Henryk Sienkiewicz

Henryk Sienkiewicz

Henryk Adam Aleksander Pius Sienkiewicz [ɕɛnˈkʲevʲit͡ʂ], Pseudonym: Litwos, (* 5. Mai 1846 in Wola Okrzejska, Woiwodschaft Lublin, Kongresspolen; † 15. November 1916 in Vevey, Schweiz) war ein polnischer Schriftsteller und Träger des Nobelpreises für Literatur.

Herkunft und Familie

Sienkiewicz wurde im zum Russischen Kaiserreich gehörigen Teil Polens in der heutigen Landgemeinde Krzywda des Powiat Łukowski geboren, als ältestes von fünf Kindern des einfachen Landadeligen Józef Sienkiewicz (1813–1896) und der ebenfalls dem polnischen Adel entstammenden Stefania Cieciszowska († 1873). Über seine Ur-Urgroßmutter mütterlicherseits, Constance Jauch (1722–1802), ist Sienkiewicz in eine auch in anderen Zweigen literarisch bedeutsame Verwandtschaft eingebunden: Seine Cousine zweiten Grades war die polnische Dichterin der Romantik Jadwiga Łuszczewska (1834–1908), sein entfernterer Onkel war der für die Literatur der Romantik in Polen bedeutsame Historiker und Freiheitskämpfer Joachim Lelewel (1786–1861), sein Neffe der im KZ Sachsenhausen getötete Professor für Literaturgeschichte Ignacy Chrzanowski (1866–1940).

Maria Babska

Sienkiewicz war dreimal verheiratet, 1881 mit Maria Szetkiewicz († 1885) und 1893 mit Maria Romanowska, die ihn bereits nach zwei Monaten wieder verließ (geschieden 1895, Ehe annulliert 1896). 1903 heiratete er Maria Babska, seine Nichte zweiten Grades, der er bereits 1888 erstmals die Ehe versprochen hatte und die zwischenzeitlich in ein Kloster eingetreten war, es aber für ihn wieder verließ. Er hatte zwei Kinder aus erster Ehe, Henryk Józef und Jadwiga Sienkiewicz. Seine Tochter war mit dem Obersten Tadeusz Korniłowicz (1880–1940) verheiratet, der vom sowjetischen Geheimdienst in Katyn ermordet wurde.

Schriftstellerisches Wirken

Sienkiewiczs Kindheit war geprägt von der Tradition und Eingebundenheit in das Landleben, aber auch vom Patriotismus seines Vaters, der sich am Kampf für die polnische Unabhängigkeit beteiligt hatte. Später siedelte die Familie nach Warschau um, wo der junge Sienkiewicz die Schule besuchte und an der Universität Geschichte und Literatur studierte. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich zunächst als Hauslehrer.

Von 1872 an veröffentlichte er kurze satirische Texte und schrieb Feuilletons für die Zeitung Gazeta Polska. 1876 unternahm er eine längere Reise in die USA, von der er der Gazeta Polska Schilderungen schicken sollte. Diese Listy z podróży do Ameryki (Briefe von der Reise nach Amerika) erfreuten sich großer Beliebtheit. Längere Zeit hielt er sich bei der zur gleichen Zeit nach Kalifornien emigrierten Schauspielerin Helena Modrzejewska auf. Diesen Rhythmus des Reisens, Schreibens und wieder Reisens behielt er sein ganzes Leben bei. Meist reiste er innerhalb Europas, 1891 jedoch bereiste er Afrika, das zum Schauplatz seines Jugendromans Durch Wüste und Wildnis wurde.

Sienkiewiczs Frühwerk wird literarisch dem Polnischen Positivismus zugerechnet, von dem er sich aber spätestens löste, als er sich mit dem ab Mai 1883 als Fortsetzungsroman erschienenen Ogniem i mieczem (Mit Feuer und Schwert) dem historischen Roman zuwandte. Dieser Roman, Teil einer Trilogie, der Ereignisse aus der polnischen Geschichte des 17. Jahrhunderts thematisierte, begründete Sienkiewiczs Ruhm innerhalb der polnischen Literatur.

Büste Henryk Sienkiewicz’ in der Kirche Domine Quo Vadis? an der Via Appia Antica in Rom

Weltweit berühmt wurde Sienkiewicz in der Folge vor allem mit dem historischen Roman Quo Vadis von 1896, der die Christenverfolgung unter dem römischen Kaiser Nero thematisiert. Der Roman erschien 1898 auf Deutsch. Bekannt ist einem breiten Publikum Mervyn LeRoys gleichnamige Verfilmung von 1951 mit Peter Ustinov als Nero. Eine Neuverfilmung des Regie-Altmeisters Jerzy Kawalerowicz aus dem Jahr 2001 versuchte, stärker den polnischen Charakter des Stoffes zu betonen.

