Helen Frankenthaler

Helen Frankenthaler (* 12. Dezember 1928 in New York City; † 27. Dezember 2011 in Darien, Connecticut) war eine US-amerikanische Malerin. Sie gilt als bedeutende Vertreterin der zweiten Generation abstrakter Malerinnen und Maler nach dem Zweiten Weltkrieg und wird häufig als Schlüsselfigur des Übergangs vom Abstrakten Expressionismus zur Color-Field-Malerei bezeichnet. Bekannt wurde sie vor allem durch die Entwicklung der „Soak-Stain“-Technik, bei der stark verdünnte Farben auf ungrundierte Leinwand gegossen werden.[1] Zu ihren bekanntesten Werken zählen die Gemälde Mountains and Sea (1952)[2] und Robinson’s Wrap (1974).[3]

Leben

Helen Frankenthaler war die jüngste von drei Töchtern des New Yorker Supreme-Court-Richters Alfred Frankenthaler und der aus Wiesbaden-Igstadt stammenden Martha Lowenstein Frankenthaler.[4] Ihre Schwester Gloria Frankenthaler Ross war eine bekannte Textilkünstlerin. Helen Frankenthaler besuchte Privatschulen und erhielt ab 1945 Malunterricht an der New Yorker Dalton School bei Rufino Tamayo. 1946 studierte sie am Bennington College in Vermont sowie von 1947 bis 1949 an der Art Students League of New York. 1950 nahm sie Privatunterricht bei Hans Hofmann. Nebenbei studierte sie an der Columbia University Kunstgeschichte bei Meyer Schapiro.[4][5] Ihre Ausstellungstätigkeit begann 1950, als Adolph Gottlieb ihr Gemälde Beach (1950) für die Schau Fifteen Unknowns: Selected by Artists of the Kootz Gallery auswählte. 1951 hatte sie ihre erste Einzelausstellung in der Tibor de Nagy Gallery in New York und war im selben Jahr in der richtungsweisenden 9th Street Exhibition of Paintings and Sculpture vertreten. 1952 entstand ihr Werk Mountains and Sea, das als Durchbruch für die amerikanische Abstraktion gilt. In dieser Arbeit wandte sie erstmals die Soak-Stain-Technik an, die großen Einfluss auf Künstler wie Morris Louis und Kenneth Noland hatte.

Luftrahmen (Blatt 7 in: New York ten) von Helen Frankenthaler (1965) aus dem Bestand der Staatsgalerie Stuttgart
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Im New Yorker Kunstbetrieb der 1950er Jahre lernte sie avantgardistische Künstler wie Jackson Pollock und Robert Motherwell kennen, die sie zu ihrer eigenen spontan-abstrakten Bildsprache inspirierten. 1958 heiratete sie Robert Motherwell, der sich 1971 von ihr trennte.[5][6] Seit Ende der 1950er Jahre war Frankenthaler regelmäßig in internationalen Ausstellungen vertreten. 1959 gewann sie den ersten Preis der Première Biennale de Paris. 1966 vertrat sie die Vereinigten Staaten auf der 33. Biennale von Venedig, gemeinsam mit Ellsworth Kelly, Roy Lichtenstein und Jules Olitski. Ihre erste große Museumsausstellung fand 1960 im Jewish Museum in New York statt, 1969 folgte eine Einzelausstellung im Whitney Museum of American Art mit anschließender internationaler Tournee.[7] Halen Frankenthaler lehrte bis in die späten 1980er Jahre an zahlreichen Instituten und Universitäten, unter anderem an der Yale University.[5] 1974 wurde sie in die American Academy of Arts and Letters gewählt, 1991 in die American Academy of Arts and Sciences und 1994 zum Mitglied (NA) der National Academy of Design.[8] Helen Frankenthaler starb am 27. Dezember 2011 im Alter von 83 Jahren.[9]

Neben der Malerei auf Leinwand und Papier arbeitete Frankenthaler mit zahlreichen weiteren Medien, darunter Keramik, Skulptur, Tapisserie und insbesondere Druckgrafik. Sie war eine zentrale Figur der amerikanischen Druckgrafik-Renaissance der 1960er Jahre und ist vor allem für ihre Holzschnitte bekannt.

Die größte private Sammlung[10] von Helen Frankenthalers Werken befindet sich im Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden. Der Sammler und Mäzen Reinhard Ernst nennt 52 ihrer großformatigen Gemälde sein eigen. Eine Ausstellung[11] Ihrer Werke, Helen Frankenthaler. Move and Make wird dort gerade gezeigt. In enger Abstimmung mit der Helen Frankenthaler Foundation in New York ist der sechsteilige Podcast FRANKENTHALER[12] entstanden. Dieser steht auf allen einschlägigen Plattformen kostenlos zur Verfügung.

