemessen am Baujahr spiegelte jede Maschine zum Teil den Standard ihrer jeweiligen Entstehungszeit wieder, was zu keiner einheitlichen Bauform wie bei anderen Dampflokbaureihen führte. 1948 vereinheitlichte Henschel sein Typenprogramm, wodurch der Name "Bismarck" als Typenbezeichnung durch "C 400" ersetzt wurde.[3] Hierbei wurden die Anpassungen und Modernisierungen der Jahre als neue Grundsätze für diesen Typ festgelegt.

Einsatz

Die Anzahl der gebauten Lokomotiven ist nicht genau bekannt, sie bewegt sich um etwa 90. Sie wurden an diverse deutsche Klein- und Privatbahnen, Betriebe sowie Zechen geliefert. Hier arbeiteten sie im leichten bis mittelschweren Nah- und Rangierverkehr sowie im Güter- und Personenverkehr. Durch ihre im Vergleich zu Altbauloks wie der preußischen T3 unveränderten Bedienung, bei gleichzeitiger Leistungssteigerung und technischer Vereinfachung etwa bei der Wartung, waren sie sehr beliebt und für ihre Robustheit bekannt.[1] 1949 kamen in der Sowjetischen Besatzungszone insgesamt 16 der Lokomotiven von ehemaligen Klein- und Privatbahnen in den Bestand der Deutschen Reichsbahn.[4]

Einerseits wegen ihrer vergleichsweise geringen Leistung bei relativ hohem Kohle und Wasserverbrauch, der zum einen durch die Bauart als Nassdampflok und die Einfachverwendung des Dampfes zustande kam, andererseits wegen des Voranschreitens der Verdieselung und Stilllegung des Rangier- und Nebenbahnverkehrs in den 1960er Jahren, kam es in dieser Zeit zu vermehrtem Verschrotten dieses Loktyps. Ihre individuelle Bauweise, wodurch wenig Vereinheitlichung bei der Wartung im Bezug auf andere Baureihen durchgeführt werden konnte, sorgte – gerade bei der Deutschen Reichsbahn – für ein vermehrtes Abstellen und Ausmustern. Einige Loks dieses Typs wurden und werden durch die Aufstellung als Denkmal oder die Übernahme durch Eisenbahnvereine, die diese aktiv betreiben, für die Nachwelt erhalten (siehe Liste).

Die Henschel Typ Bismarck der Eisenbahnfreunde Wetterau beim Rangieren im Bahnhof Münzenberg

Übersicht über Bau und Verbleib

Die ersten Loks des Typs Bismarks wurden im Jahr 1904 gebaut, die Letzten etwa Ende der 1930er Jahre. Lokomotiven, die in den Bestand der Deutschen Reichsbahn kamen, wurden in die Baureihe 89 eingeordnet.

BaujahrHersteller-Nr.KäuferErstbezeichnung
kursiv aktuelle
VerbleibBetriebsfähig
19046676Marburger KreisbahnMKB 1, EFW 11972 Fa. Nickel, Denkmal Dreihausen, 1988 Leihgabe, 2009 Schenkung an Eisenbahnfreunde Wetterau[2]derzeit in HU
19046677MKB 2verschrottet um 1962
19078074Löwenberg-Lindow-Rheinsberger Eisenbahn(LLRE) 41920 Ruppiner Eisenbahn AG "15", 1949 DR, ab 1950 DR "89 6212", verschrottet 18.07.1967
191110419(LLRE) 51920 Ruppiner Eisenbahn AG "16", verschrottet 1949
191110432? Rheinstahl-Zeche Brassert?1ab 1963 Zeche Prosper der Rheinstahl Bergbau AG "16"
191110684?2ab 1962 Zeche Prosper der Rheinstahl Bergbau AG "19"
19111105Chemin de Fer International de Malines à Terneuzen25verkauft 1918[5]
110626
110727
191211013Hersfelder Kreisbahn3, "Fulda"1917 verkauft an Gewerkschaft Hattorf (Kaliwerk) Philipsthal
191211014Hersfelder Kreisbahn4, "Werra"1930 verkauft an Delmenhorst-Harpstedter Eisenbahn "3", 1957 verschrottet
191311948?Zeche Zollverein?C 151968 ausgeschieden
191312483Löwenberg-Lindow-Rheinsberger Eisenbahn(LLRE) 61920 Ruppiner Eisenbahn AG "17", verschrottet 1949
191412818Hafen/Industriebahn Barby/Elbe?Zeche Mathias Stinnes, Essen-Karnap
191413025Kyffhäuser Kleinbahn41, 89 6024ab 1925 Kleinbahn Erfurt–Nottleben „2“, Kleinbahn Bebitz-Alsleben "269", ab 1963 Werklok 1 Ausbesserungswerk Görlitz, ab 1977 Deutsches Dampflokomotiv-Museum[6]1994–2014; 2016: nein
191813075Gewerkschaft Lothringen
Zeche Erin/Lothringen
Lothringen VArbeitsgemeinschaft Geesthachter Eisenbahn "1"[7]in Aufarbeitung
191913232??1952–53 Mindener Kreisbahnen "21", 1955 abgestellt und später verschrottet
?13238??(gebaut als Heißdampflok mit Speisewasservorwärmung),