1896 wurde er korrespondierendes und 1914 Ehrenmitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.[1]

Im Jahre 1900 erhielt Henryk Sienkiewicz das Gut Oblęgorek als Nationalgeschenk. Im gleichen Jahr wurde er von Kaiser Franz Joseph I. mit dem Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet.[2]

Sienkiewicz erhielt 1905 „auf Grund seiner großartigen Verdienste als epischer Schriftsteller“ den Nobelpreis für Literatur – nicht, wie vielfach fälschlich angenommen, wegen des Romans „Quo vadis“. Sienkiewicz, der nach Beginn des Ersten Weltkrieges nach Vevey, Kanton Waadtland, Schweiz, ausgereist war und dort 1916 verstarb, ist in der Krypta der Warschauer Johanneskathedrale beigesetzt, wohin er 1924 umgebettet wurde.[3]

Sonstiges Wirken

1900 erhielt er von der ihn verehrenden polnischen Nation das Landhaus in Oblęgorek geschenkt, das heute das bedeutendste Sienkiewicz-Museum beherbergt. Aus seinem Exil in Vevey in der Schweiz organisierte er (unter Mitwirkung von Antoni Osuchowski und Ignacy Jan Paderewski) das Schweizerische Generalkomitee für die Hilfe für Kriegsopfer in Polen. Er war Gründer der Stiftung für das Adam-Mickiewicz-Denkmal in Warschau, Mitorganisator der Mianowski-Kasse sowie Präsident der Warschauer Vorsichtskasse für Schriftsteller und Journalisten (1899–1900). Mehrmals unterstützte er mit seiner Autorität patriotische Einsätze. Er protestierte gegen Verfolgung polnischer Kinder in Września, in der Revolutionszeit 1905 verlangte er in Aufrufen und Artikeln Autonomie für das Polnische Königreich. Er war Anhänger der Nationalen Demokratie. 1889 stiftete er das Maria-Sienkiewicz-Stipendium.

Gedenken

Werke

Zersplittert: Deutsche Ausgabe von Na marne, Leipzig 1918
Novellen und Erzählungen
  • Na marne (Zersplittert, Novelle 1872)
  • Humoreski z teki Worszyły (Die Komödie der Irrungen, Novelle 1872, enthalten in Ums liebe Brot und 10 andere Novellen 1901)
  • Stary sługa (Novelle 1875)
  • Hania (Die schöne Hania, Novelle 1876, enthalten in Ums liebe Brot und 10 andere Novellen 1901)
  • Selim Mirza (Novelle 1877)
  • Szkice węglem (Kohlenstiftzeichnungen. Novelle 1877)
  • Janko Muzykant (Janko der Musikant, Novelle 1879, enthalten in Ums liebe Brot und 10 andere Novellen 1901)
  • Z pamiętnika poznańskiego nauczyciela (Aus dem Tagebuch eines Posener Lehrers. Novelle 1879)
  • Niewola tatarska (Tartarische Gefangenschaft, Novelle, 1880, enthalten in Ums liebe Brot und 10 andere Novellen 1901)
  • Orso (Orso, Novelle, 1880, enthalten in Ums liebe Brot und 10 andere Novellen 1901)
  • Nowele amerykańskie (Amerikanische Erzählungen)
    • Za chlebem (Ums liebe Brot. 1880, enthalten in Ums liebe Brot und 10 andere Novellen 1901)
    • Latarnik (Der Leuchtturmwärter. 1882, enthalten in Ums liebe Brot und 10 andere Novellen 1901)
  • Bartek Zwycięzca (Sieger Bartek. Kurzroman 1882)
  • Jamioł (Novelle, 1882)
  • Sachem (Novelle, 1889)
  • Wspomnienie z Maripozy (Novelle, 1889)
Romane
Nicht-Fiktionales
  • Listy z podróży do Ameryki (Briefe aus Amerika, 1878)
Sienkiewicz’ Haus, heute Sienkiewicz-Museum, in Oblęgorek, Powiat Kielecki, 18 km nordwestlich von Kielce

Verfilmungen

Weblinks

Commons: Henryk Sienkiewicz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literarisches Wirken und Literatur

Wikisource: Henryk Sienkiewicz – Quellen und Volltexte (polnisch)
Wikisource: Henryk Sienkiewicz – Quellen und Volltexte

Museen

Genealogie

Einzelnachweise

  1. Ehrenmitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724: Сенкевич, Генрих (Генрик) Иосифович. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 12. März 2021 (russisch).
  2. Henryk Sienkiewicz †. In: Wiener Zeitung, 16. November 1916, S. 8 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrz
  3. knerger.de: Das Grab von Henryk Sienkiewicz

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Maria Babska (* 1864), dritte Ehefrau von Henryk Sieniewicz

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Heinrich Sienkiewicz, Zersplittert. Leipzig: Reclam, 1918