Helma Steinbach




Franziska Wilhelmine „Helma“ Steinbach (* 1. Dezember 1847 in Hamburg; † 7. Juli 1918 in Glüsing bei Lauenburg/Elbe) war eine deutsche Gewerkschafterin. Sie war Mitbegründerin der „Pro“ (Konsum-, Bau- und Sparverein „Produktion“) eGmbH, Hamburg, dessen Aufsichtsrat sie als einzige Frau bis zu ihrem Tod angehörte.
Leben und Wirken
Helma Steinbach war eine Tochter einer verarmten Kaufmannsfamilie. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt als Wirtschafterin, Näherin, Schneiderin, Plätterin und Vorleserin. Die Fabrikarbeiter ließen sich in vielen Betrieben aus Büchern und Zeitungen vorlesen, um sich politisch und allgemein zu bilden. Bei dieser Tätigkeit lernte Steinbach den späteren Gewerkschaftsfunktionär und Reichstagsabgeordneten Adolph von Elm kennen. Steinbach war 10 Jahre älter als von Elm, eine vermutlich aus finanziellen Gründen geschlossene Ehe löste sie schon bald wieder auf. Dennoch blieben die beiden über 30 Jahre lang politisch verbunden und befreundet. Steinbach war eine wichtige Referentin in der Frauenagitation, galt als eine der wichtigsten und erfolgreichsten Rednerinnen. Sie war in verschiedensten Gewerkschaften tätig und hat selbst einen „Reichsverband der Plätterinnen“ gegründet. In Hamburg hat sie versucht, einen Streik der Plätterinnen zu organisieren, was ihr teilweise gelang, z. B. in dem holsteinischen Vorort Stellingen.[1]
In Wedel-Schulau organisierte Steinbach um die Wende zum 20. Jahrhundert die Arbeitnehmerinnen der Schulauer Zuckerfabrik, die unter schlechten Arbeitsbedingungen und geringen Löhnen ein menschenunwürdiges Arbeitsleben führten und erkämpfte mit ihnen bessere Arbeitsbedingungen und Löhne. Im Rahmen der Reichstagswahlen am 16. Juni 1903 sprach die Sozialdemokratin zur Mai-Kundgebung im Hotel zum Roland vor etwa 50 Personen.[2] Steinbach ist es mit zu verdanken, dass die Gewerkschaften die Widerstände gegen die Aufnahme von Frauen aufgaben.[3] Gemeinsam mit von Elm wurde sie in die Pressekommission der Hamburger Parteizeitung der SPD, Hamburger Echo, gewählt. Die Pressekommission diente als eine Art Aufsichtsrat der Druckerei und Verlagsanstalt.[4] Sie hatte großes kulturelles Interesse und gründet im Jahr 1893 zusammen mit von Elm und Heinrich Kaufmann die Freie Volksbühne.
Eine lebendige Charakterisierung des Paares Steinbach – von Elm findet sich in der Biografie von Paul Frölich, des späteren Kommunisten, der auch der Hamburger Sozialdemokratie entstammte:
„Großen Respekt flößte Adolph von Elm ein. [...] Wohl war er Reformist, aber er hatte einen kämpferischen Geist und war vollkommen mit der Arbeiterklasse verwachsen, eine starke, geschlossene Persönlichkeit. Jedes Wort, das er sagte, war durchdacht, frei von jeder Phrase, und ließ doch die Leidenschaft dahinter spüren. Er war ein großer Organisator. Die Hamburger Konsumgenossenschaft 'Produktion' ist vor allem sein Werk. Ein sonderbares Widerspiel zu ihm war seine Frau, Helma Steinbach. Sie machte einen verschrobenen Eindruck, war exaltiert und aggressiv wie eine Suffragette. Das Genossenschaftswesen verfocht sie nicht mit dem nüchternen Utilitarismus des gewöhnlichen Propagandisten, sondern leidenschaftlich als das Ideal einer Menschheitserneuerung. Gustav Stengele verfolgte sie mit giftigem Hass und schüttete in seinen Wochenplaudereien (in der SPD-Zeitung 'Hamburger Echo') oft seine ganze Galle über sie aus. Das bewirkte zunächst, dass sie für mich 'erledigt' war. Doch bei verschiedenen Gelegenheiten merkte ich dann, dass die verschrobene Alte, die so oft das Lachen herausforderte, eine echte, der Sache und ihren eigenen Utopien tief ergebene Kämpferin war, dass sie eine hohe geistige Kultur und künstlerisches Empfinden besaß. Ich habe sehr bedauert, dass Alter und politische Anschauungen enger persönliche Beziehungen zu diesem prächtigen Paar verhinderten.“[5]