Maltechnik

Helen Frankenthaler verfeinerte eine von Jackson Pollock entwickelte Maltechnik, bei der die Farbe direkt auf die auf dem Boden liegende Leinwand aufgetragen wird (bei Pollock durch Tröpfeln, daher auch der Begriff „Drip Painting“). Sie entwickelte daraus eine Malmethode, die vor allem als Color Field Painting bekannt ist, obwohl Clement Greenberg ihre Arbeiten als Post-Painterly Abstraction bezeichnete. Während Pollock Emaillefarbe verwendete, das wie eine Haut auf der ungrundierten Leinwand lag, goss Frankenthaler mit Terpentin verdünnte Farbe in wässrigen Lasuren auf die Leinwand, sodass die Farbe in das Gewebe eindrang und mit ihr verschmolz. Durch diese Färbemethode wurde die flache Oberfläche betont und die illusorische Tiefe geriet in den Hintergrund. Dadurch rückte die eigentliche Natur der Farbe auf Leinwand in den Fokus – ein Thema, das Künstler und Kritiker zu dieser Zeit beschäftigte. Frankenthaler verlieh der bemalten Oberfläche eine neue, offene Leichtigkeit. Dafür wurde sie gelobt, da sie die Farbe von der gestischen Herangehensweise und der romantischen Rhetorik des Abstrakten Expressionismus befreite.[13]

Frankenthaler stieß mehr oder weniger zufällig auf ihre Maltechnik, wie sie sagte, und setzte sie erstmals bei der Schaffung von Mountains and Sea (1952) ein. Das Gemälde entstand nach ihrer Rückkehr aus Nova Scotia nach New York und zeigt eine lichtdurchflutete, durchscheinende Darstellung von Hügeln, Felsen und Wasser. Die zarte Balance zwischen Zeichnung und Malerei, die frischen Farbtöne – vorwiegend Blau- und Rosatöne – sowie die bahnbrechende Technik haben es zu einem ihrer bekanntesten Werke gemacht. „Die Landschaften lagen in meinen Armen, als ich es malte“, erzählte Frankenthaler einem Interviewer. „Ich war mir nicht bewusst, was ich da tat. Ich versuchte, etwas zu erreichen – ich wusste nur nicht, was, bis es sich manifestierte.“[13]

Literatur

  • Helen Frankenthaler. Move and Make. Hirmer, München 2025, ISBN 978-3-7774-4538-0
  • Helen Frankenthaler: Helen Frankenthaler. Mountains and Sea und die Jahre danach 1956–1959. Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2002, ISBN 3-7757-0794-8.
  • Helen Frankenthaler. Malerische Konstellationen, Katalog zur Ausstellung in der Kunsthalle Krems und im Museum Folkwang, Essen, Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, Köln 2022, ISBN 978-3-7533-0131-0.
  • Annette Reich, Svenja Kriebel: Abstrakter Expressionismus in Amerika. Lee Krasner, Elaine de Kooning, Hedda Sterne, Joan Mitchell, Helen Frankenthaler. Pfalzgalerie Kaiserslautern, 2001, ISBN 3-89422-114-3.

Einzelnachweise

  1. “Soak-stain” Artist Helen Frankenthaler is Born. Abgerufen am 28. August 2025 (englisch).
  2. Mountains and Sea - Artworks - Helen Frankenthaler Foundation. Abgerufen am 28. August 2025.
  3. Robinson's Wrap, 1974 - Helen Frankenthaler - WikiArt.org. Abgerufen am 28. August 2025.
  4. a b Grace Glueck: Helen Frankenthaler, Abstract Painter Who Shaped a Movement, Dies at 83. The New York Times, 27. Dezember 2011, abgerufen am 1. Januar 2012 (englisch).
  5. a b c Helen Frankenthaler. Ketterer Kunst, abgerufen am 1. Januar 2012.
  6. The Dedalus Foundation's Robert Motherwell Scrapbooks, The Museum of Modern Art Archives, New York, abgerufen am 17. Februar 2015
  7. Biography - Helen Frankenthaler - Helen Frankenthaler Foundation. Abgerufen am 28. August 2025.
  8. nationalacademy.org: Past Academicians "F" / Frankenthaler, Helen NA 1994 (Memento vom 14. Januar 2014 im Internet Archive) (abgerufen am 22. Juni 2015)
  9. Expressionismus: Malerin Helen Frankenthaler ist tot. In: Die Zeit. 28. Dezember 2011, abgerufen am 26. Februar 2013.
  10. hessenschau de, Frankfurt Germany: Wiesbaden: Frankenthaler-Schau im Museum Ernst. 12. März 2025, abgerufen am 30. Juli 2025.
  11. Wiesbaden: Reinhard Ernst zeigt Helen Frankenthaler. 18. März 2025, abgerufen am 30. Juli 2025.
  12. Wiesbaden: Podcast-Folgen zu Helen Frankenthaler. In: www.kunstforum.de. Abgerufen am 30. Juli 2025.
  13. a b Helen Frankenthaler, Abstract Painter Who Shaped a Movement, Dies at 83 (Published 2011). 27. Dezember 2011 (nytimes.com [abgerufen am 28. August 2025]).