Verbleib unbekannt[8]

--
192017654BASFLeuna Werke "23", 89 6236ab 1971 Halle-Neustadt/Saale (U Panzerlok), 1971 Denkmal – Spielplatz, Halle-Neustadt, ab 1994 Altmärkische Eisenbahnfreunde, seit 1995 Eisenbahnfreunde MagdeburgOptisch aufgearbeitet
192118295Henschel, Werk KasselWerklok 10 ?verschrottet[9]--
192118296HenschelWerklok 11ab 1929 Hafenbahn Offenbach, ab 1956 F. Schmidt, Frankfurt für Klöckner-Mannstaedt, Werk Troisdorf „L 3“
192219225Zeche Graf BeustGraf Beust 3später Zeche Mathias Stinnes, verschrottet[1]
192219226Harpener Bergbau-AG
Zeche Robert Müser
Harpen XXVIverschrottet[1]
192219227Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft, Hamburg?Verbleib unbekannt[1]_
192219233Farbwerke Höchst?Verbleib unbekannt[1]_
192219234Essener Steinkohlenbergwerke
Zeche Pörtingsiepen
Pörtingssiepen Vab 19?? Zeche Monopol, Kamen (leihw.), ab 195? Zeche Dahlhauser Tiefbau, Bochum-Dahlhausen "V", ab 1956 WLH - Westfälische Lokfabrik Reuschling, Hattingen "59", ab 1957 Zeche Sachsen, Hamm-Heeßen, 1966 verschrottet[1]
192219235Essener Steinkohlenbergwerke
Zeche Dorstfeld
IIIVerbleib unbekannt[1]
192219236Prignitzer Eisenbahn4bis 1946 Kleinbahn Freienwalde-Zehden "4" → "5-20", dann Südstormarnsche Kreisbahn "5-20", 1952 verschrottet[1]_
192219247Harkort’sche Bergwerksgesellschaft
Zeche Trappe
Verbleib unbekannt[1]
192219248Kohlekraftwerk „Gemeinschaftswerk“ Hattingen„Nr. 1“
7 „Niedersachsen“
ab 1973 DEW „3“, seit 1987 Eisenbahnfreunde Hasetal[10]ja
192219249Thyssen AG, Mühlheim?Verbleib unbekannt[1]_
192219376BASF?bis 1971 Grube Emil Mayrisch, "Siersdorf Nr. 2", Verbleib unbekannt[11]
192219383BASF, Amoniakwerk Merseburg29Verbleib unbekannt[12]--
192219565Waggonfabrik Hannover?ab 1934 Marburger Kreisbahn "3" (IV), ab 1957 Meguin AG (später Pintsch-Bamag AG), Butzbach, um 1966 verschrottet.[13][14]--
192219732BASF, Amoniakwerk Merseburg31Verbleib unbekannt[15]
192320142Essener Steinkohlenbergwerke
Zeche Pörtingsiepen
Pörtingssiepen VIab 1972 Denkmallok, seit 2008 in PrivateigentumAufarbeitung geplant
192320143Pörtingssiepen VII1993 Museumslok auf der HespertalbahnAufarbeitung geplant
193723701Saarbergwerke AGGrube Göttelborn "26", MECL 26 "MERZIG"ab 1982 Denkmal, Grube Ensdorf, seit 1987 MECL - Museums-Eisenbahn-Club Losheim[16]Fristablauf

Weblinks

Commons: Henschel Typ Bismarck – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k Dampflok. Abgerufen am 28. Oktober 2017.
  2. a b c Eisenbahnfreunde Wetterau
  3. dampflokomotivarchiv.de. Abgerufen am 14. März 2018.
  4. DDM, abgerufen am 12. Dezember 2016
  5. H.G. Hesselink: Geschiedenis der spoorwegen Gent-Terneuzen en Mechelen-Terneuzen.
  6. Jürgen Goller: [ohne Titel]. In: Die Museums-Eisenbahn. Nr. 4, 2016, ISSN 0936-4609, S. 10.
  7. Arbeitsgemeinschaft Geesthachter Eisenbahn (Memento vom 10. Januar 2016 im Internet Archive)
  8. Henschel-Heißdampf-Industrielok Typ „Bismarck“. Abgerufen am 3. Dezember 2020.
  9. Wolfgang Messerschmidt, Siegfried Kademann: Henschel-Lokomotiven von 1848 bis heute. 1985, ISBN 3-921564-84-0, S. 156 ff.
  10. Eisenbahnfreunde Hasetal
  11. Loks der Grube Emil Mayrisch
  12. Henschel-Baulokomotive Typ Bismarck Werkfoto 1734. Abgerufen am 3. Dezember 2020.
  13. Andreas Christopher: Butzbach - Licher Eisenbahn. 2004, ISBN 3-929082-24-1, S. 70 ff.
  14. Gerd Wolff, Andreas Christopher: Deutsche Klein- und Privatbahnen. In: Eisenbahn Kurier. 1. Auflage. Band 8. EK-Verlag, Freiburg 2004, ISBN 3-88255-667-6.
  15. Henschel-Baulok Typ „Bismarck“ Fa.-Nr. 19732. Abgerufen am 3. Dezember 2020.
  16. Museal erhaltene Lokomotiven Henschel

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