Im Jahr 1890 war sie Delegierte auf dem SPD-Parteitag in Halle. Von fünf weiblichen Delegierten ergriffen nur Emma Ihrer und Helma Steinbach das Wort.[6]
Würdigungen

1951 war der „PRO-Block“ in Barmbek an der Schleidenstraße noch zum „Helma-Steinbach-Hof“ benannt worden. Die Umbenennung konnte sich jedoch bei den Bewohnern und im Stadtteil nie richtig durchsetzen.[7] Sie ist Namensgeberin des Helma-Steinbach-Weg in Hamburg-Horn.[8][9] In unmittelbarer Nähe des Helma-Steinbach-Weg wurde im Jahr 2014 das Helma-Steinbach-Haus an der Legienstraße 45 eröffnet. Das Helma-Steinbach-Haus ist Teil des Quartiersprojektes LeNa-Lebendige Nachbarschaft, ein Wohn- und Unterstützungskonzept, das ein lebenslanges Wohnen in der vertrauten Umgebung verwirklichen möchte.
Am 14. Dezember 2017 wurde eine Gedenktafel zu Ehren der Namensgeberin des „Helma Steinbach Hauses“ in der Legienstraße in Horn von der Senatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt, SAGA-Vorstand Wilfried Wendel und Stefan Henze, Leiter der Geschäftsstelle Hamm eingeweiht. Sie befindet sich neben dem Haupteingang des Gebäudes und ist von der Straße aus sichtbar. So können sich Mieter, Besucher aber auch Passanten über die Bedeutung des Lebenswerks von Helma Steinbach informieren.[10]
Anlässlich ihres 100. Todestages gedenkte die Gewerkschaft ver.di-Hamburg Helma Steinbach mit einer Veranstaltung. Die Einladung zur Veranstaltung hob hervor, dass sich Steinbach stets für arbeitende Frauen eingesetzt habe und auf dem ersten Gewerkschaftskongress nach dem Sozialistengesetz eine Resolution einbrachte, die die Gewerkschaften verpflichtete, auch Frauen in ihrem Berufszweig aufzunehmen.[11]
In der Arbeitersiedlung „Helma Steinbach“ am Galgenberg/Milchstr. des Kraftwerkes Schulau in Wedel, enthüllte der damalige Altonaer Oberbürgermeister Max Brauer im Juni 1930 (Altona gehörte damals noch nicht zu Hamburg) eine Gedenkplakette, entworfen von Prof. August Henneberger, zu Ehren von Helma Steinbach. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurde Plakette von diesen entfernt und vermutlich eingeschmolzen.[2] Zu ihrem Gedenken wurde auch im Garten der Frauen des Friedhofs Ohlsdorf ein Erinnerungsstein in die Erinnerungsspirale gesetzt.[12]
Schriften
- Gefährliche Strömungen in der Genossenschaftsbewegung. In: Sozialistische Monatshefte. Heft 4, 1902, S. 288–293 (online).
- Partei und Genossenschaft im internationalen Sozialismus. In: Sozialistische Monatshefte. Heft 21, 1910, S. 1368–1371 (online).
Siehe auch
- Paula Thiede
- Clara Zetkin
Literatur
- Kirsten Haake: Helma Steinbach 1847–1918 – Eine Vorkämpferin für Gewerkschaft, Genossenschaft und Partei, Biografie, Verlag: Books on Demand, Norderstedt 2018, ISBN 978-3-7528-2318-9
- Gisela Notz: Frauenkalender und Postkartenset 2019: Helma Steinbach (1847 – 1918) Pionierin der Genossenschaftsbewegung, ISBN 978-3-945959-30-5.
- Steinbach, Helma. In: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hrsg.): Hamburgische Biografie. Band 1. Christians, Hamburg 2001, ISBN 3-7672-1364-8, S. 304–305.
Weblinks
- SPD Wedel: Helma Steinbach
- Genossenschaftswesen als Ideal - Helma Steinbach, Friedrich-Ebert-Stiftung
- Veranstaltung zur Erinnerung an Helma Steinbach mit Berthold Bose, Landesleiter von ver.di Hamburg, Kerstin Haake, Autorin der Biografie und Prof. Dr. h. c. Christa Randzio-Plath.
- Dr. Burchard Bösche, Hamburger Genossenschaftsmuseum: Vortrag über den Werdegang von Helma Steinbach
Einzelnachweise
- ↑ Heinrich Bürger: Die Hamburger Gewerkschaften und deren Kämpfe von 1865 bis 1890. Hamburg 1899, S. 521 ff.
- ↑ a b Helma Steinbach. SPD Schleswig-Holstein, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 7. März 2016; abgerufen am 14. April 2025.
- ↑ Burchard Bösche: Adolph von Elm - Der ungekrönte König von Hamburg. Heinrich-Kaufmann-Stiftung, Hamburg 2015, ISBN 978-3-7347-6357-1, S. 60–67.
- ↑ Ferdinand Vieth: 1869-1946, Leben und Wirken eines Genossenschafters in Selbstzeugnissen und Beiträgen. Heinrich-Kaufmann-Stiftung, Norderstedt 2018, ISBN 978-3-7460-5925-9, S. 25.
- ↑ Paul Frölich: Im radikalen Lager. Politische Autobiographie 1890–1921. BasisDruck, Berlin 2013, ISBN 978-3-86163-147-7, S. 88.
- ↑ Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Halle a. S. 12. bis 18. Oktober 1890. Verlag der Expedition des „Berliner Volksblatt“, Berlin 1890, S. 233 (fes.de [PDF; abgerufen am 14. April 2025]).
- ↑ Vom PRO-Block zum Schleidenhof – Geschichte(n) eines außergewöhnlichen Wohnblocks, Dokumentation einer Ausstellung der Geschichtswerkstatt Barmbek, Oktober 2018.
- ↑ Helma-Steinbach-Weg. In: Rita Bake: Wer steckt dahinter? Nach Frauen benannte Straßen, Plätze und Brücken in Hamburg. 4. aktualisierte und erweiterte Auflage. Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, Hamburg 2005, S. 74,online als PDF-Datei (937 kB) verfügbar ( vom 4. März 2016 im Internet Archive), abgerufen am 14. April 2025.
- ↑ Hamburg Stadtwiki (seit 2013 nicht mehr erreichbar) ( vom 22. Oktober 2008 im Internet Archive)
- ↑ Gedenktafel zu Ehren von Helma Steinbach eingeweiht. SAGA Unternehmensgruppe, 14. Dezember 2017, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 10. Juli 2018; abgerufen am 14. April 2025.
- ↑ Erinnern an Helma Steinbach. ver.di Hamburg, 12. Juli 2018, abgerufen am 14. April 2025.
- ↑ Steine der Erinnerung. Garten der Frauen, abgerufen am 14. April 2025.
Personendaten | |
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NAME | Steinbach, Helma |
ALTERNATIVNAMEN | Steinbach, Franziska Wilhelmine |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Mitbegründerin des Konsum-, Bau- und Sparvereins Produktion eGmbH, Hamburg, und Gewerkschafterin |
GEBURTSDATUM | 1. Dezember 1847 |
GEBURTSORT | Hamburg |
STERBEDATUM | 7. Juli 1918 |
STERBEORT | Glüsing bei Lauenburg/Elbe |
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Wandbild in Ottensen. Dargestellt werden die Gründer des Konsum-, Bau- und Sparvereins "Produktion" in Hamburg: Helma Steinbach, Adolph von Elm und Raphael Ernst May.
Aufsichtsratsmitglieder der Konsumgenossenschaft Produktion in Hamburg im Jahr 1908.
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Gedenktafel für Helma Steinbach am Helma-Steinbach-Haus in Hamburg-Horn am 14.12.17 angebracht
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Schleswig-Holstein Wedel Milichstr. Siedlung „Helma-Steinbach“ Plakette
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Helma Steinbach Haus in Hamburg-Billstedt, Legienstr. 45
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Straßenschild Helma-Steinbach-Weg in Hamburg-Horn
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Gedenkstein für Helma Steinbach, Margareta(e) Treuge sowie Dorothea Eckardt in der Erinnerungsspirale im Bereich des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf.